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von Tabea Wick, 17.02.2022

Wo «AuGeil» druf stoht isch au Geil drin

Wo «AuGeil» druf stoht isch au Geil drin
Gamma Kite live in concert: Die Frauenfelder Band um Louis Keller spielte bei der AuGeilNight im Palace St. Gallen. Das Foto entstand beim Kulturtag in Frauenfeld Ende September 2021. | © Michael Siegenthaler

AuGeil Records aus Frauenfeld feierten den fünften Geburtstag ihres Kollektivs zusammen mit ihren Bands im St. Galler «Palace». Der Abend zeigte, was das Selfmade-Label bis heute ausmacht. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Auf Musiker:innen aus den Genres Soft Bedroom Pop, Karaoke Post Wave und Indie Dream Bedroom Pop, würden wohl viele Musikfans nicht einfach so stossen. Und trotzdem stehen an einem Abend im Februar die Sängerin Prozpera und der Musiker Gamma Kite mit ihren Bands, sowie das Duo Büro auf der Bühne des recht vollen Palace in St. Gallen. Die tanzende Menge füllt den Stehbereich vor der Bühne aus und auf den alten Kinosesseln sind noch mehr Zuhörer:innen.

Anlässlich des fünften Geburtstags von AuGeil-Records aus Frauenfeld heizen sie dem Publikum mit kraftvollen Beats, verträumtem, wie auch melancholischem Gesang und atmosphärischen Gitarrenklängen ein.

 

«Wir wollen beweisen, dass es nicht nur in Bern oder Zürich, sondern auch in der Peripherie der Schweiz ein grosses Angebot an alternativer Musik gibt.»

Remy Sax, AuGeil-Mitgründer

Während Prozpera mit ihrer sanften Stimme von Liebe singt, die einen ans Aufwachen neben seinem Lieblingsmenschen, oder eben auch den letzten fiesen Herzschmerz denken lässt, erinnern sich so manche wohl bei den thurgauerdeutschen Texten von Büro an die im Alltag verdrängte Existenzkrise. Und Gamma Kite, als letzter Act, überzeugt durch sich hochschaukelnde Instrumental-Parts, die beim Publikum eine fast schon trance-artige Wirkung erzielen.

Selbst unermüdlich am Tanzen, Feiern und Head-Bangen an diesem Abend ist einer der Gründungsmitglieder des Labels, Remy Sax. «Wir wollen beweisen, dass es nicht nur in Bern oder Zürich, sondern auch in der Peripherie der Schweiz ein grosses Angebot an alternativer Musik gibt», erklärt Sax.

Video: So klingen Gamma Kite

Die Idee zum Label entstand bei einem Bier

Zusammen mit ein paar Bandkollegen hatte der heute 27-jährige vor ein paar Jahren die «Bier-Idee», wie er es nennt, ein eigenes Plattenlabel zu gründen, um der Suche nach einem bereits bestehenden Label für die Bands, in denen er spielt, zu entgehen. Ihr Logo, ein Totenkopf mit Kopfhörern und Sonnenbrille, sowie der Label-Name «AuGeil» waren schneller ausgetüftelt, als der konkrete Fahrplan fürs Plattenlabel.

Trotzdem ist AuGeil Records seit 2016 erfolgreich und 2022 gefragter als je zuvor. Nach der Gründung zeigten bald andere Bands aus dem Thurgau Interesse daran, sich dem AuGeil Kollektiv aus Frauenfeld anzuschliessen. Und was als Plattform für ostschweizer Musik begann, fand seit den letzten Jahren auch in der restlichen Schweiz Anklang. Zur Überraschung von Remy Sax erhielt das Kollektiv vor etwa zwei Jahren sogar eine Anfrage eines westschweizer Duos namens crème solair, um AuGeil beizutreten.

