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von Sascha Erni, 08.12.2017

«Ein klares Profil ist entscheidend»

«Ein klares Profil ist entscheidend»
Die beiden Jungunternehmerinnen Kerstin Forster (rechts im Bild) und Andrea Wiegelmann leiten den Verlag Triest | © Sascha Erni

Am 13. Dezember erscheint die 18. Publikation bei Triest, dem jungen Ostschweizer Fachverlag für Design, Typographie und Architektur. Thurgaukultur war in St. Gallen zu Besuch.

Von Sascha Erni

Gleich beim St. Galler Neumarkt liegen die Räumlichkeiten des Triest-Verlags. Wobei, eigentlich handelt es sich um nur ein Zimmer, mit hoher Decke und Stukkatur: Die beiden Jungunternehmerinnen Kerstin Forster und Andrea Wiegelmann haben sich bei einem Architekturbüro eingemietet. Mehr als genug Platz, denn Wiegelmann arbeitet vorwiegend in ihrem Büro in Zürich. Die Vadianstrasse 33 ist Forsters Reich. Hier konzipiert die Wahlthurgauerin Projekte, lektoriert Manuskripte, kümmert sich um alles Administrative – vormittags verpackt und verschickt sie Bücherbestellungen vom Thurgauer Lager aus. Gerade laufen die letzten Vorbereitungen für die Vorstellung des neusten Werks «Kein Stil» (Rezension am Ende des Textes); bei der Begrüssung erfahren wir, dass der Erstling «Schiff nach Europa» seit dieser Woche vergriffen ist. Dazwischen liegen 16 Publikationen – in nur zweieinhalb Jahren. Wie schafft man das?

Reprint als Startbeschleuniger

Ein Grund für den gelungenen Start dürfte sein, dass weder Forster noch Wiegelmann Neulinge im Verlagsgeschäft sind. Die beiden waren langjährige Arbeitskolleginnen bei den Thurgauer Verlagen Niggli / Benteli. Nach deren Verkauf Ende 2014 entschieden sich die zwei Frauen, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. «Es ging alles sehr schnell», erzählt Wiegelmann. «In wenigen Monaten waren wir mit Triest am Start.» Die beiden Standorte Zürich / St. Gallen hätten sich als ideale Kombination erwiesen. Zum einen habe man so die Nähe zu den jeweiligen Hochschulen und Kontakte in die Gestalterszenen. Ausserdem waren beide Frauen von Anfang an bei der Typo St. Gallen aktiv, dieses Jahr besonders stark involviert. So waren sie bereits sehr gut in der publizistischen Region vernetzt – eine wichtige Voraussetzung für den Gründungserfolg. «Schiff nach Europa» habe zusätzlich beschleunigend gewirkt, sagt Forster: Markus Kutters Buch aus dem Jahr 1957 gilt als ein Meilenstein des Schweizer Buchdesigns und war jahrzehntelang vergriffen. Mit dem Reprint traf Triest nicht nur einen Nerv, sondern positionierte sich erfolgreich am Markt. «Auch 2016 waren wir etwas typolastig», lacht Forster. «Aber 2018 wird es wieder mehr Architekturbücher von uns geben.»

