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von Sascha Erni, 30.03.2021

Mit rotem Ausweis zu mehr kultureller Teilhabe

Mit rotem Ausweis zu mehr kultureller Teilhabe
Mit der KulturLegi möchten die Caritas-Organisationen die kulturelle Teilhabe fördern. | © zVg

Auch Menschen, die von Armut betroffen sind, haben ein Anrecht auf kulturelle Teilhabe. Das Angebot «KulturLegi» der Schweizer Caritas-Organisationen möchte das möglich(er) machen. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)

Günstiger ins Museum oder an Konzerte, weniger Kosten für Tanz- oder Sprachkurse, billigere Zeitungen oder Zugang zu Sport und Freizeit – das Päckchen, das die Schweizer Caritas-Organisationen mit der KulturLegi schnüren, ist gross. Damit möchte die Caritas die Einbindung von Armutsbetroffenen ins gesellschaftliche Leben fördern und der sozialen Isolation entgegenwirken.

Ihren Ursprung fand die Idee 1996 in Zürich, heute betreiben 14 regionale Caritas-Organisationen KulturLegis. Seit 2016 gibt es den Ausweis im Thurgau, mit Stand 2020 nehmen 988 Menschen das Angebot in Anspruch. Finanziert wird die KulturLegi vollumfänglich durch Spenden und Partnerschaften.

Einen Teil der Kosten tragen die teilnehmenden Betriebe und Vereine selbst, erklärt Salome Kern, Projektleiterin bei der Caritas Thurgau. Denn mit ihren vergünstigten Angeboten spenden diese quasi einen Teil ihrer Einkünfte.

Vielfältiges Angebot

Die Ermässigungen durch die KulturLegi belaufen sich in der Regel auf 30 bis 70 %. Im Kanton Thurgau stehen zur Zeit 116 Angebote zur Verfügung, vom Frauenfelder Schlosskino und den städtischen Freizeitanlagen über das Theaterhaus Thurgau in Weinfelden bis hin zu Hotelübernachtungen ist das Angebot breit aufgestellt.

Besonders wertvoll findet Salome Kern die Zusammenarbeit mit der Migros-Klubschule Ostschweiz, dem Bildungszentrum Wirtschaft Weinfelden und der Sprachschule der Academia Integration, denn diese bieten mit der KulturLegi vergünstigte Deutschkurse an. «Es ist für Personen mit Migrationshintergrund und knappem Budget definitiv von Vorteil, denn sie können damit günstig Deutsch lernen», so Kern. In diesem Bereich erhielte die Caritas Thurgau besonders oft positive Rückmeldungen.

Eine Frage des persönlichen Budgets

Aber wie kommt man an eine KulturLegi? Grundsätzlich berechtigt sind laut Salome Kern Menschen, die Ergänzungsleistungen oder Sozialhilfe beziehen oder von Lohnpfändungen betroffen sind. Aber auch Personen mit geringem Einkommen, sogenannte «Working Poor», hätten Anspruch auf die kulturellen Vergünstigungen.

In diesem Fall berechnet die Caritas das individuelle Budget der Antragsstellenden. Bleiben nach Abzug von Krankenkassen-Prämien und Miete noch unter 1600 Franken vom Einkommen, besteht Anspruch. Der Antrag lässt sich on- und offline stellen und ist für Interessenten kostenlos.

Wie viele Frauenfelder Kulturbetriebe akzeptiert das Cinema Luna sowohl die KulturLegi als auch den städtischen Kulturgutschein. Bild: Sascha Erni

Manche machen mehr

Die meisten Thurgauer Gemeinden sind Partner der KulturLegi und unterstützen das Projekt mit 150 bis 300 Franken im Jahr. Die Stadt Frauenfeld geht noch einen Schritt weiter, wie Christof Stillhard erzählt. Frauenfeld sei mit den Angeboten wie etwa den Sportanlagen bei der KulturLegi vertreten, erklärt der Leiter des Amts für Kultur, zusätzlich setze die Stadt auf einen Kulturgutschein.

Erhältlich im Rathaus und am Bahnhof sind die Gutscheine 20 Prozent vergünstigt und können in den meisten kulturellen Institutionen eingereicht werden, vom Eisenwerk übers Kaff bis zum Cinema Luna. «Der Kulturgutschein funktioniert wie Bargeld», sagt Stillhard. Nachdem die Gutscheine eingelöst sind, erhalten die Kulturbetriebe den Differenzbetrag von der Stadt vergütet. «Wir unterstützen also einerseits diejenigen, die knapp bei Kasse sind, weil sie zum Beispiel ein Konzert für 40 statt 50 Franken besuchen können», führt Christof Stillhard aus. «Andererseits fördern wir so auch die Kulturveranstalter selbst.»

Kultur als Menschenrecht

Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte schützt die Teilhabe am kulturellen Leben, auch der UN-Sozialpakt erwägt die kulturelle Teilnahme als schützenswert – Kultur ist also ein Grundrecht und darf auch Armutsbetroffenen nicht vorenthalten werden.

Stand 2019 waren in der Schweiz über 700’000 Menschen von Armut betroffen, weitere 1.3 Millionen gelten als armutsgefährdet. Rund 110’000 Menschen nutzen das KulturLegi-Angebot schweizweit. Für den Kanton Thurgau rechnet die Caritas mit rund 15’000 Menschen, die prinzipiell Anrecht auf die KulturLegi hätten, dazu komme die Dunkelziffer.

Sind die knapp 1000 Personen, die aktuell das Angebot annehmen, also bloss ein Tropfen auf dem heissen Stein? «Wir konnten gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs verzeichnen, aber das Angebot ist in der Breite tatsächlich noch nicht genug bekannt», antwortet Salome Kern. Es bleibe zu hoffen, dass sich das ändern wird.

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