von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 03.11.2025
«Ich habe das Rampenlicht nicht gesucht.»

Mein Leben als Politiker:in (1): Die politische Leidenschaft hat Nina Schläfli bis in den Nationalrat gebracht. Der Weg dahin war nicht immer leicht. (Lesedauer: ca. 10 Minuten)
Oft sind es die Dinge, die einen besonders nerven, die einen am meisten antreiben. So war das auch bei der politischen Erweckung von Nina Schläfli. Als sie 2009 die Debatte um die Minarett-Initiative verfolgte, hatte die damals 19-Jährige das Gefühl, dass da einiges schiefläuft. «Die diskriminierenden Parolen entsprachen nicht dem, was ich während meiner Schulzeit in Kreuzlingen erlebte», erinnert sich Schläfli heute. Sie wollte aber nicht nur meckern, sondern auch etwas dagegen tun. Also schloss sie sich den Jusos an.
Damit war die Saat des politischen Interesses gelegt, und was folgte, könnte man fast als klassische Coming-of-Age-Geschichte einer Politikerin bezeichnen: Erst eine erfolgreiche Kandidatur für die SP im Kreuzlinger Gemeinderat 2011, fünf Jahre später die Wahl in den Thurgauer Kantonsrat, 2016 übernimmt sie das Präsidium der SP Thurgau, seit 2023 sitzt sie als Nationalrätin in Bern.
Wenn Nina Schläfli selbst heute so draufschaut, muss sie lächeln. «Das sieht alles so stringent aus, aber in Wahrheit war auch viel Glück auf diesem Weg dabei», sagt die heute 35-Jährige an einem Mittwoch im Oktober in einem Kreuzlinger Café.
Im Vorfeld der dritten Ausgabe unseres Dialogformats «Kultur trifft Politik» (17. November, Eisenwerk Frauenfeld, hier kannst du dich anmelden) wollen wir aufzeigen, was es heute bedeutet, Politiker:in zu sein. In fünf Texten porträtieren wir Thurgauer Politiker:innen, die sich auf den verschiedenen Ebenen, um den politischen Diskurs bemühen. Wir zeigen auf, welchen Herausforderungen sie gegenüberstehen und wie viel Gestaltungsmöglichkeiten sie wirklich haben.
Zum Auftakt blicken wir auf die politische Karriere von Nina Schläfli. Die 35-Jährige Kreuzlingerin hat eine bemerkenswerte Laufbahn vom Gemeinderat in den Nationalrat hingelegt. In den weiteren Folgen der Serie treten auf: Judith Ricklin (SVP), Daniel Eugster (FDP), Patrick Siegenthaler (Die Mitte) und Felix Meier (SP). Bei der Auswahl haben wir auch darauf geachtet, ob die Politiker:innen Berührungspunkte mit kulturellen Themen haben. Und wie sie sich bei diesem Thema in ihren Parlamenten positionieren. Alle Texte bündeln wir schliesslich in einem eigenen Dossier. Du findest es hier.
Bereits im vergangenen Jahr haben acht Thurgauer Kulturschaffende unter dem Titel «Mein Leben als Künstler:in» aus ihrem Leben berichtet. Auch diese Texte findest du nach wie vor bei uns im Magazin. Und zwar hier.
Ihrer Heimat ist sie trotz Bern weiter verbunden
Schläfli trägt ein bordeauxrotfarbenes Oberteil, einen schwarz-weiss gemusterten Mantel und einen sehr zugewandten Blick in den Augen. Gerade ist sie mal wieder in Kreuzlingen. Seit sie im Nationalrat sitzt, teilt sich ihr Leben zwischen Kreuzlingen und Bern auf. «In Bern bin ich an rund 100 Tagen pro Jahr. Die restliche Zeit verbringe ich im Homeoffice in Kreuzlingen oder an einem anderen Ort im Thurgau», sagt Schläfli, die ihr Mandat in einem 70-Prozent-Pensum ausfüllt.
Anders als in ihren früheren politischen Ämtern im Gemeinde- oder Kantonsrat muss sie jetzt aber nicht mehr alles alleine machen. Jede Fraktion hat Fachreferent:innen, die die Politiker:innen inhaltlich beraten, es gibt zusätzlich ein kleines Budget für eigene Recherchen, auch die Parlamentsbibliothek kann hier unterstützen. Das alles helfe sehr, sagt Schläfli, fügt aber hinzu: «Im Vergleich zum Deutschen Bundestag sind wir in jeder Hinsicht schlecht ausgestattet.»
