von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 22.08.2023
Vorerst kein Holocaust-Mahnmal im Thurgau

Erst 2022 entschuldigte sich der Kanton bei den Opfern seiner restriktiven Flüchtlingspolitik während der Nazizeit. Einen eigenen Gedenkort will der Regierungsrat aber weiterhin nicht schaffen. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
In einer Antwort auf eine Einfache Anfrage des Kantonsrats Christian Mader (EDU), hat der Regierungsrat erklärt bis auf weiteres auf „die Realisierung eines eigenen Holocaust-Mahnmals“ zu verzichten. Kantonale Alleingänge seien angesichts der „Unvergleichbarkeit des Holocaust nicht angemessen“, heisst es in der Erklärung dazu, die Schweizerische Eidgenossenschaft als Ganze müsse sich der Geschichte stellen.
Der Thurgauer Regierungsrat verweist damit also nach Bern. Dort soll ein zentrales Holocaust-Mahnmal samt Vermittlungsort entstehen. 2,5 Millionen Franken stellt der Bund dafür bereit. Dieser neue Erinnerungsort soll „die Mitverantwortung der Schweiz und ihrer Kantone am Holocaust in seiner ganzen Vielfältigkeit und Tragik zum Ausdruck bringen. Ziel ist ein Besinnungsort, welcher der Komplexität des damaligen fatalen Geschehens gerecht zu werden versucht“, heisst es in der Antwort des Regierungsrats. Ein Vernehmlassungsverfahren zur Beteiligung der Kantone an dem Projekt sei im Juni 2023 eröffnet worden.
Video: Beitrag aus SRF News
Sollen erstmal die in Bern machen
Klar wurde aus der Antwort auch - eigene Bemühungen um ein kantonales Mahnmal gibt es nur dann, wenn es vom Bund verlangt würde: „Sollte sich bei der weiteren Ausarbeitung (des Berner Projektes, d. Red.) ergeben, dass sämtliche Kantone ihrerseits ein Mahnmal zu errichten hätten, das in seiner Ausprägung unter Umständen sogar vorgegeben wäre, würde sich der Regierungsrat dieser Idee selbstverständlich nicht verschliessen.“
Dabei hätte der Kanton schon jetzt allen Grund dazu, sich eigeninitiativ um einen angemessenen Gedenkort zu kümmern. Wegen der besonders restriktiven Flüchtlingspolitik der Thurgauer Behörden in den Jahren zwischen 1933 und 1945, die viele jüdische Flüchtlinge das Leben kostete. Und wegen der Tatsache, dass Ende der 1950er Jahre die Fremdenpolizeiakten vernichtet wurden. Eine spezifische Untersuchung der Vorgänge konnte so nie stattfinden.
Erst 77 Jahre nach Kriegsende kommt die offizielle Entschuldigung
Mit einer offiziellen Entschuldigung an die Opfer tat sich der Kanton lange schwer. Erst im Juni 2022 erfolgt sie in der Beantwortung einer Einfachen Anfrage des EDU-Kantonsrats Daniel Frischknecht: „Der Regierungsrat bedauert das Geschehene zutiefst und holt die Bitte um Entschuldigung nach im Bewusstsein, dass sie um Jahre zu spät kommt, weil sie viele Menschen, die lange mit Recht auf sie gehofft hatten und sie hätten annehmen wollen, nicht mehr erreichen kann.“

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