Elektronisch nur schwer abzubilden

In den bald drei Jahren seiner Existenz hat sich der Triest-Verlag bei Fachleuten der Gestaltung etabliert – überraschend schnell für einen Jungverlag. Bereits 2017 schaffte es Triest in die Reihen der swips, des Schweizerischen Verbands unabhängiger Verlage, und auch beim Schweizer Werkbund schätzt man die beiden Verlegerinnen. Just am Tag unseres Gesprächs steht ein Besuch der Ostschweizer Ortsgruppe auf dem Plan. «Eigentlich sind diese Verlagsvorstellungen oft ausser Haus», sagt Forster. «Aber hier können wir unsere Bücher zeigen.» Und zeigen, anfassen muss man die Publikationen des Triest-Verlags. Ob Lehrmittel oder typografisches Experimentalbuch: Beim Durchblättern springt uns sofort die hohe Produktionsqualität, der Sinn fürs Detail und die durchs Band gelungene Gestaltung ins Auge. Anders als bei vielen Jungverlagen, die auch aus Kostengründen auf elektronische Medien setzen, spielen E-Books bei Triest keine Rolle. Nicht aus elitär-kulturpessimistischen Gründen. Wiegelmann und Forster sind hier einfach nur pragmatisch und, ironischerweise, kostenbewusst. Forster erklärt, dass ein E-Fachbuch ganz anders konzipiert werden müsse als ein gedrucktes Buch, wenn es gleich gut oder gar besser funktionieren soll. Das treibe den nötigen Aufwand in die Höhe und mache die Refinanzierung in ihrer Sparte praktisch unmöglich. «Ein E-Book ist ein anderes Medium als ein normales Buch,» man könne das nicht 1:1 abbilden. «Bei Belletristik funktioniert das sicher besser», meint Wiegelmann. Aber für Triest? Schwierig.

Professionalität wichtiger als Grösse

Das macht Triest, bei aller Vielfalt, zu einem sehr stark fokussierten Verlag. Und damit zu einem Kleinverlag? Immerhin arbeiten beide Verlegerinnen noch Teilzeit an anderen Projekten jenseits des Verlags. «Wir haben uns nie mit der Frage der Grösse auseinandergesetzt. Was ist überhaupt ein Kleinverlag?» sagt dann auch Wiegelmann. An manchen Messen und Symposien sei Triest schon fast zu gross oder die Bücher zu teuer. An anderen hingegen würden sie eher in der Juniorliga mitspielen. Das Zielpublikum ist sehr spezifisch, sagt auch Forster. Aber es sei ein Vorteil, ein klares Profil zu haben – und sei es nur, damit keine unpassenden Manuskripte eingehen würden. «So oder so ist es eine Frage der Professionalität» sagt Forster. «Man ist ein Verlag und handelt auch so – mit professionellen Strukturen, oder eben nicht.»

Seit geraumer Zeit ist Triest selbsttragend, also auch mit Spartenprogramm alles andere als eine Liebhaberei. Und wohin soll die Reise die nächsten Jahre gehen? Man wolle kein Publikumsverlag mit Vollprogramm werden, sagen beide einstimmig. Kerstin Forster und Andrea Wiegelmann fühlen sich mit den drei Standbeinen Architektur, Typografie und Design sichtlich wohl. Aber falls sie für die nächsten Jahre ein Ziel haben, dann, dass der Verlag nicht nur sich selbst trägt. Sondern auch die beiden Verlegerinnen. «Und vielleicht kann dann irgendwann auch eine Mitarbeiterin die Bestellungen verschicken», lacht Forster.

 

Rezension zur Neuerscheinung "Kein Stil" (von Sascha Erni)

Wie gestaltet man ein Buch zu einem Grafiker, dem Publicity und Imagepflege genau so suspekt waren wie das Führen von Werkdokumentationen? Dieses Problem stellte sich dem Team Peter Vetter, Katharina Leuenberger und Meike Eckstein, die für den Triest-Verlag das Buch «Kein Stil – Ernst Keller, Lehrer und Pionier des Swiss Style» erarbeitet haben. Um das Fazit vorweg zu nehmen: Ihre Lösung für dieses Problem dürfte ganz im Sinne Ernst Kellers sein.

 

1891 im Aargau geboren nimmt Ernst Keller eine besondere Rolle im Schweizer Design- und Grafikwesen ein. Keller war Gestalter unzähliger Plakate und Schriftzüge, die noch heute nicht nur das Zürcher Stadtbild prägen. Er war aber vor allem auch Lehrer, dessen Wirken erst das ermöglicht hat, was man heute als «Swiss Style» kennt. Denn praktisch alle, die wir mit dieser Stilrichtung in Verbindung bringen – von Warja Lavater (u.a. das «Bankverein»-Logo, heute UBS) bis Hans Eduard Meier (der «Hilti»-Schriftzug) – besuchten zwischen 1918 und 1956 Kellers Ausbildungsprogramme an der damaligen Kunstgewerbeschule in Zürich (heute ZHdK).

