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Ein Booster für die Kultur vor Ort

Ein Booster für die Kultur vor Ort
Mit mehr Geld, könnten die Städte und Gemeinden auch grössere Kulturprojekte stemmen. Ein Pilotversuch aus dem Kanton Zürich macht gerade vor, wie das gehen kann. | © Canva

Wie könnte man das Kulturleben in den Gemeinden im Thurgau stärken? Mit mehr Geld für nachhaltige Projekte zum Beispiel. Der Kanton Zürich macht gerade vor, wie das gehen könnte. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

In Wetzikon im Kanton Zürich ist es wie überall in der Kultur: An Ideen mangelt es nicht, am Geld aber schon. „In die grossen Städte wie Zürich oder Winterthur fliessen oft viele Millionen Kulturfördermittel vom Kanton, aber für kleinere Städte wie Wetzikon bleibt meist nur wenig übrig“, sagt Christophe Rosset, Kulturbeauftragter der Stadt Wetzikon. Knapp 27’000 Einwohner leben in der Stadt, das Kulturangebot und die Nachfrage danach sind in den letzten Jahren gewachsen und seit 2024 gibt es jetzt ein neues Programm der regionalen Kulturförderung, das gerade mittelgrosse Städte wie Wetzikon unterstützen soll. 

Bis 2026 läuft das Pilotprojekt „Kulturprogramm für mittelgrosse Städte“ an dem neben Wetzikon auch die Städte Dietikon (28’000 Einwohner), Schlieren (21’000 Einwohner) und Uster (36’000 Einwohner) beteiligt sind. Sie erhalten zusätzlich zu den bisherigen Zuschüssen neu jeweils drei Franken pro Einwohner:in für ihr Kulturbudget. 

 

Begegnungsprojekte im Park - auch das wurde in Wetzikon dank erhöhter Förderung möglich. Bild: zVg

„Kulturorte sind attraktiv und Kultur schafft regionale Identität und damit gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Jacqueline Fehr, Regierungsrätin für Kultur im Kanton Zürich

Hintergrund des neuen Förderprogramms ist die Situation in den mittelgrossen Städten mit Zentrumsfunktion für ihre Region. „Die Bedeutung der Kultur im Veränderungsprozess der Agglomerationen ist gross. Sie leistet einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt einer guten Lebensqualität in den mittelgrossen Städten. Kulturorte sind attraktiv und Kultur schafft regionale Identität und damit gesellschaftlichen Zusammenhalt. Darum fördern wir die Kultur in den Agglomerationsstädten“, schreibt die für die Zürcher Kulturpolitik verantwortliche Regierungsrätin Jacqueline Fehr in einer Medienmitteilung.

Die vier für das Pilotprojekt bestimmten Städte, Dietikon, Schlieren, Uster und Wetzikon wurden nach Angaben des Kanton Zürich nach „einem Set von demografischen, kulturellen und regionalpolitischen Kriterien“ ausgewählt. Zugelassen zum Pilotprojekt seien aber auch weitere Städte, „die eine regionale Zentrumsfunktion aufweisen und rund 20’000 Einwohnende haben“. 

Zu den weiteren Voraussetzungen zählen unter anderem eine beauftragte Person für Kultur in der städtischen Verwaltung, ein Kulturbudget und ein Kulturkonzept. Auch regelmässige professionelle Kulturveranstaltungen vor Ort und ein klar geregeltes Gesuchswesen für Projekte sind Kriterien.

 

Eines der Projekte, die in Wetzikon dank höherer Förderung möglich wurde.

„Der Austausch mit der Kulturszene vor Ort ist enger geworden, wir können mit dem höheren Budget viel zielgerichteter und nachhaltiger fördern.“ 

Christophe Rosset, Kulturbeauftragter der Stadt Wetzikon

Für Christophe Rosset ist das Programm ein Gewinn: „Wir bekommen jetzt dreimal so viel vom Kanton für Kulturprojekte wie vorher. Unser Kulturbudget hat sich dadurch fast verdoppelt. Mit dem Geld können wir einige Projekte jetzt stärker unterstützen und ein Kulturprogramm bieten, das den Wünschen unserer Bevölkerung entspricht“, sagt er im Gespräch mit thurgaukultur.ch Gemeindeentwicklung und Kultur können so viel stärker zusammen gedacht werden und voneinander profitieren. Eine abschliessende Bilanz könne man aber erst nach Ende der Pilotphase ziehen. „Was wir aber schon jetzt sagen können: Der Austausch mit der Kulturszene vor Ort ist enger geworden, wir können mit dem höheren Budget viel zielgerichteter und nachhaltiger fördern.“ 

