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von Samantha Zaugg, 25.06.2018

Die Entdeckung des Raumes

Die Entdeckung  des Raumes
Viel weiss, viel Licht, viel Platz, wenig Sachen: Das ist die 9. Ausgabe der Ausstellungsreihe «Tanz mit Bruce» im Eisenwerk Frauenfeld. | © Samantha Zaugg

Kommunikation ist das A und O einer Gruppenarbeit. Das zeigt auch die neunte Ausgabe von «Tanz mit Bruce» im Eisenwerk in Frauenfeld. Eine Ausstellung über unterschiedliche Sprachen, Übersetzung von Raum, und Dialog zwischen Objekten.

Es ist Freitag, es ist sonnig, und es läuft Fussball. Schweiz-Serbien, harte Konkurrenz für die Kuratorenführung im Eisenwerk. Ein paar Versprengte sind dennoch gekommen, ein gutes Dutzend Fussballverweigerer sind da. Kuratorin Katja Baumhoff führt durch die Ausstellung.

Viel weiss, viel Licht, viel Platz, wenig Sachen. Einige Objekte, kleinere und grössere, Fotografien und Glasplatten, eine Videoinstallation und eine Installation aus Fäden. Das ist alles. Die Ausstellung ist minimalistisch, leicht und aufgeräumt. Eine Wohltat für die von sommerlicher Reizüberflutung geprügelten Augen.

Alles verbunden

«Alles in der Ausstellung ist miteinander verbunden, wie durch unsichtbare Fäden, so dass ein Dialog zwischen den Werken entsteht», sagt Kuratorin Katja Baumhoff. Die Verbindung finde vor allem auf der inhaltlichen Ebene statt: «Es geht bei allen Objekten darum, eine zweidimensionale Fläche in den dreidimensionalen Raum zu übersetzen», so Baumhoff. Dadurch, dass die Künstler sich unterschiedlicher Arbeitsweisen bedienten, treffen verschiedene Sprachen aufeinander, künstlerische, aber auch ganz banal linguistische.

Blick ins Publikum. Bild: Samantha Zaugg

Denn «Tanz mit Bruce» wird mit der neunten Ausgabe zum ersten Mal international. Eva Maria Gisler kommt aus Bern, Nuno Direitinho aus Lissabon und Simon Barkworth aus London. Die Kunstschaffenden haben schon vor drei Jahren während dem Studium in London gemeinsam eine Ausstellung realisiert.

Installation aus Fäden von Nuno Direitinho. Bild: Samantha Zaugg 

Willkommen in einer Parallelwelt

Dass mehrere Künstler als Gruppe ein Förderstipendium erhalten, so wie es bei «Tanz mit Bruce» der Fall ist, ist ungewöhnlich. «Manche Kunstschaffenden hält diese Bedingung auch davon ab, sich zu bewerben», sagt Katja Baumhoff. Dabei sei genau diese Arbeit in der Gruppe ein Qualitätsmerkmal der Serie. Wenn sich mehrere Künstlerinnen und Künstler während vier Wochen einen Raum teilen, können eigene Arbeitsweisen hinterfragt werden, und neue dazukommen. «Während den vier Wochen Atelierzeit entsteht in der Shed-Halle eine Parallelwelt, die Ausstellung wandelt sich während des ganzen Arbeitsprozesses. Dieses Prozesshafte ist ein wichtiger Teil.»

Zurück zur Verbindung der einzelnen Werke: Fläche zu Raum transformieren, dazu gibt es verschieden Möglichkeiten. Die banalste ist vielleicht die Fotografie. Ein zweidimensionales Bild, dass durch das Motiv ein Gefühl von Raum und Tiefe vermittelt.


Fotografie von Eva Maria Gisler. Bild: Samantha Zaugg

Die stinkende Skulptur

 
Die Stinkskulpturen: Beton, Altöl und Holz von Simon Barkworth, an der Wand Filzstift auf Glas von Nuno Direitinho. Bild: Samantha Zaugg

Simon Barkworth hat Fläche zu Raum wohl am wörtlichsten interpretiert. Aus Beton fertigte er Abgüsse des Bretterbodens der Halle. Die hat er dann zu räumlichen Gebilden zusammengefügt. Doch die Objekte wollte noch nicht so recht zum Raum passen, es fehlte die Patina. Barkworth liess sich von der Umgebung inspirieren. Für eine andere Arbeit wurden Steine aus dem Boden der Shed-Halle gelöst. Darunter kam, als Überrest der alten Schraubenfabrik, Maschinenöl zum Vorschein. Barworth behandelte also seine Skulptur mit dem Altöl. Wer nahe genug rangeht und an der Skulptur riecht, der merkt, sie stinkt. All things considered - was der Titel der Ausstellung verspricht wird eingelöst. Alle Ebenen werden bedient, auch die olfaktorische.

 

Das Ausstellungskonzept 

«Tanz mit Bruce» ist ein Nachwuchsstipendium für bildende Kunst des Kantons Thurgau. Der Name «Bruce» ist eine Referenz an den wichtigen zeitgenössischen Künstler Bruce Naumann. «Tanz ist als Aufforderung gemeint, mit der Experimentierfreude, dem Spontanen, dem Prozesshaften zu spielen», erklärt Kuratorin Katja Baumhhoff. Junge Künstler bewerben sich als Gruppe um den Platz. Während vie Wochen beziehen sie die Shed-Halle im Eisenwerk und arbeiten gemeinsam an einer Ausstellung. Die Arbeit endet in einer Vernissage. Dieses Jahr ist bereits die neunte Ausgabe von «Tanz mit Bruce». Die Ausstellung dauert bis Anfang Juli, Finissage ist am 6. Juli 2018.

 

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