Seite vorlesen

Floraler Blick auf Kunst

Floraler Blick auf Kunst
"Blütenlandschaft" von Heidi Huber zum Werk von Cuno Amiet, "Winterlandschaft", 1907. | © David Aebi

Wer bei „Blumen für die Kunst“ mitmachen darf, gehört zu den ganz Grossen des Fachs – wie Heidi Huber, Monika Laib und Monika Reitinger. Die Thurgauerinnen zeigen im Aargauer Kunsthaus florale Interpretationen eines Werkes und machen Kunst damit neu erlebbar.

Kathrin Zellweger

Was 2014 noch ein mutiges Experiment war, ist heuer fester Bestandteil der Ausstellungen im Aargauer Kunsthaus: die einwöchige Ausstellung „Blumen für die Kunst“. Das Wagnis hatte sich in mehrfacher Hinsicht gelohnt. Jene Woche im März 2014 verzeichnete einen unerwartet grossen Publikumsandrang und brachte Menschen ins Museum, die noch nie einen Fuss in ein solches Haus gesetzt hatten. So fragt man sich unweigerlich, weshalb diese Ausstellung in Aarau erst zum zweiten Mal und ausser in dieser Schweizer Stadt nirgendwo sonst in Europa ausgerichtet wird.

Die Antwort: Eine Ausstellung wie „Blumen für die Kunst“ läuft im Grund allen Prinzipien und Sicherheitskriterien eines Kunsthauses zuwider: In einer Gemäldesammlung haben Wasser und krabbelnde Tierchen nichts zu suchen; und Blumenarrangements, die kippen und Bilder beschädigen, wären eine Katastrophe. Nicht zu unterschätzen ist der Widerstand gewisser Kunstschaffenden, die sich dagegen verwahren, dass ihre Werke auch nur im Entferntesten mit Blumen in Zusammenhang gebracht werden. Blumen, sagen sie, seien Dekorationsmaterial und Wegwerfartikel. Eine Gegenüberstellung also eine Beleidigung.

Hommage an Ankers „Kinderbegräbnis“

Weder Monika Reitinger noch Monika Laib oder Heidi Huber, die drei Thurgauer Topfloristinnen, die erneut nach Aarau eingeladen wurden, massen sich an Künstlerinnen zu sein. „Ich bin Meisterin in meinem Fach, mit einem hohen gestalterischen Anspruch“, sagt Heidi Huber, „ich nehme auf, was ein Bild mir sagt, und gebe es auf meine Weise floral wieder.“ Die Amriswilerin Monika Laib, die letztes Jahr mit ihrer Interpretation von Albert Ankers „Kinderbegräbnis“ (1863) für Furore gesorgt hat, ergänzt: „Ich hätte nie den Mut, mich auf die gleiche Ebene wie Anker zu stellen. Mein Beitrag ist eine Reverenz an den grossen Schweizer Maler. Mit Ehrfurcht und Respekt habe ich mich an die Interpretation seines Werkes gemacht.“

Beim Erzählen steigen in ihr noch einmal die Nöte des letzten Jahres hoch. Es stand für sie fest, dass zu einem Begräbnis Erde gehört und sie diese darum auch einsetzen wollte. So etwas Bröseliges, Schmutziges und Lebendiges war im Aargauer Kunsthaus tabu. Schliesslich mischte sie sterile Erde mit Holzleim, um daraus eine Art Totenkissen zu gestalten, auf und aus dem die Blumen sprossen. Das Resultat war überzeugend, und der Erfolg entschädigte sie dann für die schlaflosen Nächte.

"Ich nehme auf, was ein Bild mir sagt, und gebe es auf meine Weise floral wieder", sagt Heidi Huber (Mitte). Links Monika Laib, rechts Monika Reitinger. (Bild: Kathrin Zellweger)

Als die 14 eingeladenen Floristinnen und Floristen der Deutschschweiz aus 28 Werken der Aargauer Kunstsammlung ihre drei favorisierten Bilder auswählen konnten, entschied sich die Weinfelderin Monika Reitinger mit erster Priorität für das monochrome Gemälde von Jean Pfaff. Dass es zeitgenössische Kunst sein muss, wusste sie, dass es schliesslich dieses Werk war, war ein emotionaler Entscheid.

Doch mit Emotionalität allein entsteht keine Werkinterpretation, vor der die Menschen stehen bleiben, miteinander diskutieren oder im Stillen ganz persönliche Verbindungen zwischen Bild und Blumen herstellen. Letztes Jahr ist ihr das mit ihrem Zugang zu Max Bills „relief mit weisser kugel“ (1931) gelungen. Und bei Jean Pfaff soll das wieder so sein.

