27.08.2024
Tanz auf dem kulturellen Holzboden
Zum Abschied des Kulturförderers und Netzwerkers Robert Richard Fürer. Ein Nachruf von Kurt Schmid. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
Es gibt Menschen, Persönlichkeiten, von denen man annimmt, dass es sie immer gibt, weil ihre Präsenz sie auszeichnet und damit ihre Ausstrahlung und letztlich Wirkung. Wenn diese Menschen dann nicht mehr da sind, fehlen sie nicht nur. Sie hinterlassen eine Lücke, die umso schmerzlicher ist, als man sich eben der Illusion beraubt sieht, sie wären immer da. Und nein, der Umkehrschluss ist nicht wahr. Menschen ohne Präsenz, die einfach verschwinden, gibt es nicht.
Es sind immer die Beziehungen, die da sind - oder eben fehlen. Es kommt immer auf das Beziehungsnetz an, innerhalb- oder eben ausserhalb - dessen man sich befindet. Wenn wir nun den Verlust von Robert Fürer beklagen, so beklagen wir den Knotenpunkt im privaten, sozialen, beruflichen und kulturellen Netz, in welchem Robert Fürer eine zentrale Position einnahm.
Raus aus der Isolation, rein in die Netzwerke
Er war ein Netzwerker, einer der wusste, dass splendid Isolation problematisch ist und einer, der Netzwerke vorantrieb, um überragende Resultate zu erzielen. Und das hat er auch und
insbesondere im Bereiche der Kultur in vielerlei Sparten, der Musik, der Literatur, der bildenden Kunst und nicht zuletzt der Architektur.
Was ihn dabei besonders auszeichnet ist der Umstand, dass all die genannten Sparten nicht als solche existieren, sondern selber Netzwerke sind, auf Strukturen, Organisation und Support angewiesen sind. Es ist wichtig, dass einzelne Kunstschaffende unterstützt werden. Es ist aber ebenso wichtig - aber weitaus aufwändiger - kulturelle Netzwerke ins Leben zu rufen, zu unterhalten und notfalls zu verteidigen.
Wenn einer aber genau dies im und für den Kanton Thurgau in den letzten 50 Jahren geleistet und erreicht hat, dann er. Zugegeben, es gibt andere auch. Aber für den Bereich der Gegenwartskunst aller Sparten steht er doch ziemlich isoliert da. Der Thurgau ist kein kultureller Hotspot. Er gleicht eher einem kulturellen Holzboden. Dass man darauf aber tanzen kann. Das hat Robert Fürer glänzend gezeigt.
Den Kulturpreis hätte er längst verdient gehabt
Aufgrund dessen, was er für die Kultur im Kanton Thurgau erreicht hat, hätte er längst den Kulturpreis erhalten müssen. Die Ausgestaltung und Positionierung der Kartause Ittingen, deren erster Prokurator er war, seine tragende Rolle bei Gründung der Kulturstiftung, seine Unterstützung für das Jazzfestival „Generations“, der Support für den Walgut-Verlag und dann die Neugründung des Verlags Saatgut, sein Wirken bei Pro Helvetia - all das wirkte und wirkt prägend. Strukturell prägend. Von einzelnen Engagements gegenüber Kulturschaffenden ganz zu schweigen.
Was Robert, Röbi, Fürer im Kultursektor (und darüber hinaus) anpackte, hatte und hat Profil, manchmal so viel, dass er damit aneckte. Das steckte er - meist - weg. Das von ihm hoch geschätzte Tanztheater Rigolo machte es schliesslich vor: Es gibt den Boden der Verbundenheit, die Bretter, die die Welt bedeuten. Es gibt den leichten Tanz mit Licht und Schatten und, wie bei „Ithir“, eingebunden in Werden und Vergehen. Es gibt den unergründlichen Boden, auf dem man sich bewegt, aber auch den Raum darüber. Worauf es ankommt, ist, aus den realen Gegebenheiten und ihrem Potential etwas zu machen.
Zupackend, umtriebig und auch listig
Vielleicht war dies das Motto von Robert Fürer. Er war Thurgauer durch und durch - aber eben nicht nur. Es kann nicht schaden, aus etwas erweitertem Horizont zu agieren. Nicht der Holzboden als solcher ist das Problem, sondern das, was darauf geschieht. Robert Fürer war ein Macher, ein Strippenzieher, zupackend, reflektiert, umtriebig, raffiniert und manchmal durchaus auch listig.
Wenn er etwas wusste, dann dies: Wenn aus der Idee ein Projekt, daraus eine Umsetzung und diese ein Erfolg werden will, dann braucht dies organisatorisches Geschick, Kenntnis der vorhandenen Bedingungen und schliesslich Gespür und Verstand für strukturelle Prozesse und Hindernisse. In seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt, Verwaltungsrat, Geschäftsmann und Militär brachte er die notwendigen Kenntnisse und Verfahrensweisen mit und trug sie in den Kultursektor hinein.
Als Liebhaber von Musik, Theater, Literatur und Tanz suchte und fand er die inspirierende, persönliche Begegnung - und spiegelte diese in sein berufliches Umfeld zurück. Kultur war für Robert Fürer Herzensangelegenheit und weitaus mehr als ein Freizeitvergnügen. Kultur war eine Frage des Stils. Und den hatte er.
Streit um seine Rolle im gescheiterten Kunstmuseumsprojekt
Liest man auf thurgaukultur nach, was Robert Fürer alles geleistet hat, wird dies zwar anerkannt. Es wird ihm allerdings auch hart an den Karren gefahren. Da gibt es beispielsweise Berichte über dessen Engagement in der Frauenfelder Lesegesellschaft und das Thurgauer Lesebuch.
Aber da werden im Meinungsbeitrag mit dem Titel „Leichen im Keller“ auch solche geortet. Da ist die Rede von Winkelzügen und Rechtsbrüchen. Und dafür wird als Schlüsselfigur Robert Fürer angeprangert. Es kommt bekanntlich, was das Neubauprojekt des Kunstmuseums angeht, zum juristischen Streit bis vor Bundesgericht.
Mit dem Resultat, dass der Kanton kein erweitertes Kunstmuseum bekommt, sondern einen Scherbenhaufen. Auf diese, auch juristische Weise, zu verlieren, war für einen Robert Fürer wohl nicht leicht zu verschmerzen. Und wohl nicht minder ist, vom Resultat her gesehen, zu beklagen, dass aus dem jahrelangen Planungsarbeiten für die Entwicklung der Museen überhaupt, nichts als Makulatur herausgeschaut hat.
Qualität? Gibt’s nicht gratis
Das allerdings geht nicht auf die Kappe von Robert Fürer. Das geht auf den steinernen Holzboden, auf dem das Konzept aufgeschlagen ist - und die Rechtslage. Für einmal ist das notwendige Netzwerk nicht zustande gekommen. Zerrissen haben es die Gegner.
Man muss weit zurückgehen, bis man im Thurgau Persönlichkeiten von Format findet, die sich als Netzwerker erfolgreich für strukturelle Kulturprojekte eingesetzt haben. Dazu zählen Felix Rosenberg, immerhin Kulturpreisträger von 1993, Ernst Mühlemann als treibende Kraft für das Kunstmuseum und der im Jahr 2000 verstorbene Hoffnungsträger für Kultur Thomas Onken. Ihnen allen, Robert Fürer inklusive, war Qualität auch im Bereich der Kultur nicht nur überragend wichtig, sondern nicht gratis zu erhalten.
So bekam der Kanton (sehr spät) ein Kunstmuseum, die Kartause Ittingen, sehr früh eine professionell geführte Kulturstiftung und (spät) ein Kulturamt samt Kulturkonzept sowie den Kunstraum. Qualität muss aber zuerst einmal hergestellt werden. Das setzt know how und eben Riecher dafür voraus.
Kleinmut, Provinzialität und Neid
Beides ist relativ selten anzutreffen. Und noch viel seltener ist es, dass ein gutes Projekt dank Kritik zu einem besseren wird. Ehrlich gesagt, ich kenne eigentlich hierzulande nur das Gegenteil. Da mag Kleinmut, Provinzialität, Konkurrenz, Rechthaberei und auch Neid eine gewisse Rolle spielen. Eigenschaften, die einem Robert Fürer völlig fremd waren.
Im Februar 2023 hielt Robert Fürer vor der Aufführung des Tanztheaters Rigolo mit „Ithir“ im Theater im Eisenwerk Frauenfeld eine kurze Ansprache. Er sprach begeistert davon, was auf dem Holzboden alles entstehen kann wandte sich mit Genesungswünschen dem krankheitshalber abwesenden Rigolo- Gründer und Freund der Fürers, Mädir Eugster, zu.
Fast eine Vorahnung
Mädir Eugster verstarb im März 2023. Dass ihm Robert Richard Fürer so bald folgen musste - wer hätte das damals geahnt? Doch das Thema der Unergründlichkeit unserer Existenz stand in dieser Aufführung, in diesem Stück schwebend im Raum.
Rigolo schreibt zum Stück Ithir:
„Überall finden sich Lebenszyklen; kleine wie im Ameisenbau und schier unendlich lange wie beispielsweise die Umlaufbahnen der Planeten. Auch die Geschichte jedes einzelnen Menschen ist Teil der Natur, ist Teil das Ganzen, eingebettet in den grossen Lebenszyklus.“
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