Seite vorlesen

von Brigitta Hochuli, 19.09.2014

In den Untiefen des Toni-Areals

In den Untiefen des Toni-Areals
Das zum Fachhochschulcampus erneuerte Zürcher Toni-Areal | © ZHdK

Lara Stoll, Thurgauer Kulturpreisträgerin und Filmstudentin der Zürcher Hochschulie der Künste (ZHdK), äussert sich vorerst skeptisch zum neuen gigantischen Hochschulzusammenschluss auf dem Toni-Areal. Künstler und Visarte-Vertreter Alex Meszmer aus Pfyn moniert ein Überangebot.

Brigitta Hochuli

Am Montag öffnete die ehemalige Toni-Fabrik in Zürich West ihre Tore als neuer Zürcher Fachhochschulstandort. Die Zürcher Hochschule der Künste (ZhDK) mit ihren 2500 Studenten und die ZHaW-Departemente Soziale Arbeit und Angewandte Psychologie bilden einen gigantischen Campus, auf dem insgesamt rund 5000 Personen studieren, lehren und arbeiten. In einer Beilage des Tages-Anzeigers gab nebst drei Anderen die Thurgauer Filmstudentin Lara Stoll ihren ersten Eindruck wieder. Wir wollten es etwas genauer wissen.

Frau Stoll, Sie geniessen als erfolgreiche Poetry-Slammerin, Thurgauer Kulturpreisträgerin und TV-Produzentin viel Beachtung. HIlft Ihnen diese Erfahrung, sich in der riesigen neuen Ausbildungsstätte nicht komplett verloren zu fühlen?

Ich glaube, man muss einfach ein Ziel vor Augen haben, wenn man in den Untiefen des Toni-Areals zur Schule geht. Dann fühlt man sich auch nicht verloren.

Im Tages-Anzeiger loben Sie Einrichtungen wie eigenes Kino und Filmstudio sowie grössere Schnittplätze. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie Sie die neuen Arbeitsbedingungen nutzen werden? Und inwiefern wird der Umzug in die Toni-Fabrik Ihr Studium grundsätzlich verändern?

So gross sind die Schnittplätze leider nicht, eher dunkle Schläuche. Ich lobte einiges, bin aber gleichzeitg auch sehr skeptisch. Ich hoffe, dass wir uneingeschränkt Zugang zu den Schnittplätzen haben. Bei uns ergibt sich schon immer wieder mal eine Nachtschicht. Wobei ich auch sehr viel von zuhause aus arbeite. Ich hoffe einfach, man verliert sich dort nicht allzu sehr aus den Augen.

Kino der Zürcher Hochschule der Künste im Toni-Areal. Bild: ZHdK

 

Bereits heute gehen rund 5000 Studenten, Dozenten und Angestellte im Areal ein und aus. 2500 Interessierte kamen zum Informationsabend. Das bedeutet auch für die Filmstudentin Lara Stoll immer mehr Konkurrenz. Ängstigt Sie das mit Blick auf Ihre berufliche Zukunft?

Nein, überhaupt nicht. Jeder hat ja anderes vor Augen. Ich bin jetzt nur noch ein Jahr dort und habe noch etwa einmal pro Woche Schule, daher werde ich mich auf das ganze Tohuwabohu gar nicht so sehr einlassen, ich werde wohl auch nicht allzu viel mitkriegen. Im Moment freue ich mich dann, wenn ich Ende Jahr das richtige Schulzimmer finde.

Die Erwartungen auch der Öffentlichkeit an den neuen Hochschulstandort sind gross. Nicht zuletzt werden die Studierenden in die Pflicht genommen, mit Kultur ein ganzes Quartier neu zu erfinden. Fühlen Sie sich davon persönlich angesprochen?

Dafür fehlt mir leider schlicht die Zeit, ich bin aber gespannt darauf, was alles entsteht.

Am Dienstag begann das Herbstsemester - haben Sie sich schon eine Nische im Haus oder auf dem Areal angeeignet?

Ich war mal kurz auf der Dachterasse, das war ganz nett. Aber da müssten Sie mich in ein paar Wochen nochmals fragen.