Der Anspruch geht über den Kanton hinaus

Dass ihre Jubiläums-Feier in St.Gallen und nicht in Frauenfeld, dem Geburtsort des Labels, veranstaltet wird, ist fast schon symbolisch. «Wir wollen mit AuGeil nicht nur im Thurgau verbleiben. Es geht ja gerade darum die Musik aus verschiedensten Provinzen in der ganzen Schweiz zu bewerben», erklärt Sax: «Für mich ist die Schweiz eine Region».

Die Reichweite des Labels vergrössert sich und somit auch die Diversität der Musikgenres und die Geschlechtervielfalt der Künstler:innen. Was sich seit der Gründung nicht geändert hat, ist die nicht-kommerzielle Absicht des Labels. Die Arbeit, die im Kollektiv steckt, ist ehrenamtlich. Finanziell wird das Label durch Kulturfördergelder der Stadt unterstützt.

 

«Wenn ich aufnehme, kann ich jederzeit Unterstützung von jemandem aus dem Kollektiv anfordern, wenn ich das Gefühl habe, einen anderen Blickwinkel zu brauchen.»

Prozpera, Sängerin (zVg)

AuGeil bieten verschiedensten Bands eine Plattform indem sie ihre Künstler:innen auf ihren jährlich erscheinenden Sampler, den GeilTapes präsentieren, Konzerte für sie veranstalten und deren Veröffentlichungen promoten. Da aber die Arbeit, wie gesagt ehrenamtlich ist, finanzieren die Musiker:innen sich selbst.

«AuGeil haben nicht den Anspruch daran, dass ich meine Songs im Studio aufnehmen muss. Ich kann alles von zu Hause aus aufnehmen, wodurch sich in meinem kreativen Prozess nicht viel geändert hat, seit ich beim Kollektiv dabei bin», untermauert Carmen Bosshart, die Person hinter dem Pseudonym Prozpera. Sie ist zweiundzwanzig Jahre alt und studiert Jura.

 

Prozpera live in concert bei der AuGeilNight im Februar 2022. Bild: Tabea Wick

 

Plattenvertrag muss nicht gleich Knebelvertrag sein

Dadurch, dass sie bei AuGeil keine Abgabetermine für ihre Songs hat, könne sie Ausbildung und das Musizieren miteinander vereinbaren. «Und wenn ich aufnehme, kann ich jederzeit Unterstützung von jemandem aus dem Kollektiv anfordern, wenn ich das Gefühl habe, einen anderen Blickwinkel zu brauchen», erzählt sie weiter.

Die Münchwilerin habe ausserdem mehr Anfragen für Auftritte erhalten, seit sie bei AuGeil mitwirkt, was beweist, dass die Unterstützung durch ein Plattenlabel nicht nur auf finanzieller Basis beruhen muss. Und vor allem, dass Plattenvertrag nicht gleich Knebelvertrag ist.

Video: So klingt Prozpera

Und dann ab auf die Aftershow-Party

Die Musiker:innen und Bands von AuGeil, die nicht aufgetreten sind, kamen auch nicht zu kurz. Einige Konzertbesucher:innen gönnen sich nämlich eine Pause vom Tanzen auf der Aftershow-Party, um sich T-Shirts, CD’s, Platten und sogar Kassetten von ihnen ergattern zu können. Welche weiteren Bands bei der nächsten Jubiläums-Feier auf dem Verkaufstisch liegen, kann noch niemand wissen.

 

Weitere Texte über AuGeil-Künstler:innen

Thurgaus Billie Eilish: Porträt und Interview der Sängerin prozpera

 

Aufs Weiteste erweitern: Porträt der Band Gamma Kite.

 

Kritiker vs. Künstler: Jeremias Heppeler über Obacht Obacht.

 

Soundtrack für Fieberträume: Porträt der Band Yagua.

 

„Wir wollen die Ostschweizer Musikszene pushen!“: Interview mit AuGeil-Gründer Tobias Rüetschi

 

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