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von Barbara Camenzind, 17.05.2021

Mit Wolferl in Fischingen

Mit Wolferl in Fischingen
Wenn die Musik zum Raum passt: Das Amadé Quintett und Mozart in Fischingen. | © Barbara Camenzind

Das Thurgauer Amadé Quintett begeisterte am Auffahrtsnachmittag sein kleines, gut unterhaltenes Publikum mit feinen Kammermusikklängen in der Bibliothek des Klosters. Mozart, der Expressionist Jean Cras, Camille Saint-Saëns und Schubert definierten die musikalische Strecke Salzburg-Paris-Wien. Eine gelungene Reise für die Ohren. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)

Wenn der Raum zur Musik passt, dann ist alles gut. Die leuchtenden Girlanden von Yvonne Brühwilers Flöte in Mozarts Quartett in D KV 285 verwoben sich mit dem zarten Rokoko in der Bibliothek des Fischinger Klosters. Mit Vroni Dünner, die für Julia Kräuchi-Girardet eingesprungen ist, Rahel Zellweger (Viola) und Eva Kuhn (Violoncello) gestalteten die vier Musikerinnen ihren Konzerteinstieg wie aus einem Guss. Es braucht nicht immer grosse Gesten. Spielen, was geschrieben steht. Das war einfach gut.

Zum Quintett des Expressionisten Jean Cras, der etwas mehr als hundert Jahre später als Mozart lebte, gesellte sich Julia Kreyenbühl an der Harfe dazu. Der komponierende Marineoffizier und  Konteradmiral (was es nicht alles gibt in der Musikgeschichte) schuf in seiner Freizeit eine farbenprächtige Miniatur, die absolut hörens- und liebenswert ist.

Das Wasser, die Wellen, war das Element des Franzosen und bestimmte auch seine Musik. Sensationell die Bratschenstimme, von Rahel Zellweger sehr schön ausgearbeitet, die diesem Werk eine besondere Note verlieh. Im „assez lent“ war das „sehr langsam“ vielleicht etwas zu gut gemeint und es fehlte etwas der rote Faden, den die fünf Damen aber im bewegten „très animé“ sofort wieder aufgriffen.

Auch eine Art Wassermusik

Wo Schiffe auf den Wellen gondeln, dürfen auch die Schwäne nicht fehlen. Nein, nicht Lohengrin, nicht Schwanensee, natürlich gab sich Camille Saint-Saëns’ Cygne die Ehre, im Arrangement für Harfe und Violoncello. Tadellos musiziert von beiden, zog Cellistin Kuhn warmtönende, tief empfundene Klangbögen.

Da ein berühmtes Stück nicht reichte, gab es einen Nachschlag. Mozarts Andantino aus dem Konzert für Harfe und Flöte KV 299, liebevoll arrangiert von Leo Geschwend, klingt auch kammermusikalisch besetzt sehr hübsch. So ist das mit guter Musik. Die fünf Frauen wählten wohl bewusst die sehr ruhige Form, um dem Zuspiel von Harfe und Flöte den nötigen Raum zu geben. Amadeus-Amadé - der Gottlieb(ende): Das Thurgauer Quintett erwies ihrem Namensgeber die Ehre.

Wenn in Fischingen ein Quintett spielt, dann....richtig, darf natürlich eine nicht fehlen: Die unverwüstliche, aber betrogene Forelle, komponiert vom Wiener Hilfsschulmeister Franz Schubert aus dem Alsergrund im neunten Wiener Bezirk. Die posthum erschienenen Variationen, wiederum von Leo Gschwend für das Amadé Quintett arrangiert, bildeten den launigen Abschluss des Nachmittagskonzertes.

Schuberts Forelle hat auch etwas Tückisches

Jeder kennt die eingängige Melodie des Liedes und ja, tückisch ist nicht nur der Fischer mit der Rute, sondern auch Schuberts geniale Komposition. Da und dort hätte es wohl angestanden, innerlich etwas mehr mitzusingen, um das Thema noch etwas deutlicher herauszustellen. Aber die Frauen schlugen sich ganz tapfer durch die schwierigen Tongirlanden und es gelang ein stimmiges Ganzes.

Eine Überraschung bot die Zugabe: Philipp Kreyenbühl, Oboist, Komponist und Ehemann der Harfenistin schuf eine eigene Forellenvariation. Vom amüsierten, charmant-boshaften Zuschauerblick den Schubert wählte, stellte er sich auf die Seite des betrogenen Fisches.

Eine elegische Paraphrase mit flächigen Klangkaskaden, geschickt eingeflochtenen Zitaten und ganz coolen freitonalen Passagen. Dem Franz hätte dieser Tiefgang sicher gefallen. Von Kreyenbühl bitte mehr, wertes Amadé Quintett. Und danke sehr für den vergnüglichen Nachmittag.

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