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Koko steigt bei Festivals aus

Koko steigt bei Festivals aus
Das war es dann: Rock am See fand 2016 wohl zum letzten Mal statt. Der bisherige Veranstalter zieht sich zurück. Ersatz ist nicht in Sicht. | © Michael Lünstroth

Herber Rückschlag für den Kulturstandort Konstanz: 2017 werden sowohl Zeltfestival wie auch Rock am See nicht stattfinden. Während das für das Rockfestival wohl das endgültige Aus ist, gibt es beim Zeltfestival noch Hoffnung. Ein neuer Veranstalter könnte ab 2018 übernehmen.

Von Michael Lünstroth

Eines der traditionsreichsten Festivals Deutschlands ist endgültig tot. Rock am See, begründet vor 30 Jahren im Konstanzer Bodenseestadion mit einem Auftritt von Herbert Grönemeyer, Nina Hagen und Ulla Meinecke, wird es nach unseren Informationen so nie wieder geben.  Dieses Aus hatte sich angedeutet nachdem das Festival in den vergangenen Jahren nicht mehr aus den roten Zahlen kam. Nach dem Rückzug der bisherigen Geschäftsführer Dieter Bös und Armin Nissel wurde immer deutlicher, dass der Veranstalter, der nun seinen Hauptsitz in Freiburg hat kein Interesse mehr an der Veranstaltung hat. 

Damit nicht genug der schlechten Nachrichten, denn: Auch beim Zeltfestival steigt Koko jetzt aus. Das hat jetzt auch Sarah Müssig vom Konstanzer Kulturbüro bestätigt: "Marc Oßwald hat uns schriftlich mitgeteilt, dass er das Zeltfestival nicht mehr machen wird und den städtischen Zuschuss nicht benötigt." Diese Entscheidung ist wohl auch eine Konsequenz daraus, dass das Festival in diesem Jahr erneut mit einem erheblichen Minus abgeschlossen hat. Selbst der mühsam errungene Zuschuss der Stadt Konstanz von rund 100 000 Euro konnte offensichtlich nicht dazu beitragen, das Geschäft einigermassen ausgeglichen zu gestalten.

Bitter ist diese Entwicklung vor allem für Dieter Bös. Beide Festivals hatte er bis zuletzt als Programmchef verantwortet. Auf Ende Oktober hatten sich dann er und sein langjähriger Geschäftsführerpartner Armin Nissel aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Ihre Anteile übernahm Marc Oßwald. Zu der neuen Ausrichtung von Koko will Bös nicht viel sagen. Nur dies: "Es ist Marc Oßwalds Recht, diese Entscheidungen zu treffen. Er ist jetzt alleiniger Geschäftsführer, Ausserdem mag kein Geschäftsmann Verluste. Aber für Konstanz ist das natürlich bedauerlich", meint Bös.

Zumindest beim Zeltfestival deutet sich ein kleiner Silberstreif am Horizont an. Xhavit Hyseni, Veranstalter des Campusfestival und vieler anderer Events in der Region, könnte mit seiner Agentur "Nachtschwärmer-KN" einspringen. Ihn bringt jedenfalls Dieter Bös als neuen Organisator des Zeltfestivals ins Spiel "Die machen einen guten Job, sond sehr fleissig. Ich glaube, die könnten das", sagt Bös. Hyseni selbst zeigt sich auch nicht abgeneigt. "Das wäre eine grosse Herausforderung, aber auch eine Riesenchance. Wir könnten uns vorstellen das Zeltfestival zu übernehmen. Wenn dann aber erst ab 2018. Für 2017 haben wir schlicht nicht mehr ausreichend Planungszeit", erklärt er gegenüber thurgaukultur.ch

„Schon innerhalb der nächsten Monate wollen wir mit dem Kulturbüro über unsere Vorstellungen ins Gespräch kommen", so Werner Rietzschel von Nachtschwärmer-KN. „Trotz der gegenwärtigen Lage setzen wir darauf, dass die Stadt das Potenzial eines solchen Events nicht verkennt. Es ist unser Anspruch, das Zeltfestival nach einer potenziellen, einjährigen Pause nicht nur zu retten, sondern über das Jahr 2018 hinaus zukunftsfähig zu machen."

