von Brigitte Elsner-Heller, 05.10.2021
«Ich habe so schöne Erlebnisse gehabt»

Simone Kappeler hat den Thurgauer Kulturpreis 2021 erhalten – und bedankt sich mit einem besonderen Geschenk an den Kanton: Eine ihrer ersten Fotografien von 1966 präsentiert einen gelben Leu im Plättli-Zoo bei Frauenfeld. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Simone Kappeler, die mit nicht wenigen Preisen bedachte Thurgauer Fotografin, zeigte sich durchaus ein wenig emotional angefasst, als die ehrenden Worte anlässlich der Verleihung des mit 20.000 Franken dotierten Thurgauer Kulturpreises 2021 in der Kartause Ittingen gesprochen waren. „Danke für alles, was ich gehört habe, ich bin ganz gerührt. Und auch die Musik ist nach innen gegangen“, sagte sie.
Deutlich wurde auch für Aussenstehende schnell, dass sie nicht nur über ihre Fotografie mit dem Thurgau verbunden ist, dem sie so immer wieder neue Eindrücke abgewinnt, sondern auch über die Menschen. „Danke an alle, die mich begleitet haben. Ich habe so schöne Erlebnisse gehabt.“
Ein Geschenk für den Kanton
Wenn das noch ins Private zielen mochte, wurde der Thurgau doch auch in seinen Institutionen schnell mit einbezogen: „Der Kanton Thurgau hat mich über viele Jahre unterstützt, und es ist immer ein guter Dialog gewesen.“
Daher wolle sie nun dem Kanton auch etwas zurückgeben. Gemeinsam mit ihrem Sohn, Gabriel Kuhn, präsentierte sie daraufhin eine Fotografie, die nicht nur durch ihre Komposition und Lichtführung, sondern bereits durch ihr pures Sujet Bewunderung erregt: Ein gelber Löwe, unbeweglich wie eine Statue, jedoch mit geöffneten Augen seinerseits konzentriert ein Bild einfangend. Majestätik inmitten von Maschendraht. Es ist eines der ersten Bilder, die Simone Kappeler als Teil ihres Werkes ansieht.
Der gelbe Leu
Simone Kappeler gibt auch noch die Geschichte preis, die zu dem Bild gehört, und die es ein wenig mit erklärt: 1966 habe der gelbe Löwe im Plättli-Zoo gelebt, umgeben von Maschendraht. Um mit ihrer geliehenen Kamera ein Bild ohne diesen störenden Maschendraht zu bekommen, habe sie sich in einem unbeobachteten Augenblick – der Löwe schlief offenkundig – über eine Mauer geschwungen, um das Objektiv direkt zwischen die Löcher des Maschendrahtzauns führen zu können. Durch das Klicken des Auslösern habe das Tier dann aber die Augen geöffnet. Simone trat daraufhin schleunigst den Rückzug an.
14 Jahre alt war die Jugendliche aus Frauenfeld da und hatte, ohne es vermutlich schon so erfassen zu können, ihre Profession oder: Berufung bereits gefunden. Lange bevor sie schliesslich die Fachklasse für Fotografie an der Schule für Gestaltung in Zürich absolvierte. „So ist das mit der Kunst: Man muss Grenzen verschieben!“, sagt sie rückblickend durchaus heiter.
„So ist das mit der Kunst: Man muss Grenzen verschieben!“
Simone Kappeler, Fotografin (Bild: Brigitte Elsner-Heller)
Die Preisfeier
Den Abend eröffnet hatten Jürg Lanfranconi und Hannes Geiser am Bariton- beziehungeweise Tenor-Saxofon und damit die harmonische Stimmung der Preisverleihung schon vorweggenommen.
Während Kulturamtsleiterin Martha Monstein den Abend moderierte, begrüsste Regierungsratspräsidentin Monika Knill die Gäste. Hans Jörg Höhener, Präsident der Kulturkommission des Kantons Thurgau, gab daraufhin einen Überblick über die Modalitäten der Preisverleihung: Mit dem Preis, der seit 1986 vergeben wird, will der Regierungsrat seinen Dank und seine Anerkennung aussprechen für ausserordentliche kulturelle Leistungen.
