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von Inka Grabowsky, 30.06.2023

Es leben die Gegensätze

Es leben die Gegensätze
Peter Höner, Joe Fenner, Max Gnant Gnant, Moira Albertalli und Giuseppe Spina freuen sich auf die Arbeit im Bühnenbild. | © Inka Grabowsky

Theater unter freiem Himmel: Die Theaterwerkstatt Gleis 5 spielt im August im Greuterhof Islikon die Komödie «Brennende Geduld» von Antonio Skármeta. (Lesedauer: ca. 3 Minuten) 

Der Titel «Brennende Geduld» ist eine Metapher, die Pablo Neruda in seiner Nobelpreisrede nutzte und vom französischen Dichter Arthur Rimbaud übernahm. Ausserdem ist der Ausdruck ein Widerspruch in sich und passt deshalb perfekt zum Stück, das von Gegensätzen lebt. Als «leise Komödie vor dem lauten Hintergrund des Militärputsches in Chile» bezeichnen es die Theatermacher. 

Und natürlich ergibt sich ein Teil der Komik aus dem sozialen Gegensatz «Grosser alter Dichter trifft auf kleinen jungen Postboten» - wobei: so gegensätzlich will Regisseur Giuseppe Spina die beiden Männer gar nicht auftreten lassen. Sie haben eben nur unterschiedliche Bildung und unterschiedliche Jobs. «Der Junge nutzt Metaphern, lange bevor er gelernt hat, was das Wort bedeutet», so Spina. 

Ein Stück über die Wirkung von Dichtung

Sprache ist zentral im Stück. «Sie ist wunderschön», schwärmt der Regisseur. «Die Figuren reden zwar alltäglich, aber gleichzeitig nutzen sie Bilder, die uns die Wunder der Literatur näherbringen.» Auf der inhaltlichen Ebene ist es die sprachliche Nachhilfe des berühmten Dichters, die den Pöstler die Liebe einer Frau gewinnen lässt. 

Ausserdem wird er durch die Diskussionen politisiert und schliesslich selbst für seine Lyrik gefeiert (was ihm ebenso wie Pablo Neruda in der Diktatur zum Verhängnis wird). «Man erlangt etwas durch ein Opfer», resümiert Giuseppe Spina. Der Regisseur findet Trost im Vorbild Pablo Nerudas: «Man muss sich nicht verraten, sondern kann mit erhobenem Haupt von der Welt treten.» Nerudas Witz und sein schwarzer Humor gäben Mut auch in dunklen Zeiten. 

 

Auf der Bühne erobert Max Gnant als Mario seine Beatriz - Moira Albertalli - mit schönen Metaphern
Auf der Bühne erobert Max Gnant als Mario seine Beatriz - Moira Albertalli - mit schönen Metaphern. Bild: Inka Grabowsky

Anders als der Hollywoodfilm 

Die Frauenfelder Version bezieht sich auf den Roman von Skármeta aus dem Jahr 1985, explizit nicht auf den Film «The Postman/Il Postino», der 1994 sehr erfolgreich war und die Handlung nach Italien verlegte. Allerdings zitiert der Akkordeonist Goran Kovacevic, der die Geschichte musikalisch untermalt, mitunter die Filmmusik von Luis Bacalov. 

Er habe auch die Originalvorlage leicht angepasst, so Giuseppe Spina. «Es gibt nämlich ein Vorwort, in dem Antonio Skármeta die Geschehnisse in der Rückschau einordnet. Und das haben wir zu einem Epilog gemacht.» Verkörpert wird Skármeta von Joe Fenner: «Das ist etwas Besonderes, weil ich dabei keinen Gegenspieler habe und auf mich allein gestellt bin. Also oszilliere ich zwischen Schauspielen und Erzählen.»

Besetzung mit alten Bekannten und neuen Gesichtern

Joe Fenner gehört in der Theaterwerkstatt zu den alten Bekannten. Durch ihn ist nun ein neuer Mitspieler dazu gekommen. Die Rolle des verliebten Briefträgers Mario wird Max Gnant übernehmen, der vor Jahren bei Fenner an der Dimitri-Schule Unterricht genommen hatte. 

Seine Angebetete und spätere Frau Beatriz spielt Moira Albertalli, die dem Thurgauer Publikum bereits durch ihre Auftritte im See-Burgtheater (bei den Schweizermachern und bei Lysistrata) vertraut ist. 

Ein Wiedersehen nach zwei Jahren Bühnenabstinenz gibt es mit Peter Höner. Der 76-jährige Schauspieler und Autor hatte sich zuletzt mehr und mehr auf seine literarische Arbeit konzentriert – und gerade das qualifizierte ihn für Giuseppe Spina als Idealbesetzung für den Part des Pablo Neruda. «Seit rund vierzig Jahren schreibe ich, insofern habe ich schon eine Affinität zur Rolle des Dichters», sagt Höner mit einem Schmunzeln. 

 

Giuseppe Spina ist Regisseur und Produktionsleiter von "Brennende Geduld". Bild: Inka Grabowsky

Perfekt für den Greuterhof

Das Bühnenbild von Melanie Geiger und Joe Fenner zeigt auf der einen Seite die Veranda von Pablo Neruda, auf der anderen die Küche im Gasthaus von Beatriz‘ Eltern. «Wir werden dort auf einem alten Holzherd ein chilenisches Schmorgericht zubereiten», freut sich Giuseppe Spina. «Nach Rezept braucht es etwa eine Stunde – es müsste also zum Ende der 90-minütigen Vorstellung fertig sein und steht dann zu Verkostung zur Verfügung.»

Auf den Genius Loci kann sich der Regisseur und Produktionsleiter verlassen: «Es gibt Menschen, die uns sagen, sie kämen auf alle Fälle, egal was wir spielten, nur weil sie den Ort so grossartig finden.» 

Ein Kammerspiel unter freiem Himmel

Tatsächlich gibt es gute Gründe, Fan der Freilichtbühne im Greuterhof zu sein: «Es gibt im Innenhof eine intime Atmosphäre. Wir können – solange nicht Regentropfen auf das Dach über der Tribüne prasseln – sogar ohne Mikrophon und Lautsprecher spielen. Und die 120 Menschen im Publikum können jede Mimik sehen und jeden feinen Zwischenton hören. Insofern machen wir dort ein Kammerspiel unter freiem Himmel.» 

 

Termine & Tickets

Brennende Geduld

von Antonio Skármeta

 

Open-Air-Aufführungen im Greuterhof in Islikon jeweils um 20.30 Uhr bei jeder Witterung. Die Zuschauer sitzen überdacht. 

 

10., 11., 12., 15., 16., 17. 18. 19., 22., 23., 24. und 26. August.

 

Tickets (49 Franken) gibt es hier.

 

 

 

 

 

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