Letztlich hängt die Entscheidung an der Konstanzer Kommunalpolitik. Der Gemeinderat entscheidet darüber, ob die Gelder, die mit Koko vereinbart waren (jeweils 100 000 Euro für die Jahre 2016, 2017 und 2018) auch auf einen anderen Veranstalter übertragen werden können. Angesichts der Haushaltslage der Stadt erscheint aber auch nicht als unwahrscheinlich, dass es eine politische Mehrheit dafür geben könnte, die Mittel komplett zu streichen.

Offen ist noch, was mit den Konzerten passiert, die Dieter Bös bereits für das Zeltfestival 2017 gebucht hatte. Angekündigt waren Konzerte von Dieter Thomas Kuhn und Helge Schneider. Es gilt als wahrscheinlich, dass sie aus dem Zelt ins Bodenseeforum verlegt werden.

 

KOMMENTAR

Ein Trauerspiel

 

VON MICHAEL LÜNSTROTH

 

Das Ende war absehbar, trotzdem ist es schmerzhaft. So wie es vielen Paaren ergeht, die sich innerlich längst auseinander gelebt haben, aber dennoch unter der vollzogenen Trennung leiden, wird es wohl auch vielen Menschen aus der Region jetzt gehen. Das Aus für die Festivals Rock am See und Zeltfestival ist bitter. Für eine Stadt, deren Angebot an junger Kultur ohnehin, nun ja, eher übersichtlich war, ist das sogar ein herber Rückschlag.

 

Besonders bestürzend ist das Ende des so traditionsreichen Festivals Rock am See. Nach 30 Jahren mit mal spektakulären, mal langweiligen Shows ist nun endgültig Schluss. Kaum vorstellbar, dass diese Marke jemals wieder belebt werden wird. Es ist das Ende einer Veranstaltung, die zum Schluss offenbar nicht mehr ausreichend Menschen von ihrer Strahlkraft überzeugen konnte. Das ist teilweise hausgemacht, teilweise aber auch von aussen verschuldet. 

 

Hausgemacht ist die immer geringere Innovationskraft, die das Festival entfaltet hat. Immer mehr von immer dem Gleichen reicht halt längst nicht mehr aus. Und zum Schluss wurde das genervte Stöhnen beim Publikum bei jeder Verkündung von Auftritten von Dauergästen wie den Toten Hosen, Dieter Thomas Kuhn oder den Ärzten immer lauter. Einerseits. Andererseits hat das Publikum auch immer wieder signalisiert, genau diese Künstler zu wollen. Denn wann immer die drei genannten kamen, war die Bude voll. Die Risikobereitschaft des Veranstalters hat das nicht gestärkt.

 

Die Verantwortung des Veranstalters ist das eine. Aber es gibt da auch eine Verantwortung bei der Stadt. Sie bekommt mit dem Aus von Rock am See nun auch die Quittung dafür, dass jahrzehntelang versäumt wurde den Standort des Festivals, das Bodenseestadion, zu modernisieren. Das Stadion mit seiner einzigartigen Lage und dem besonderen Flair wurde über Jahre schlicht kaputt gespart. Dass ein Veranstalter da jetzt die Handbremse zieht und sagt - so nicht, kann man ihm nicht mal verübeln.

 

Bitter ist die Entwicklung aber vor allem für Dieter Bös. Rock am See und das Zeltfestivals sind zwei Säulen seines, ja, man kann dieses grosse Wort verwenden, Lebenswerkes. Dass dies nun so schnöde abgewickelt wird, muss dem erfahrenen Konzertmanager unendlich weh tun. Diesen unwürdigen Abschied hat er nicht verdient. 

 

Am Ende bleibt die Hoffnung, dass ein junger Veranstalter wie Xhavit Hyseni zumindest dem Zeltfestival neues Leben einhauchen könnte. Dass er das Talent und Gespür für solche Grossveranstaltungen hat, hat Hyseni schon mehrfach bewiesen. Jetzt sollte ihm die Politik die Chance geben, seine Talente für die Stadt und die Freunde von Rock- und Popmusik einzusetzen. Die Stadt braucht ein solches Festivalformat will sie auch für jüngere Bürger ein ansprechendes Kulturprogramm bieten.

 

 

 

 

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