Nina Schläfli hat sich als Politikerin auf verschiedenen Ebenen stark engagiert. Lokal, im Kreuzlinger Gemeinderat, hat sie stark praxis- und projektorientiert gewirkt. Im Grossen Rat des Kantons Thurgau hat Schläfli (Amtszeit 2016–2024) mehr als 30 Vorstösse eingebracht. Diese umfassen verschiedene Formen wie Interpellationen, einfache Anfragen, Motionen und parlamentarische Initiativen. Die Themen ihrer Vorstösse sind breit gefächert und spiegeln ihre politischen Schwerpunkte wider.
Auch jetzt im Nationalrat zeigt Nina Schläfli bisher zwar klar definierte politische Linien, aber der direkte legislative Einfluss ist noch begrenzt, und einige Vorstösse könnten als symbolisch oder auf Aufmerksamkeit ausgerichtet wahrgenommen werden. Erst langfristig wird sich zeigen, ob sie ihr Profil auf Gesetzesdurchsetzung und politische Mehrheiten ausweiten kann. Mit den Themen ihrer Vorstösse verbindet Nina Schläfli im Nationalrat klassische SP-Kernanliegen mit aktuellen Demokratie- und menschenrechtlichen Diskursen.
🧭 Thematische Schwerpunkte im Kantonsrat
Die von Schläfli eingebrachten Vorstösse decken eine Vielzahl von Themen ab, darunter:
Soziale Gerechtigkeit und Sozialpolitik: Mehrere Anfragen und Interpellationen befassen sich mit der Situation von geflüchteten Frauen und Mädchen im Kanton Thurgau sowie mit der Sozialhilfe und den Auswirkungen ausländerrechtlicher Konsequenzen.
Bildung und Gleichstellung: Sie setzte sich für eine bessere Nutzung von Bibliotheken sowie für die Vereinbarkeit von Mutterschaft/Vaterschaft und Kantonsratsmandat ein.
Umwelt und Naturschutz: Einige ihrer Vorstösse thematisieren die Zunahme der Freizeitaktivitäten auf Bodensee, Untersee und Rhein und den damit verbundenen Druck auf Naturschutzgebiete.
Infrastruktur und Verkehr: Sie stellte Fragen zur Zukunft des Schlosses Gottlieben und zur Umsetzung der Verordnung über Härtefallmassnahmen für Unternehmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie.
Polizeiarbeit und Diskriminierung: Eine ihrer Interpellationen befasste sich mit der Sensibilisierung für Racial Profiling bei der Thurgauer Kantonspolizei.
Im Nationalrat liegt der Schwerpunkt von Nina Schläflis Arbeit auf Interpellationen und Postulaten, also auf Themenklärung, Berichten und Prüfaufträgen. Aus den bisherigen 17 Vorstössen im Nationalrat lassen sich vier dominante Themenstränge ableiten:
1️⃣ Demokratie, Rechtsstaat & politische Kultur
Volksmotion auf Bundesebene → fordert direktdemokratische Erweiterung, stärkt Bürger:innenpartizipation.
Unterschriften-Skandal & Sicherheit bei Unterschriftensammlungen → thematisieren Fälschungsschutz & Transparenz bei Initiativen.
Staatsverweigerer: Eine Gefahr für Demokratie und innere Sicherheit? → befasst sich mit antistaatlichen Strömungen («Reichsbürger:innen» etc.).
2️⃣ Menschenrechte, Migration & Integration
Ausweitung des Flüchtlingsbegriffs → humanitäre Öffnung des Asylgesetzes; Schutz für Kriegsvertriebene.
Integration von Familienangehörigen beim Familiennachzug → integrative Sozialpolitik im Sinne sozialer Kohäsion.
Programm R / traumatisierte Geflüchtete → Fokus auf psychische Gesundheit und Integration.
Menschenrechtskonforme Verwendung von BMVI-Geldern → Kontrolle schweizerischer Grenzfinanzierung im EU-Kontext.