… und immer sind Blumen dabei

Daher machte sie sich schon vor Wochen in der Kunstgeschichte über monochrome Bilder und Jean Pfaff kundig, befasste sich mit der Farbe Rot, ihren Nuancen und ihrer Wirkung. Dann begann sie in Dutzenden von Stunden ihr Blumenmaterial, rote Nelken, zu testen: Wie schnell welken oder vertrocknen die Blütenblätter, ändern sie die Farbe und wenn ja in welche Abtönung? Kommt mir das entgegen oder zerstört es die Aussage? Etwas herstellen, das nur sieben Tage existiert und danach nur noch in der Erinnerung der Betrachter weiterlebt, lohnt sich dieser Aufwand?

Eine Frage, die sich Monika Reitinger, Monika Laib und Heidi Huber nicht stellen. Blumen sind für sie ohnehin mehr und anderes als Dekoration. Eigentlich gelte das für alle Menschen; denn bei allen wichtigen Lebensstationen, von der Geburt bis zum Tod, gehörten immer Blumen dazu, begleitend, bereichernd, vertiefend. Nichtsdestotrotz sind die drei Floristinnen dankbar, dass das Material für die Werke von Blumenbranche der Region gesponsert wird.

Lieber als über wichtige Nebensächlichkeiten reden sie von ihrem persönlichen Gewinn. „Was wir für ‚Blumen für die Kunst‘ herstellen, ist in jeder Hinsicht etwas Besonderes für uns, vor allem ist es ein Geschenk an uns selbst“, sagt Heidi Huber stellvertretend für ihre Kolleginnen. Wann sonst können sie mit einem Werk aus der bildenden Kunst auf diese Weise Zwiesprache halten und die Pflanzen ihre eigene Geschichte erzählen lassen? „Es ist eine Ehre, dass wir mitmachen dürfen. Keine Frage also, dass wir uns gern dieser Aufgabe stellen, die uns über das übliche Mass hinaus fordert und uns an unsere Grenzen führt. Es ist erstaunlich, wie viel wir dabei lernen.“

Amiets Farbschichten in Blütenfülle übertragen

Die Frauenfelderin Heidi Huber, Mitglied des Verein Flowers to Arts und des Projektteams, hat sich für Cuno Amiets „Blütenlandschaft“ entschieden. Im Gegensatz zu Reitingers Werkinterpretation, die erst Mitte März zu sehen sein wird, kann Hubers Arbeit auf der Einladungskarte zu „Blumen für die Kunst“ schon bewundert werden. Für die Ausstellung wird sie noch einmal ihre verschiedenartigen Vasen dicht mit Blumen füllen und so auf die vielen Farb- und Gedankenschichten in Amiets Bild verweisen. „Die Bewegung, die auch noch im Bild ist, lasse ich in meiner Interpretation bewusst beiseite.“

Monika Laib bespielt dieses Jahr kein Werk der Sammlung, sondern ist am Familiensonntag in der Kunstvermittlung tätig. Sie freut sich auf die drei Workshops für Kinder ab 5 Jahren. Anhand von drei Beispielen führt sie sie ein in das, was im Programmheft als die Schnittstelle von Kunst und Floristik bezeichnet wird. Wer weiss, ob die Kinder unter ihre Anleitung und beim Arbeiten mit Blumen nicht nur Schnittstellen, sondern auch Schnittmengen entdecken.


***

Termine und Veranstaltungen

Aargauer Kunsthaus, Aarau: Florale Interpretationen von Werken aus der Sammlung: 17. bis 22. März 2015; Vernissage 16. März um 18 Uhr.

Öffnungszeiten: Di 10 – 20 Uhr, Mi 10 – 19 Uhr, Do u. Fr 10 – 20 Uhr, Sa und So 10 bis 18 Uhr

Führungen:
- mit Monika Reitinger und Astrid Näf bzw. Dorothee Noever (Kunsthistorikerinnen): Di 17. März, 11 – 12 Uhr u. 12.30 – 13 Uhr
- mit Heidi Huber und Rudolf Velhagen (Kunsthistoriker): So 22. März, 11 – 12 Uhr
- Familiensonntag „Blumenwelten“ mit Monika Laib: 22. März, 11 – 12.30 Uhr/13 – 14.30 Uhr/15 – 16.30 Uhr

www.aargauerkunsthaus.ch

Kommentare werden geladen...

Werbung

Der Kulturpool: Highlights aus den Regionen

Kuratierte Agenda-Tipps aus dem Kulturpool Schweiz.

«Kultur trifft Politik» N°2

„Die Zukunft bauen – wie Stadt-/Gemeindeentwicklung und Kultur voneinander profitieren können.“ Eine Veranstaltung zur Förderung des kulturpolitischen Diskurses. Di. 13.5.2025, Apollo Kreuzlingen. Jetzt anmelden!

Offene Stelle Kult-X Kreuzlingen

Das Kult-X Kreuzlingen sucht ab sofort ein Teammitglied (30-40%) für den Admin/Koordinationssupport. Zum Stellenbeschrieb geht es hier: