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von Brigitta Hochuli, 04.12.2016

Fondue des Artistes

Fondue des Artistes
Immer dabei: die wertvolle und von A bis Z lesenswerte Dokumentation zur Werkschau Thurgau 16 | © Brigitta Hochuli

Im Rahmenprogramm der Werkschau Thurgau 16 lud Kurator Richard Tisserand zum Fondue in den Kunstraum Kreuzlingen. Artisten und Gäste rührten nicht nur den Käse, sie debattierten auch.

Von Brigitta Hochuli

THESE 1

Kunst ist, wenn einer eine Geschichte darüber erzählt.

Richard Tisserand ist nicht nur Künstler und Kurator, er kann Kunst auch erklären und sie zu einer Geschichte formen. Am Fondue-Abend im Kunstraum gelang ihm das einmal mehr.

Die Geschichte half, denn anders als von „Tiss" gewohnt, ist die Werkschau-Auswahl in Kreuzlingen malerisch traditionell. „Ich habe eine Bauchwahl gemacht", sagte er. Renate Flurys „Seelennester" seien eine bedeutende Geste, es gehe um Geborgenheit für etwas, das nicht fassbar sei. „Jeder kann das gut nachvollziehen."


„Seelennester" von Renate Flury. Foto: ho

 

Erstmals komme Johannes Gees mit Malerei in den Kunstraum, erzählte Tisserand. Er habe sehr viel von den Bildern aus Kalifornien erwartet, kenne man Gees doch von seinen spektakulären Laser-Aktionen am WEF in Davos oder beim Zürcher Grossmünster. Experten hätten gemeint, die neuen Bilder seien keine Kunst. „Es IST keine Kunst", sagte „Tiss". „Dä hät eifach wöle moolä!" Zudem passe die Malerei optisch zum Fondue. Ob's stimmt, prüfen Sie bitte weiter unten in unserer Bildstrecke.

Gemalt hat auch Rachel Lumsden. Und wie! Sie erzähle jeweils drei, vier Geschichten, etwa vom Rotkäppchen. Aber nur, um sie danach mit einem Verdünner drucheinander zu bringen. Neben den Bildern von Lumsden hängen jene von Willi Oertig. Dessen Qualität sei eine gewisse Sachlichkeit, verbunden mit der Sehnsucht eines Mannes, der das ganze Jahr über in Kradolf sitze. Tisserand ist froh, die Künstlerin und den Künstler nebeneinander zu sehen. „Von ihr weiss man, dass sie gut ist. Bei ihm merkt man dann, dass ,äs verhebet'."


Ein Bild von Willi Oertig neben jenen von Rachel Lumsden. Foto: ho

 

Dann Philippe Mahler. „Er bringt uns die französische Malerei näher", sagte Tisserand, der selber ein halber Franzose ist und vom „ganz anderen Duktus und der Feinheit der Farbpalette schwärmte. „Es ist eine intimistische Malerei, entstanden im Thurgau, wo die Welt vor dem Fenster nicht opulenter sein könnte."

Philippe Mahlers intimistische Malerei. Foto: ho

 

Der Kurator lobte auch das Spiel des jungen Michael Frei. „Er macht öppis!"- nämlich das interaktive Video „Plug & Play", das in Südamerika zurzeit von über 100 Millionen Usern geklickt werde. Weitere junge Künstler im Raum sind Gabriel Kuhn mit Fotografien und Anita Kuratle mit einem „Skizzenbuch". „Skizzen, die sich materialisieren. Schön, wie sie in Tonerede und Acker übergehen." Und interessant für den Erzähler Richard Tisserand: Denn „man kann darin sehen, was man will".

Nur eine Produktion läuft im Tiefparterre des Kunstraums. Robert Alder, der führere Programmierer, hat dort eine neue Programmwelt erfunden. In sie hineingetaucht ist das einzige Kind an diesem Abend. Stellte einen Stuhl davor, setzte seine Schildkröte darauf und tanzte juchzend in die Farbstrahlen der Installation.

Tanz vor Robert Alders „Abwandlung". Foto: ho

 

THESE 2

Fondue ist, wenn Esser mehr als Käse rühren.

Das Fondue war gut - nicht zu dünn und gerade recht mit Knoblauch gewürzt. Es regte schon vor dem Verzehr zum Gedankenaustausch an. Zum Beispiel über die heute hochkarätig akademischen Qualifikationen junger Künstler und deren manchmal ähnlich geartete Performance. Das sei das System, erklärte Künstler und Kunstdozent Alex Meszmer im Gespräch. Man habe es früher Stil genannt. Nach dem Studium müsse man davon aber weg kommen. „Schwierig, besonders im Thurgau", kommentierte Künstlerin Judit Villiger, die ebenfalls Dozentin ist. „Man ist nach der Ausbildung hier sehr allein!" - „Wir nehmen die am wenigsten schlechten", hat es zu Meszmers Studentenzeit geheissen. „Das wurde noch mehr."

 


Eindrücke vom „Fondue des Artistes" mit „Softspace" von Erik Satie unterlegt.

 

Natürlich war auch die Werkschau selber ein Thema. Kritik oder Mängel? Mitnichten! Sie biete einen Überblick, und die kuratorische Herausforderung sei hervorragend gemeistert, befand Alex Meszmer. Die ausbleibende Überraschung, ja gar ein kleiner Kunstskandal? Das sei gar nicht möglich bei dieser Ausstellungs-Anlage, sagte Judit Villiger. Dafür könnten die Künstler zu wenig zeigen. Also zufrieden mit dem Resultat? „Unbedingt, ich finde die Werkschau mit einigen noch nie hier gezeigten Positionen wirklich schön." Und die Wahrnehmung von aussen? Sei noch zu wenig stark, meinte Meszmer. Ihre Stundenten würden sie mit der Bedeutung einer Regionale Basel vergleichen, erzählte hingegen Villiger.

 

THESE 3

Debatte ist, wenn Menschen sich austauschen. Wetten, Sie sind auch dabei!

Judit Villiger schwärmt von der Arbeit der Kulturstiftung des Kantons Thurgau. Was die Beauftragte Gioia Dal Molin mit der Werkschau in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt habe, sei einmalig. Besonders hebt sie deren Texte über die Künstler hervor und die Interviews in der Dokumentation. „Das ist Bildungsarbeit par excellence, die da geleistet wird. Das soll man nicht bewerten, sondern es unter die Leute bringen!" Gelegenheit dazu gibt es am Freitag, 9. Dezember, 20 Uhr, innerhalb des Rahmenprogramms der Werkschau im Stiftungsbüro in Frauenfeld. Da soll über „Kultur, Kulturpolitik und Förderung im Kanton Thurgau" debattiert werden.

***

- Mehr zu den erwähnten Künstlern erfahren Sie hier.
- Alles, was bisher auf thurgaukultur.ch zur Werkschau Thurgau 16 erschienen ist, finden Sie hier.

 

 

www.werkschautg.ch

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