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Gegen den Trend

Gegen den Trend
Gleissendes Licht, aussergewöhnliche Stimmung: Die Hauptbühne der Musikfestwochen steht in der Steinberggasse. | © Thomas Gerstendörfer/Musikfestwochen Winterthur

Bis weit in den Sommer werden inzwischen Veranstaltungen wegen der Corona-Epidemie abgesagt. Die Winterthurer Musikfestwochen haben sich für einen anderen Weg entschieden. Das Festival soll auch 2020 wie gewohnt stattfinden.

Man weiss nicht so genau, ob das jetzt besonders mutig oder besonders unvernünftig ist, aber mitten in der Corona-Krise haben sich die Veranstalter der Winterthurer Musikfestwochen dazu entschlossen, ihr Festivalprogramm für dieses Jahr vorzustellen. Demnach sollen die Musikfestwochen auch in diesem Seuchenjahr wie gewohnt stattfinden, tausende Menschen sollen sich vom 5. bis 16. August in der engen Winterthurer Altstadt treffen können und dem - wie eigentlich fast immer - bemerkenswerten Programm des Festivals lauschen.

Der famose Faber (15. August) soll kommen, Flogging Molly (14. August), The Tallest Man on Earth (16. August) und viele andere tolle Bands stehen auf der Agenda. Aber ist das wirklich realistisch? Ist es vorstellbar, dass ein Festival mit tausenden Menschen in diesem Jahr wirklich stattfinden kann?

Video: „Konzerte dieses Jahr? Vergesst es!“

Wenn man hört, was Virologen und Epidemiologen gerade so sagen, dann muss die Antwort wohl eher lauten: Nein. Die allermeisten Experten raten davon ab, in diesem Jahr Massenveranstaltungen zu planen. Andererseits: Kein Mensch weiss heute, wie sich das Virus in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird. Vielleicht wird doch irgendwann alles wieder gut?

Darauf hoffen jedenfalls die Veranstalter der Winterthurer Musikfestwochen. Wir haben nachgefragt, wie genau sie sich das vorstellen.

Sämtliche Veranstaltungen bis in den Sommer werden abgesagt. Ihr habt trotz Corona euer Programm für 2020 vorgestellt. Warum?

Zuallererst: Dass sämtliche Veranstaltungen bis in den Sommer abgesagt werden, stimmt nicht ganz. Es gibt doch noch so einige, die darauf hoffen, dass sich die Lage wieder stabilisiert und man (grössere) Events wieder durchführen kann. Da von der Programmveröffentlichung weitere Planungsschritte abhängen, konnten und wollten wir nicht länger damit warten. Das Veranstaltungsverbot gilt vorerst bis zum 19. April. Niemand weiss, wie es danach weitergeht und schon gar nicht, wie die Lage im August ausschauen wird. Daher haben wir uns entschieden, mit den Planungen für das Festival wie gewohnt weiterzufahren.

Glaubt ihr wirklich, dass das Festival ganz normal stattfinden kann?

Falls es weiterhin Einschränkungen geben sollte, würden wir schauen, ob und inwiefern wir uns damit arrangieren und das Festival entsprechend verkleinern können. Ein verkleinertes Festival wäre allerdings gerade an den Gratis-Tagen schwer umsetzbar, insbesondere was den Zugang zum Festivalgelände betrifft. 

Bei den Musikfestwochen kommen sich tausende Menschen nah. Wie soll das in Zeiten des Virus funktionieren? Plant ihr irgendwelche corona-bedingten Änderungen?

Da wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht wissen, wie sich die Lage bis August entwickeln wird, ist es schwer, jetzt bereits Aussagen über Corona-bedingte Änderungen und Anpassungen zu machen. Wir optimieren unsere Massnahmen von Jahr zu Jahr. Sollten dieses Jahr von Seiten Behörden etc. neue hinzukommen, werden wir diese selbstverständlich umsetzen.

Habt ihr einen Plan B falls das Festival doch untersagt wird?

Sollte es soweit kommen und wir rechtzeitig davon erfahren, werden wir mögliche Alternativen der Konzertübertragung sicherlich genauer betrachten und in Erwägung ziehen.

Mehr zum Programm der Winterthurer Musikfestwochen gibt es auf der Internetseite des Festivals.

 

Kommentar: Naive Hoffnung

Ganz ehrlich: Es wäre schön, wenn man im August sagen könnte: „Die Organisatoren der Musikfestwochen hatten Recht. Zum Glück haben sie an dem Festival festgehalten.“ Bis dahin bleibt es freilich ein gewagtes Manöver. 

 

Da ist vor allem die Frage: Ist es klug, Menschen mit einem attraktiven Angebot (und Livemusik von der Lieblingsband gehört definitiv in diese Kategorie) dazu zu verführen, gesundheitliche Belange hinten an zu stellen? Oder riskiert man so leichtsinnig einen weiteren Ausbruch? Aus heutiger Sicht müsste man die erste Frage mit Nein, die zweite solange mit Ja beantworten, bis ein Impfstoff gefunden ist.

 

Das Risiko ist aber auch für die Veranstalter gross: Im Augenblick wird sich wohl kaum jemand ein Ticket kaufen für ein Festival von dem man nicht weiss, ob es auch wirklich stattfindet. Wann sich das ändern wird und wie viele Menschen sich überhaupt noch in diesem Jahr auf einen Grossanlass trauen, ist derzeit nicht vorhersehbar. Finanziell könnte das für die Musikfestwochen schlecht ausgehen.

 

Es ist ehrenwert, dass die Musikfestwochen in diesen tristen Zeiten ein Zeichen der Hoffnung setzen wollen. Ein Zeichen, dass Normalität irgendwann wieder zurückkehrt in unseren Alltag. Besonders klug ist es allerdings nicht. (lün)

 

 

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