EGMR-Urteil zu Racial Profiling → setzt sich gegen institutionellen Rassismus ein.
3️⃣ Soziale Gerechtigkeit & Arbeitswelt
Arbeitsbedingungen von Live-in-Betreuer:innen → thematisiert prekäre Arbeitsverhältnisse in der 24-h-Pflege.
Irreguläre internationale Adoptionen → Schutz vor Ausbeutung im internationalen Kontext.
Menschenhandel zwecks Arbeitsausbeutung → schärft den Blick auf Arbeitsrecht und Strafverfolgung.
4️⃣ Gesellschaft & Umwelt / Verschiedenes
Kolonialgeschichte der UBS → Auseinandersetzung mit historischer Verantwortung grosser Unternehmen.
Zwei Millionen Hauskatzen in der Schweiz. Was macht der Bundesrat? → Tier- und Umweltthema, ökologische Perspektive auf Haustierhaltung.
Sicherheitslücken im WK (Egnach) → regionale Affäre, sicherheitspolitische Verantwortung.
In ihrer Heimat am Bodensee ist sie weiterhin durch verschiedene Engagements verwurzelt: im Freundeskreis des Seemuseums, im Verband der Thurgauer Musikschulen, im Beirat des Begegnungszentrums «Das Trösch». Alles ehrenamtlich. Aber es ist ihr wichtig, den Bezug zur Heimatregion nicht zu verlieren, vielleicht auch, um im Berner Politikbetrieb die Bodenhaftung zu behalten.
Seit fast zwei Jahren macht sie nun Politik auf nationaler Ebene. Ihre Bilanz bisher? «Die Arbeit in Bern ist spannend und intensiv, das Tempo und die Dichte an Informationen sind fast immer hoch.»
Jetzt knöpft sie sich die UBS vor
Aktuell ist sie Vizepräsidentin der Kommission für Staatspolitik; turnusmässig übernimmt sie bald das Präsidium. Die Themen, die sie dort beschäftigen, sind Themen, die Nina Schläfli schon länger begleiten: Asyl, Migration und Staatspolitik. «Das sind häufig schwierige Themen, denn Menschenwürde und Menschenrechte sind nicht verhandelbar – auch wenn das andere Politiker:innen regelmässig infrage stellen», sagt die SP-Politikerin.
Daneben befasst sie sich auch mit weiteren sozial- wie gesellschaftspolitischen Aspekten. Ihre jüngste parlamentarische Initiative hat sie Ende September 2025 eingereicht. Der Titel: «Kolonialgeschichte der UBS: Ignoriert die grösste Bank der Schweiz ihre eigene Vergangenheit?»
Der Weg in die Sozialdemokratie
Dass sie überhaupt in der SP gelandet ist, hat für sie vor allem mit den Menschen zu tun, die sie am Anfang ihrer Politisierung dort kennengelernt hat. «Dieses Engagement hat mich beeindruckt», blickt sie zurück. Und klar, die Positionen der Partei fand sie schon auch gut. «Der Mensch steht bei uns immer im Zentrum, davon leitet sich jede Politik ab; das ist etwas, mit dem ich mich sehr verbinden kann», so Schläfli. Aufgewachsen ist sie in keinem klassischen SP-Haushalt, aber ihre Familie habe sie dennoch darin geprägt, «das soziale Gewissen zu teilen».
Diese Neigung zeigt sich auch, wenn man ihre politische Arbeit der letzten Jahre analysiert. Die Historikerin hat sich in ihrer Zeit im Grossen Rat des Kantons Thurgau (2016–2024) an einer Vielzahl von Vorstössen beteiligt. Der klare Fokus lag dabei oft auf sozialer Gerechtigkeit, Bildung, Gleichstellung und Umweltbewusstsein. Auch zu kulturellen Themen hat sie Stellung bezogen, nicht nur, weil sie nach wie vor Stiftungsrätin der Thurgauer Kulturstiftung ist. Aber davon wird noch zu reden sein.
