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«Lieber laue Musik, als laue Texte»

«Lieber laue Musik, als laue Texte»
Der Junge mit der Gitarre: Reto Zeller ist der Gründer des Liedermacherfestivals "liederlich", das am 4.November in Frauenfeld gastiert | © Veranstalter

Seit vielen Jahren steht Reto Zeller als Liedermacher und Kabarettist auf den Bühnen des Landes. Mit dem Festival "liederlich" gastiert er nun auch mal wieder im Thurgau. Wir haben vorab mit ihm darüber gesprochen wie seine Lieder entstehen und warum er niemals hochdeutsch singen würde.  

Interview: Michael Lünstroth

Herr Zeller, was genau ist eigentlich ein Liedermacher?

Meine Grunddefinition geht so: Ein Liedermacher ist jemand, der seine Lieder selbst schreibt und sie auch interpretiert.

Der Liedermacher hat zuletzt unter dem englischen Begriff Singer/Songwriter Karriere auch in den weltweiten Charts gemacht. Schon mal überlegt, aus dem Liedemacherfestival ein Singer/Songwriterfestival zu machen?

Nein, nie. Ich weiss, das Liedermacherei alles andere als hip klingt, aber mir käme es nie in den Sinn einen deutschen Liedermacher als Singer/Songwriter zu bezeichnen. Da ist jemand, der singt deutsch, warum sollte ich dafür einen englischen Namen verwenden? Das passt schon rein sprachlich für mich nicht. Dazu kommt auch: Singer/Songwriter ist für mich auch etwas anderes. Da steht oftmals die Musik im Vordergrund. Mir sind aber die Texte viel wichtiger. Ich sage immer - lieber laue Musik, als laue Texte.

Ist es das, was den Liedermacher auch vom „normalen“ Musiker unterscheidet?

Ja, in der Regel steht da die Musik im Vordergrund und einen Text braucht es halt auch irgendwie noch. Bei den Künstlern, die bei unserem Festival auf der Bühne stehen ist es gerade umgekehrt. Es gibt eine Idee, ein Thema, dann entsteht der Text und später wird Musik drauf gelegt.

Sie selbst singen in Mundart. Funktioniert Liedermacherei im Dialekt besser?

In der Schweiz gibt es einfach eine Riesentradition von Liedermachern, die auf Mundart singen. In dieser Tradition bin ich aufgewachsen, es käme mir gar nicht in den Sinn Texte auf hochdeutsch zu schreiben. Ich bin ein Fan davon, dass die Leute in der Sprache singen, die ihnen aus dem Mund gewachsen ist. Ich kann mich im Dialekt auch viel besser ausdrücken.

Wenn Sie an einem neuen Programm oder einem neuen Lied schreiben - woher nehmen Sie die Themen?

Ich habe drei Zugänge zu meinen Texten. Zum einen bin ich ein leidenschaftlicher Beobachter. Ich setze mich irgendwohin und gucke den Leuten zu. So entstehen oft kleine Geschichten und Skurrilitäten. Neuerdings versuche ich mich auch daran, Geschichte im Sinne von Historie in Liedern zu verpacken. Ist ganz spannend, wie man diese Geschichte in Liedern und Liedgeschichten unterbringen kann. Und der dritte Weg geht über Themen, die mich bewegen. Das können politische Themen sein zu denen ich ein Statement abgeben möchte oder auch so ganz einfache Dinge, die mich beschäftigen wie jetzt gerade ein Hausbau. Bei allen drei Ansätzen ist es mir immer wichtig, dass es Themen sind, die jeden betreffen können.

Wie geht es von der ersten Idee zum fertigen Text weiter?

Meistens fange ich dann einfach erstmal an. Ich schreibe in 10 bis 15 Minuten die ersten beiden Strophen. Wenn ich merke, da ist etwas, das flutscht, dann schreibe ich das Lied zu Ende. Danach feile ich daran, spreche mit meinem Textcoach Paul Steinmann darüber. Gemeinsam entwickeln wir dann einen Leitfaden. Und zum Schluss kommt dann die Musik dazu.

Wie ist das Festival „liederlich“ entstanden?

Die Anfänge liegen im Kursaal von Engelberg. Der Kurdirektor hat damals gesagt, er hätte gerne ein Liedermacherfestival. Da hab ich gesagt, kann ich machen. Der Auftakt war aber eher mau, es kamen auch nicht so viele Zuschauer. Wir haben irgendwann gemerkt, dass es nicht so gut funktioniert, wenn wir alle nacheinander auftreten. Es gab dann die Idee, gemeinsam auf die Bühne zu gehen. Daraus ist eine Energie entstanden, die das Projekt bis heute getragen hat.

Video: Reto Zeller als Moderator des Festival Liederlich:

Wer entscheidet über die Auswahl der Künstler?

Das mache ich. Immer nach der Formel 3+1: Drei reine Liedermacher werden durch einen etwas schrägen Act ergänzt. In diesem Jahr sind das „Les Papillons“, die keine eigenen Songs vortragen, sondern Songs aus unzähligen Musikzitaten zusammenweben. Man staunt wie sie es schaffen, Deep Purple in Mozart aus- und gleichzeitig Udo Jürgens über einen Umweg bei Chopin und Sting anklingen zu lassen.

Wie läuft so ein Abend bei „liederlich“ dann ab?

Ich moderiere den Abend. In der ersten Hälfte treten die Künstler nacheinander etwa 15 Minuten auf und jeder darf machen, was er möchte. In der zweiten Hälfte stehen wir dann alle gemeinsam auf der Bühne. Hier gibt es zwar auch ein Grundgerüst für den Ablauf, aber immer wieder entsteht auch manches ganz spontan. Das sind alles sehr gute Künstler, die da auf der Bühne stehen, das macht es leichter. Die Show stürzt nie ab. Entweder wird es einfach ein guter Abend oder es wird eine wunderbare Show, die man so schnell nicht vergisst.

Liederlich 2017: Fabian Lau, Markus Schönholzer und Les Papillons stehen am 4.November gemeinsam mit Reto Zeller auf der Bühne

 Liederlich 2017: Fabian Lau, Markus Schönholzer und Les Papillons stehen am 4.November gemeinsam mit Reto Zeller auf der Bühne. Bild: Veranstalter

Video: Trailer zum Programm des Liederlich 2017

Termine & Orte: Das Festival Liederlich gastiert in acht Städten. Premiere ist am Dienstag, 31. Oktober, in Zug. Weitere Auftritte folgen in Winterthur, Schwyz, Dübendorf, Lachen, Zürich und Uznach. Am Samstag, 4. November, machen die Liedermacher Station im Eisenwerk in Frauenfeld (siehe Link unten). Tickets für alle Termine gibt es unter www.liederlich.ch 

 

www.liederlich.ch

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