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von Zora Debrunner, 10.05.2016

Internetkanton Thurgau in Berlin

Internetkanton Thurgau in Berlin
Vor dem Ansturm: Einer der kleineren Vortragsräume der zehnten re:publica in der Station Berlin | © Sascha Erni

In Berlin fand vom 2. bis 4. Mai die zehnte re:publica statt. Über 8000 Netzbegeisterte und der halbe Thurgau nahmen dieses Jahr teil. Ein Erfahrungsbericht von

Zora Debrunner

Obwohl ich mich schon lange im Netz bewege, hatte ich es bisher nie an die „re:publica“ in Berlin geschafft. Diese grösste und wichtigste Internet-Konferenz des deutschsprachigen Raumes (manche meinen gar, Europas) reizte mich schon lange, aber erst dieses Jahr hat es endlich geklappt - zur Jubiläums-Ausgabe, so zu sagen: die „rpTEN“. Im Vorfeld las ich mir den Veranstaltungsplan durch. Schliesslich sind die unzähligen Sessions, also Vorträge und Workshops, ein wesentlicher Grund, weshalb so viele Teilnehmer den Weg auf sich nehmen. Aber auch abseits des Fachlichen war ich gespannt, hatte ich doch von meinen Freunden gehört, wie toll dieser Anlass sei und wen man da so alles träfe.

Vorsorglich holten wir unsere Zugangskarten schon am Sonntagabend ab, denn wir wollten unsere Zeit nicht in Warteschlangen verbringen. Die Masse an Menschen hat mich dann aber doch fast erschlagen. Es fühlte sich ein wenig an, als sei man in der Halle 7 der Olma eingesperrt. Sehr schnell begriff ich, dass ich dort, wo mich Sessions interessiert hätten, lange anstehen müsste. Zu lange, unter zu viel Gedränge. Also entschied ich mich: Das ist nicht mein Ding.

Bloggerinnen unter sich: Zora Debrunner und Tanja Kollodzieyski an der rpTEN. Bild: Sascha Erni

 

Stattdessen setzte ich mich in den Hof der Station Berlin, quasi das Herzstück der re:publica, und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Ich freute mich sehr, dass ich in der Fremde auf einige Thurgauer traf. Da war beispielsweise Thomas Gemperle, netzaffiner Politiker aus Frauenfeld, der in Zürich und Konstanz Barcamps mitorganisiert. Auch Christoph Lanter, der für das Grenzdenken auf dem Lilienberg verantwortlich zeichnet, war anwesend. Ebenso Sarah Lüthy, die Geschäftsstellenleiterin von thurgaukultur.ch.

Mindestens die Grosseltern im Thurtal

Über die ganzen drei Tage stiess ich immer wieder auf verschiedene Schweizer Blogger und Medienschaffende. Wir redeten stundenlang. Spannend ist hierbei, dass so ziemlich jeder einen Bezug zum Thurgau besitzt, seien es Grosseltern im Thurtal, den besten Freund oder die beste Freundin am Bodensee oder aber einen Thurgauer Heimatort. Es wurde viel gelacht, viel getrunken, und auch viel mit Sonnencrème hantiert: In Berlin herrschte schönstes Frühlingswetter, während es zu Hause scheint‘s hagelte.

Auch Dienstag und Mittwoch besuchte ich nicht eine einzige Session. Stattdessen unterhielt ich mich stundenlang mit Bloggern, PR-Leuten, Journalistinnen und Twitterern über Gott, die Welt, den Thurgau und Berlin.

Begegnungen in echt

Die Schweizer rpTEN-Besucher wollten sich am Dienstag zum Abendessen treffen, ich jedoch hatte andere Pläne. Seit Jahren kenne ich eine Berliner Künstlerin via Twitter, sie lud uns spontan zu sich nach Hause ein. Wenn wir schon hier seien …

Ana Schoensteiner ist 64 Jahre alt und malt bereits ihr ganzes Leben lang. Sie lebt faktisch mit ihren Bildern zusammen - und ist eine der wunderbarsten Geschichtenerzählerinnen, die ich je getroffen habe. Ihre Kunst ist nicht im Museum zu sehen, leider. Stattdessen teilt sie ihre Bilder und Zeichnungen in den sozialen Medien oder lädt auch mal in ihren „Seufzerkeller“ ein.


Ana Schoensteiner lebt und arbeitet in einer winzigen Wohnung mitten in Berlin. Bild: Sascha Erni

 

Der letzte rpTEN-Tag fühlte sich mühsam an. Man verabschiedete sich voneinander, umarmte sich. Trank gemeinsam ein letztes Pils oder eine vegane Cola. Es waren weniger Menschen anwesend, viele waren schon am Abend zuvor abgereist. Die Stimmung jedoch war nicht weniger fröhlich. Doch uns hielt es nicht mehr lange. Wir sagten neuen und alten Freunden tschüss! und machten uns auf, Berlin auch abseits von Internetmenschen zu entdecken.

Meine erste re:publica wird wahrscheinlich nicht meine letzte sein. Es ist toll, Menschen live zu treffen, mit denen ich bisher „nur“ via Twitter kommuniziert habe. Die Gespräche sind es denn auch, die mich fasziniert haben. Die ganzen Internetthemen verblassten für mich, wenn Begegnungen mit echten Menschen möglich werden.

 

Bildstrecke von Sascha Erni:

(Sollte die Bildstrecke nicht erscheinen, klicken Sie bitte hier.)


 

Die re:publica und thurgaukultur.ch

Was hat eine Netzkonferenz in Berlin mit der Thurgauer Kultur und thurgaukultur.ch zu tun? Da gibt es verschiedene Antworten: Einerseits hat Geschäftsstellenleiterin Sarah Lüthy - wie berichtet - die re:publica besucht und an workshops und Vorträgen praktisch rund um die Uhr Neues gelernt. Sie hat viele Ideen für die technische und inhaltliche Weiterentwicklung unseres Webportals mit nach Hause gebracht. Andererseits arbeiten Geschäftsstelle und Redaktion per se online, schöpfen aber aus dem Leben. Der Bericht von Zora Debrunner zeigt, dass diese Ambivalenz überbrückbar ist. Im Virtuellen manifestiert sich auch Lebendiges. Und drittens schliesslich sind Netzfragen auch immer Kulturfragen, im Speziellen, wenn sich Thurgauerinnen und Thurgauer damit befassen - eben wie zum Beispiel in Berlin. (Brigitta Hochuli, Redaktion thurgaukultur.ch)

 

KOMMENTAR *

 

von Zora Debrunner an Reglua Aeppli-Fankhauser・vor 10 Monaten

ja, liebe Regula das siehst du richtig. ich habe keine einzige "Session* besucht.

 

 

von Reglua Aeppli-Fankhauser・vor 10 Monaten

Sehe ich das richtig: dann hast du keine einzige offizielle "Session" oder Workshop oder so besucht?

 

* Seit März 2017 haben wir eine neue Kommentarfunktion. Die alten Kommentare aus DISQUS wurden manuell eingefügt. Bei Fragen dazu melden Sie sich bitte bei sarah.luehty@thurgaukultur.ch

 

 

 


 

 

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