Was die politischen Ebenen voneinander unterscheidet
Wer wissen will, wie die unterschiedlichen politischen Ebenen in der Schweiz funktionieren, findet in Nina Schläfli eine gute Gesprächspartnerin. Schliesslich hat sie inzwischen auf allen Ebenen, von der Gemeinde über den Kanton bis zum Bund, Erfahrung. «Der Hauptunterschied liegt vielleicht im Wirkungsgrad», sagt die Politikerin. Während man die Folgen politischer Arbeit aus dem Gemeinderat oft unmittelbar sehen könne, werde dies mit jeder weiteren Stufe abstrakter. «Mir hat die Kommunalpolitik sehr viel Spass gemacht, weil sie so konkret war und man direkt vor Ort etwas erreichen kann», sagt Schläfli.
Gleichzeitig habe sie sowohl auf Gemeinde- als auch irgendwann auf Kantonsebene gemerkt: «Die Wurzel vieler Probleme kann man nur über grundsätzliche Regeln auf Bundesebene lösen.» Auch deshalb habe sie es letztlich immer weitergezogen. Weil sie ja beitragen möchte, diese Lösungen zu ermöglichen: «Ich glaube an eine Politik, die sich der Zukunft und ihren Herausforderungen zuwendet und das Leben der Menschen aktiv verbessern kann.» Es klingt wie ein klassischer Politiker:innensatz aus dem Wahlkampfhandbuch, aber wenn man sich den Arbeitsnachweis der vergangenen Jahre von Nina Schläfli anschaut, sieht man, dass sie es ernst meint.
Sie gilt als fleissige Politikerin, die versucht, Dinge zu verändern. In ihrer Zeit im Thurgauer Kantonsrat hat sie sich an mehr als 30 parlamentarischen Initiativen beteiligt. Mehrere Anfragen und Interpellationen befassten sich mit der Situation von geflüchteten Frauen und Mädchen im Kanton Thurgau, eine ihrer Interpellationen warb für eine Sensibilisierung für Racial Profiling bei der Thurgauer Kantonspolizei. Auch im Nationalrat bleibt sie ihren Kernthemen Gesundheit, Kinderbetreuung, Migration und Gleichstellung treu.
Woran es im Kantonsrat hapert
Das politische Geschäft bestehe vor allem daraus, Allianzen und Kooperationen zu schliessen, auch über Parteigrenzen hinweg. Was sie in den vergangenen Jahren beobachtet hat: Dieses Suchen und Finden von Gemeinsamkeiten, das auf Gemeindeebene und Nationalratsebene gut funktioniert, ist im Thurgauer Kantonsrat manchmal nicht ganz so einfach.
Woran das liegen könnte? Schläfli überlegt kurz: «Auf kommunaler Ebene sind die Wege kurz, man sieht sich regelmässig. Nicht nur in Sitzungen, sondern auch im Alltag. Im Nationalrat ist das während der Sessionswochen eigentlich sehr ähnlich. Auch da verbringt man viel Zeit miteinander. Solche intensiven Wochen der Begegnung gibt es im Grossen Rat nicht, da bleibt die Distanz grösser», vermutet die SP-Politikerin.
Ihr politischer Alltag besteht heute viel aus Sitzungsvor- und -nachbereitung, Recherchen und Gesprächen. Im Grunde sei ein Grossteil ihrer Arbeit unsichtbar, sagt Schläfli. Aber das gehöre zum Geschäft: «Ich versuche immer, mich seriös einzulesen und mir selbst ein Bild zu machen; dafür bin ich gewählt.» Das sei vielleicht eine der grössten Herausforderungen für Politiker:innen heute: Auch bei komplizierten und vielschichtigen Themen immer bestmöglich informiert zu sein. Nur so sei es möglich, gute Entscheidungen treffen zu können.

«Ich habe das Rampenlicht nicht gesucht, sondern eher in Kauf genommen. Vor wichtigen Reden bin ich heute immer noch nervös.»
Nina Schläfli, Politikerin
Was Politiker:innen heute können müssen
Müsste sie ein Profil erstellen, was Politiker:innen heute unbedingt können müssen, was stünde da drin? «Man muss erstmal grundsätzlich an Menschen interessiert sein, zuhören können, andere Meinungen zulassen, sich immer bewusst sein, dass auch der oder die andere recht haben könnte und: Man muss bereit sein, alles für diese Aufgabe zu geben», fasst Schläfli zusammen. Und bei allem Sendungsbewusstsein, das man als Politiker:in brauche, müsse man sich auch mal zurücknehmen können: «Jedes Amt ist grösser als die Person», so die 35-Jährige.