Er sei aber auch als Ermunterung gedacht und daher in die Zukunft gerichtet, betonte Höhener und spielte damit auf Kappelers aktuelles Projekt an, Birnbäume des Thurgaus in Fotografie zu verwandeln.
Fotografie als Kunst
Ein kurzes filmisches Porträt von arttv.ch, das Simone Kappeler an ihren Wirkungsstätten in Atelier, Garten und Natur zeigte, schloss sich an, bevor der Konstanzer Literaturwissenschaftler Bernd Stiegler als Laudator vorsprach. Da er sich mit medialen Entwicklungen, vor allem auch der Geschichte der Fotografie beschäftigt, war es nun an ihm, sich auf die Fotokunst der Simone Kappeler näher einzulassen.
So fällt bei Simone Kappeler die Fülle der Techniken wie der Motive auf. „Sie nimmt viele Techniken seit der Frühzeit dieser Erfindung auf, um sie zugleich aber auch wiederzuentdecken, sich verwandelnd anzueignen und neu zu interpretieren.“ Und doch spricht Stiegler auch ganz lyrisch von „Lichtspuren der Welt“ oder „magischer Metamorphose“, davon, dass und wie die Fotografin auch etwa Fehler der Technik mit nutzt, wie sie über ihre zahlreichen Kameramodelle „die Welt mit vielen Augen sieht.“
Farbe spielt oft eine Rolle, sie kann aber auch ganz aussen vor bleiben in Kappelers „fotografischem Zauberreich der Verwandlung“, wie Stiegler formuliert.
„Ein fotografisches Zauberreich der Verwandlung“
Bernd Stiegler, Kunstwissenschaftler, über das Werk von Simone Kappeler (Bild: Brigitte Elsner-Heller)
Die Preisverleihung
Die verdiente Urkunde überreichte Regierungspräsidenin Monika Knill, nicht ohne ihrerseits noch einmal recht persönliche Worte für Simone Kappeler gefunden zu haben. Sie sei „eine der wichtigsten Chronistinnen des Thurgaus“, habe es unter anderem in der Begründung des Regierungsrats geheissen.
Dies sei jedoch nicht die ganze Wirklichkeit, denn es gehe nicht darum, Geschehen zu verfolgen, zu beobachten und darüber zu berichten: „Mit ihren Bildern erzählt sie zwar gewissermassen Geschichten und weiss auch zu jedem ihrer Bilder eine spannende Geschichte zu erzählen. Ihre Bilder aber erzählen keineswegs eine chronologische Geschichte. Sie strahlen oft etwas Zeitloses aus.“
Bilderstrecke: Einblicke in Simone Kappelers Werk
Ein bisschen zeitlos könnte an diesem Abend auch die Preisträgerin selbst zwischendurch wirken. Mit ihren langen Haaren, dem manchmal leicht schräg gehaltenen Kopf, wenn sie schaut oder zuhört, mit dieser kurzen Sekunde einer fernen Scheu dazwischen, kann man sich Simone Kappeler zwischen all den Blumen dieses Abends auch noch als das Mädchen vorstellen, das verwundert und fasziniert vor allem steht, was es sieht. Und sei dies ein majestätischer Löwe.
Herzlichen Glückwunsch.
Weiterlesen: Mehr Texte über Simone Kappeler
Ein ausführliches Porträt über die Frauenfelder Fotografin Simone Kappeler gibt es hier.
Der Thurgauer Kulturpreis
Der Thurgauer Kulturpreis wird seit 1986 vergeben. Damit spricht der Regierungsrat seinen Dank und seine Anerkennung aus für ausserordentliche kulturelle Leistungen von Privaten und von Institutionen, die das kulturelle Leben im Kanton in besonderer Weise bereichern. Eine Auswahl möglicher Trägerinnen und Träger des Kulturpreises wird dem Regierungsrat jeweils von der Kulturkommission des Kantons Thurgau vorgeschlagen.
Weitere Berichte zum Thurgauer Kulturpreis und Porträts früherer PreisträgerInnen gibt es in unserem Themendossier.
Eine Liste aller PreisträgerInnen seit 1986 gibt es auf der Internetseite des kantonalen Kulturamts.

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