Das Geld für das „Kulturprogramm für mittelgrosse Städte“ kommt aus dem Kulturfonds des Kantons Zürich. Die Gelder im Kulturfonds des Kantons Zürich stammen hauptsächlich aus dem Gewinnanteil des Kantons Zürich aus der Genossenschaft Swisslos Interkantonale Landeslotterie. Der Kanton Zürich erhält von Swisslos pro Jahr rund 100 Millionen Franken. 30 Prozent davon fliessen in den Kulturfonds. Zusätzlich gibt es noch andere Einnahmen, wie zum Beispiel Beiträge aus dem Staatsbudget und zweckgebundene Anteile aus anderen Fonds.

 

Christophe Rosset ist zu Gast bei Kultur trifft Politik am 13. Mai

Wenn du mehr von Christophe Rosset erfahren willst: der Kulturbeauftragte der Stadt Wetzikon ist bei der zweiten Ausgabe von Kultur trifft Politik als Diskussionsgast dabei.

 Unter dem Titel „Die Zukunft bauen - Wie Kultur und Stadt-/Gemeindeentwicklung voneinander profitieren können“ diskutieren wir mit weiteren spannenden Gästen - in Workshops und einem abschliessenden Diskussionspanel.

👉: Kultur trifft Politik No. 2: Die Zukunft bauen
👥: Unsere Moderatorin Samantha Zaugg diskutiert darüber mit Roland Ledergerber (Kantonsbaumeister des Thurgau), Karin Gubler (Kulturmanagerin), Christophe Rosset, Kulturbeauftragter der Stadt Wetzikon) und Michael Breitenmoser (Geschäftsleitung der Immobilienfirma HRS). Zur Einstimmung gibt David Zimmermann, Gemeindepräsident von Braunau und Präsident des Kulturpools Thurkultur seine Perspektive auf das Thema.
🗓️ : Dienstag, 13. Mai, ab 17:30 Uhr
📍: Apollo Kreuzlingen

🫵 Anmeldung: Die Veranstaltung ist kostenlos, wir freuen uns aber, wenn du dich anmeldest, damit wir wissen, wie viele Menschen an der Diskussion teilnehmen. Hier geht’s zur Anmeldung.

Ein Programm, um den Thurgauer Lotteriefonds besser zu nutzen?

Wenn ein solches Förderprogramm im Kanton Zürich über den Lotteriefonds finanziert wird, wäre das dann nicht auch ein Modell für den Thurgau? Schliesslich liegen dort 55 Millionen Franken (Stand 2023; wobei ein Teil davon jeweils für die bestehenden Leistungsvereinbarungen gebunden ist). Aber ja, findet auch Christof Stillhard, Kulturbeauftragter der Stadt Frauenfeld. „Das wäre eine Stärkung der Kulturförderung und des Kulturlebens in den Gemeinden, ein Booster für die regionalen Zentren und zudem breit politisch abgestützt, da alle Regionen im Kanton profitieren könnten“, sagt er im Gespräch mit thurgaukultur.ch 

Seine Gedanken zu einer Adaption des Programms im Thurgau fasst Stillhard so zusammen: „Gemeinden ab einer zu bestimmenden Grösse (9’000 oder 5’000 Einwohner) sowie einer Zentrumsfunktion für ihre Region können beim Lotteriefonds kulturelle Projekte eingeben. Voraussetzung dafür ist, dass die Gemeinden eine Kulturfachstelle, ein Kulturbudget und/oder ein Kulturkonzept haben. Die Projekte sollen nachhaltig sein und auf drei Jahre ausgelegt sein. Diese Projekte werden vom Kanton pro Einwohner und Jahr mit drei Franken bezuschusst.“

Die Kosten dafür: rund eine Million Franken

Rechnet man das durch für beispielsweise Gemeinden mit mehr als 9’000 Bewohner:innen, also Kreuzlingen, Frauenfeld, Arbon, Amriswil, Weinfelden, Romanshorn und Aadorf, käme man auf eine Summe von rund einer Million Franken für drei Jahre. „Wäre doch toll, wenn wir die Idee auf den Thurgau übertragen könnten“, findet Christof Stillhard. 

