von Judith Schuck, 27.02.2023
Geschichten gegen das Schweigen

Was ist die Wahrheit? In „Die Deutschlehrerin“ nähern sich Mathilda und Xaver ihr über die Fiktion an. Das packende Beziehungsdrama mit Susanne Odermatt und Patrick Boog kommt am 4. März ins Theaterhaus Thurgau. (Lesezeit: 2 Minuten)
Die Beziehung eines scheinbar perfekten Paares zerbricht von einem Tag auf den anderen. Ein Kind verschwindet. Und nach 16 Jahren begegnen sich Mathilda und Xaver zufällig wieder. Wirklich ein Zufall? Wie so vieles bleibt dies im Stück von Thomas Krauss offen. Es basiert auf dem Roman der Österreicherin Judith W. Taschler, der 2014 mit dem Friedrich Glauser Preis, einem der wichtigsten deutschen Krimi-Preise, ausgezeichnet wurde. Wie all ihre Geschichten zeichnet sich das Drama durch einen raffinierten Aufbau aus. Susanne Odermatt, Produzentin und Schauspielerin, findet: „Wenn die Zuschauer:innen zu ahnen glauben, was damals geschehen ist, tappen sie im nächsten Moment wieder im Dunkeln.“
Mathilda (Susanne Odermatt) und Xaver (Patrick Boog) lernten sich im Germanistikstudium kennen. So verschieden sie sind, so sehr finden sie sich in ihrer gemeinsamen Leidenschaft, dem Geschichtenerzählen. Immer spielt hier eine gewissen Rivalität mit hinein. Nachdem Xaver mit einem Jugendbuch reüssiert, bei dem Mathilda mitwirkte, ohne genannt zu werden, verlässt er sie abrupt für eine reiche, berühmte Frau. Die Beziehung dieses Paares zerbricht, als ihr kleines Kind plötzlich spurlos verschwindet.
Die Deutschlehrerin - Trailer zum Bühnenstück mit Susanne Odermatt und Patrick Boog. from Susanne Odermatt on Vimeo.
Von der Fiktion in die Wahrheit
Das Wiedertreffen von Mathilda und Xaver findet bei einem Schreibseminar statt. Mathilda möchte über den Weg der Fiktion der Wahrheit über das Kind auf den Grund gehen. „Sie bringt Xaver dazu, zu erzählen., was er in all den Jahren verschwiegen hat“, sagt Odermatt.
Die Idee für die Produktion kam von Regisseur Marcelo Diaz, der damit auf die Frauenfelder Schauspielerin mit Zürcher Wurzeln zukam. „Die Geschichte liess mich nicht mehr los, sie hat mich vollends in ihren Bann gezogen.“ Susanne Odermatt arbeitet bereits zum dritten Mal mit Diaz zusammen und schätzt seinen Spürsinn für tieftragende Geschichten, die heutige Menschen angehen, aber auch, wie er sie als Interpretin fordert, authentische Figuren zu verkörpern.
„Die Geschichte liess mich nicht mehr los, sie hat mich vollends in ihren Bann gezogen.“
Susanne Odermatt
„Die Figur muss leben!“ sei sein Credo und Odermatt liebt diese Herangehensweise, „auch wenn ich mich nicht unbedingt mit Mathilda identifizieren kann.“ Aber hineinspüren in sie und ihren Blickwinkel annehmen, das packe sie um so mehr. „Ich habe Distanz zur Figur, muss mir aber ihre Emotionen holen.“ Patrick Boog, der Xaver verkörpert, empfindet sie als das ideale Gegenüber, „wir ergänzen uns gut und spielen einander so zu, dass wahre Momente entstehen.“
Bühne mit sanften Projektionen
Das Bühnenbild gestaltete Andreas Wagner. Auch mit ihm arbeitete Odermatt schon zusammen. „Seine schlichten, abstrakten Bühnenbilder und seine sanften Projektionen dienen ganz der Geschichte und den Figuren.“

Premiere feierte das Stück im September 2022 im Eisenwerk in Frauenfeld und es folgten weitere Aufführungen in Winterthur und Kreuzlingen. Das Stück schaffte es in die Auswahl der diesjährigen Künstlerbörse in Thun im April, doch vorher gastiert es am 4. März in Weinfelden, veranstaltet von Frohsinn Kultur und anschließend noch zweimal in Zürich.
„Von allem Anfang an gelingt es Susanne Odermatt und Patrick Boog all die Hoffnung und Bitterkeit überzeugend zum Ausdruck zu bringen“, schrieb Rolf App in seiner Besprechung im Tagblatt. „Manchmal bringen sie ihr Publikum zum Schmunzeln, lassen die Ausgelassenheit des jungen Paars durchscheinen.“
Aufführungen
04.03.2023 | Theaterhaus Thurgau, Weinfelden | 20.15 Uhr | Tickets
10.03.2023 | Bühne S, Zürich Stadelhofen | 20.00 Uhr | Tickets
11.03.2023 | Bühne S, Zürich Stadelhofen | 20.00 Uhr | Tickets
Für Veranstaltende: 21.04.2023 | Kurzauftritt an der Schweizer Künstlerbörse, Thun
Weitere Aufführungen in Planung

Von Judith Schuck
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