 

Charlotte Schmid, ebenfalls eine Keller-Schülerin, zeichnete 1980 für die Wandgestaltung beim Bahnhof Flughafen Zürich verantwortlich. Bild: Sascha Erni)

 

Kellers Lehrtätigkeit dürfte eine der ersten systematisch aufgebauten Gestaltungsausbildungen der Welt gewesen sein. Zentral war für ihn weniger, einen «Stil» zu propagieren, also Kunst-um-der-Kunst-willen zu schaffen. Er wollte seinen Schülerinnen und Schülern eine Philosophie weitergeben. Wenn Peter Vetter in seinem Vorwort Keller zitiert – «Es geht nicht um Stil, sondern um Problemlösungen, die von der Analyse des zu vermittelnden Inhalts oder der zu vermittelnden Botschaft abhängen» – klingt das für Laien zuerst einmal sehr technisch. Aber dann merkt man, dass das Zitat nicht nur titelgebend für diese 254 Seiten starke Arbeit über Kellers Werk und Wirken war, sondern der Schlüssel ist, um das Buch und damit auch Ernst Keller begreifen zu können.

 

Ernst Kellers Werk zeigt sich mit hunderten von Abbildungen, Fotos und Skizzen. Vom Entstehungsprozess fürs Glarner Kantonswappen bis zu Beschriftungen verschiedener Bahnhöfe gibt «Kein Stil» einen umfassenden Überblick zu Kellers gestalterischem Schaffen. Aber wichtiger schien den Herausgebern Kellers Wirken als Lehrer: Fast ein Drittel des Buches nehmen seine Schülerinnen und Schüler ein. Und in seiner gestalterischen Form, mit der zurückhaltenden aber trotzdem dominanten Typographie, dem übersichtlichen und doch ausgeklügelten Layout, transportiert das Buch Kellers Philosophie und didaktischen Ansatz bemerkenswert gut. Man besucht quasi unbewusst einen Crash-Kurs. Seine Person selbst bleibt dabei im Hintergrund, für manche Leserinnen und Leser vielleicht etwas zu sehr. Aber genau deshalb darf man durchaus sagen: Ja, der öffentlichkeitsscheue Keller wäre mit «Kein Stil» wohl mehr als nur zufrieden gewesen. Denn eben – die Lösung für ein Problem hängt von seinem Inhalt ab, und nicht von einem gewünschten Stil.

 

https://issuu.com/triestverlag/docs/keller_de_issuu  

Leseprobe zu «Kein Stil» (Triest-Verlag).

 

Kein Stil. Ernst Keller (1891–1968) – Lehrer und Pionier des Swiss Style. Peter Vetter, Katharina Leuenberger, Meike Eckstein. Zürich / St. Gallen: Triest-Verlag, 2017. ISBN 978-3-03863-022-7 (deutsch), ISBN 978-3-03863-023-4 (englisch)

 

 

Weiterlesen:

In loser Reihenfolge porträtiert Sascha Erni für thurgaukultur.ch Kleinverlage aus der Ostschweiz. Bislang in dieser Reihe erschienen sind:

Vexer: Von der Kunst, Bücher zu gestalten: Seit 1985 betreibt Josef Felix Müller den Vexer-Verlag – und sieht ihn auch als Kunstprojekt. Thurgaukultur besuchte ihn anfangs Jahr in St. Gallen. Zum Text 

Libelle Verlag: Zickzackflug und ein langsamer Abschied. Seit 39 Jahren führt das Ehepaar Ekkehard Faude und Elisabeth Tschiemer den Libelle-Verlag zwischen Lengwil und Konstanz. Nun ziehen sie sich aus dem Geschäft zurück. Zum Text

Sprachkunst vom Bodensee: Der Nischenverlag Signathur aus Dozwil fällt durch seine Vielseitigkeit auf. Er konzentriert sich nicht auf ein spezielles Thema, die Nische liegt in der Sprache an und für sich. Zum Text

Die Reihe wird fortgesetzt. 

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