Nina Schläfli ist eine der wenigen Politiker:innen im Kanton, die sich dezidiert auch als Kulturpolitikerin versteht. «In meiner jetzigen Funktion steht das Thema zwar nicht im Vordergrund, aber trotzdem ist Kultur ein Themenfeld, das mich immer interessiert», sagt die Politikerin. Tatsächlich hat sie vor allem in ihrer Zeit als Gemeinderätin in Kreuzlingen das Thema bearbeitet. Sie hat Kulturprojekte wie das Kult-X in Kreuzlingen von Anfang an unterstützt und sich immer wieder für lokale Bibliotheken und Schulen engagiert.
Plädoyer für mehr Mut in der Kulturpolitik
Als Historikerin liegt ihr das Themenfeld nahe; ihre Magisterarbeit hat sie über das im Bodensee gesunkene Schiff «Jura» geschrieben. Auch im Kantonsrat hat sie sich für Kultur positioniert, wenn es Debatten dazu gab. Zum Beispiel 2023, als es um die Verteilung der Swisslos-Gelder zwischen Sport und Kultur ging. Damals hat sie ein bemerkenswertes Plädoyer für mehr Mut in der kantonalen Kulturpolitik gehalten.
Man kann es noch heute im Ratsprotokoll nachlesen: «Wer aber begleitet unsere Kulturinstitutionen in die Zukunft? Ich bin davon überzeugt, dass der kantonalen Kulturförderung dabei eine wichtige Rolle zukommt. In diesem Kanton fehlt es manchmal einfach an Ideen und Visionen. Wo sind die eigenen Projekte, die grossen Würfe? Wofür ist die Thurgauer Kultur bekannt? Wofür könnte sie bekannt sein? Für ein einfaches ‹weiter so›?»
Am Anfang ihrer politischen Karriere wurde sie belächelt
Es hat zwar nicht viel geändert, aber doch war es eines der seltenen Male im Thurgauer Kantonsrat, in denen die Worte Kultur und Visionen in einem Atemzug genannt wurden. Nicht umsonst war Nina Schläfli in dieser Zeit auch noch Vorsitzende der eher informellen parlamentarischen Gruppe Kultur. Sie hält das Thema nach wie vor für wesentlich: «Alles, was uns verbindet, ist Kultur. Leider gibt es im Kanton oft ein zu enges Bild von Kultur. Das erschwert manchmal die Diskussion, weil zu viele Menschen das Gefühl haben, Kultur habe nichts mit ihnen zu tun. Dabei wäre doch ohne kulturelle Errungenschaften unser Zusammenleben gar nicht möglich», findet die Nationalrätin.
Sie ist inzwischen Mutter einer kleinen Tochter und lebt mit ihrer Familie in Kreuzlingen. Manchmal wundere sie sich noch heute, wenn sie so auf ihren Lebensweg blickt, sagt Schläfli. «Ich habe das Rampenlicht nicht gesucht, sondern eher in Kauf genommen. Vor wichtigen Reden bin ich heute immer noch nervös», bekennt die erfahrene Politikerin. Vor allem die Anfänge seien nicht leicht gewesen: Als junge Frau in der Politik sei sie oft belächelt worden. In Zeitungsartikeln wurde sie wahlweise als «Küken» oder «Notnagel» beschrieben. Sie musste schnell merken: Der politische Betrieb hatte nicht auf sie gewartet.
Was die 19-Jährige Nina zur 35-jährigen Nina sagen würde
Nina Schläfli hat trotzdem die Ruhe bewahrt und ihre eigene Antwort gegeben: «Am Ende musst du durch inhaltliche Arbeit überzeugen. Ich glaube, das ist mir auf allen Ebenen, in denen ich tätig war, früher oder später gelungen», sagt sie. Und was würde die 19-Jährige Nina zur heute 35-jährigen Nina sagen, wenn sie sich treffen könnten? Schläfli lächelt: «Sie würde erstmal sagen: ‹Meine Fresse, wie langweilig bist du denn geworden?› Aber ich glaube, sie wäre schon auch stolz und beeindruckt von dem Weg. Denn, ganz ehrlich, dass ich jemals im Nationalrat landen würde, hätte ich mit 19 nicht für möglich gehalten.»

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