Bislang sind im Thurgau vor allem die Kulturpools für die Kulturförderung in den Gemeinden zuständig. Mitglieder der Kulturpools sind in erster Linie Gemeinden aus der jeweiligen Region. Sie zahlen pro Einwohner einen Beitrag zwischen 1 und 2 Franken (unterscheidet sich je nach Pool) in den Topf des Kulturpools. Dieser Betrag wird vom Kanton aus Mitteln des Lotteriefonds schliesslich verdoppelt.

 

David Zimmermann, Präsident des Kulturpool Thurkultur und Gemeindepräsident von Braunau. Er wird am 13. Mai bei Kultur trifft Politik auch über seine Arbeit für den Kulturpool sprechen. Bild: Archiv

Die Rolle der Kulturpools im Thurgau

Fast 900’000 Franken fliessen so im Schnitt jedes Jahr aus den regionalen Kulturpools in Kulturprojekte und Veranstaltungen in die Gemeinden im Thurgau. Im Kanton gibt es acht verschiedene Kulturpools, die sich in Grösse, Budget und Sichtbarkeit deutlich unterscheiden.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Während das Budget im Kulturpool Untersee-Rhein bei 27’000 Franken liegt, verfügt der Kulturpool Thurkultur über ein Budget von 245’000 Franken. Das liegt daran, dass Thurkultur viel mehr Mitglieder hat als der Kulturpool Untersee-Rhein: 23 zu 4. Das heisst: Je mehr Gemeinden sich beteiligen in einer Region, umso mehr Geld steht zur Verfügung.

Gut, aber in Teilen intransparent

Die Kulturpools sind im Prinzip ein gutes Kulturförderinstrument, weil sie den Gemeinden vor Ort die Gelegenheit geben, ihr lokales und regionales Kulturleben zu gestalten. Allerdings haben nicht alle, aber doch einige, Kulturpools auch ein Transparenz-Defizit.
Wer, wie viel Geld aus dem vorhandenen Finanztopf bekommt, wird oft geheimgehalten. Das verhindert Nachvollziehbarkeit und öffnet die Tore für Verfilzungen im Fördersystem zwischen Politik und Kultur.

Trotzdem haben sich die Kulturpools in den vergangenen Jahren etabliert, viele Gemeinden haben ihre Kulturarbeit dorthin ausgelagert. Sollte der Kanton Thurgau die Einführung eines Kulturprogramms für mittelgrosse Städte nach dem Modell des Kanton Zürich einführen wollen, dann wären die Kulturpools vermutlich ein wichtiger Ansprechpartner für die Umsetzung.

 

Mehr zum Thema

Kultur ist mehr als Freizeitgestaltung – sie prägt das Selbstverständnis einer Region, schafft Identität und kann entscheidend zur lokalen Wirtschaft sowie zur Standortattraktivität beitragen. Das Potential ist unbestritten, insbesondere wenn es um Wachstum und Verdichtung geht. Städte und Gemeinden stehen vor der Frage, welche Rolle kulturelle Angebote bei der Förderung des Wirtschafts- und Lebensraums spielen kann. 

 

In vielen Kantonen, auch im Thurgau, wird dieses kulturelle Potenzial noch zögerlich genutzt. Es mangelt nicht an Initiativen und Akteur:innen. Dennoch steht die strukturelle Verankerung von Kultur in der Standortentwicklung noch am Anfang. Wo liegen Potentiale verborgen? Wie lassen sie sich nutzen? Und welche Rolle spielen dabei Kanton, Gemeinden, kulturelle Akteur:innen und die Bevölkerung?

 

In einem Dossier versammeln wir Stimmen und Perspektiven zum Thema. Die Texte bilden die Grundlage für die zweite Ausgabe der Veranstaltungsreihe «Kultur trifft Politik». Die Veranstaltung findet am Dienstag, 13. Mai, ab 17:30 Uhr, im Apollo Kreuzlingen statt.

 

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