 

„Will die Filmszene revolutionieren“

Lara Stoll (27) ist ZHdK-Filstudentin im 7. Semester Bachelor. Sie fasst das Masterstudium ins Auge, das allerdings nur alle zwei Jahre möglich sei und zu ihrem Bachelorzeitpunkt gerade nicht. Lara Stolls Studien-Schwerpunkt war Script Editing/Drehbücher lektorieren. Berufsziel: „Wie alle anderen Filmstudenten auch, will ich die Schweizer Filmszene revolutionieren und die Weltherrschaft an mich reissen.“ (red/Bild: id)

 

„Schlecht für die Kunst, gut für den Markt“

Alex Meszmer äussert sich aus anderer Optik als Lara Stoll skeptisch zur Fachhochschulentwicklung in Zürich (und Basel). Seine Kommentare auf Facebook basieren, wie er betont, auf seinen Erfahrungen als visarte-Vertreter und als Jurymitglied:

 

„Was wir seit einigen Jahren beobachten können, ist, dass sich der Konkurrenzkampf zwischen den Künstlern verschärft hat und zeitlich verschoben wurde. Die Aufnahmeprüfungen zu den Akademien waren streng (etwa 8-10 Prozent der Bewerber wurden aufgenommen) und selektierten stark. Diese Selektion verschiebt sich, wenn Hochschulen nach Studentenzahlen und nicht nach Qualität Geld erhalten, auf die Zeit nach dem Studium.“ Auf Nachfrage von thurgaukultur.ch meint Meszmer: „Das ist schlecht für die Künstler und schlecht für die Kunst. Aber gut für den Markt.“

 

„Wir nehmen nur die am wenigsten Schlechten“, sei der Wahlspruch der Aufnahmekommission an der Kunsthochschule Kassel gewesen, als er dort noch Studentische Hilfskraft gewesen sei. „Es wurden pro Jahr etwa 30 Studenten aufgenommen. Vor allem an den Schweizer Kunstschulen liegen diese Zahlen erheblich höher, und die Qualität sinkt. Die frischgebackenen jungen Künstler drängen in den Kunstbereich, in die Förderung und nachdem in den letzten Jahren 'junge Künstler' als besonders attraktiv galten, werden diese in den ersten Jahren auch sehr gut gefördert. Der Einbruch kommt dann umso härter, wenn die Fördersysteme aufhören. Aus dieser Entwicklung ist ein Durchlauferhitzer entstanden, und sie hat wesentlich zur Akademisierung der Kunst beigetragen.“ (red/Bild: Sascha Erni)

 

Zur Hochschulpolitik äussert sich auch die Direktorin des Bundesamts für Kultur, Isabelle Chassot, in einem Interview mit der NZZ zur neuen Kulturbotschaft.

www.zhdk.ch

Kommentare werden geladen...

Kommt vor in diesen Ressorts

  • Film
  • Kulturpolitik

Kommt vor in diesen Interessen

  • Kabarett
  • Bildung

Werbung

Hinter den Kulissen von thurgaukultur.ch

Redaktionsleiter Michael Lünstroth spricht im Startist-Podcast von Stephan Militz über seine Arbeit bei thurgaukultur.ch und die Lage der Kultur im Thurgau. Jetzt reinhören!

#Kultursplitter - Agenda-Tipps aus dem Kulturpool

Auswärts unterwegs im April/Mai - kuratierte Agenda-Tipps aus Basel, Bern, Liechtenstein, St.Gallen, Winterthur, Luzern, Zug und dem Aargau.

Austauschtreffen igKultur Ost

Für eine starke Kulturstimme im Kanton Thurgau! Dienstag, 11. Juni 2024, 18.00 Uhr, Kult-X Kreuzlingen.

Ähnliche Beiträge

Kulturpolitik

Das Anti-Langeweile-Programm

Lasst uns was gemeinsam machen! Das ist die zentrale Devise des Projektes „Was brauchen wir?“ von Ira Titova und Isabelle Krieg. Damit stehen sie am 7. Juli im Finale des Wettbewerbs „Ratartouille“. mehr

Kulturpolitik

Ideen fischen in Fischingen

Entwicklung als Chance: Mit der Abstimmung am 18. Juni über das 127 Millionen-Paket aus dem Verkauf der Anteile der Thurgauer Kantonalbank käme auch das Kloster Fischingen mit 20 Millionen zum Zug. mehr

Kulturpolitik

Ein Treffpunkt für 6000 Menschen

TKB-Projekte, Teil 7: In Weinfelden soll ein Thurgauer Erlebnis- und Kulturzentrum entstehen. Dort könnten dann auch grössere Konzertevents stattfinden. mehr