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von Brigitta Hochuli, 22.12.2011

Sparopfer Kultur? Für die Not ist vorübergehend vorgesorgt

Sparopfer Kultur? Für die Not ist vorübergehend vorgesorgt
René Munz, Chef des Amtes für Kultur im Departement für Erziehung und Kultur des Kantons Thurgau. | © pd

Die Ausgabenbremse des Kantons Thurgau treffe auch die Kultur, sagt Amtchef René Munz. Für Projektbeiträge seien aber für schwierige Zeiten Reserven aufgebaut worden.

Interview: Brigitta Hochuli

Herr Munz, Der Kanton muss sparen. Das Budget 2012 wurde vom Grossen Rat um 7 Millionen Franken gekürzt. Gespart werden soll unter anderem in der Bildung. Es könnte bald auch die Kultur treffen. Jedenfalls befürchtet es die SP. Ist das so?

René Munz: Selbstverständlich wird das Kulturamt mit seinen fünf Museen nicht von den Sparvorgaben ausgenommen. Gespart werden muss dort, wo keine gesetzlich verbindlichen Zahlungsvorgaben bestehen.

Also zum Beispiel beim Personal der Kantonalen Verwaltung. Trifft es auch das Kulturamt? Wie sieht Ihr Personalbestand überhaupt aus - ist er ausreichend?

René Munz: Wie gesagt, von Sparübungen wird grundsätzlich niemand ausgenommen. Und grundsätzlich stelle ich fest, dass die personellen Ressourcen im Kulturamt nicht wirklich ausreichend sind, gemessen an den Aufgaben, die wir zu leisten haben. Wir suchen deshalb nach Möglichkeiten, wie wir diese Aufgaben reduzieren können.

Kultur wird ja über zwei Schienen finanziert - über das Budget und aus dem Lotteriefonds. Wie sieht das Ausgabenverhältnis aus?

René Munz: Zu mehr als Zweidritteln werden die Ausgaben für Kultur aus der Staatsrechnung finanziert, der Rest kommt aus dem Lotteriefonds. Insgesamt sind es rund 28 Millionen Franken. Zu beachten ist, dass sowohl für den Natur- und Heimatschutzfonds, also die Denkmalpflege, als auch für die Kulturstiftung des Kantons Thurgau Mittel aus dem Lotteriefonds entnommen werden. Da verschiedene Rechnungssysteme im Verlauf der Jahre geändert wurden, sind nicht alle Zahlen direkt miteinander vergleichbar. Bis circa 2006 zum Beispiel wurden Leistungsvereinbarungen aus der Staatsrechnung bezahlt, aber aus dem Lotteriefonds zum Teil indirekt wieder refinanziert.

Wer hat in den letzten Jahren am meisten profitiert?

René Munz: Die grösste Ausgabensteigerung ist bei den Musikschulen festzustellen - dank entsprechender Gesetzesänderungen durch den Grossen Rat. Die Beiträge an die Musikschulen sind aber Bestandteil der Rechnung des Amtes für Volksschule und nicht des Kulturamtes.

Grosse Auslagen stehen langfristig bei Projekten für das Historische und das Kunstmuseum bevor. Wird dafür überhaupt je Geld zur Verfügung stehen?

René Munz: Die Möglichkeiten für eine Entwicklung des Historischen Museums werden derzeit geprüft. Es fehlen dem Museum Räume für Sonderausstellungen, für Ausstellungen zur Geschichte des Kantons Thurgau ab 1798 sowie Räume für eine zeitgemässe Vermittlungsarbeit. Was schliesslich geplant oder gar umgesetzt werden kann, ist völlig offen. Selbstverständlich braucht es aber irgendwann einen politischen Entscheid zur Frage, ob man im Thurgau ein Historisches Museum als Kompetenzzentrum für die Vermittlung der Geschichte will und braucht. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Die Bewahrung historischer Kulturgüter und auch die kompetente Geschichtsvermittlung sind im Thurgau sicher kein Luxus.

Und das Kunstmuseum?

René Munz: Beim Kunstmuseum sieht es etwas anders aus. Hier ist die Stiftung Kartause Ittingen als Bauherrin an einer Museumserweiterung interessiert. Sie könnte als eigenständige Trägerschaft unter anderem auch aus dem Lotteriefonds unterstützt werden. Im Moment sind Ressourcen verfügbar - aber der Kostenrahmen muss ja noch abgeklärt werden. Allerdings bräuchte es auch für den Betrieb der Museen in Ittingen, die doch eine sehr positive Ausstrahlung in die ganze Bodenseeregion und auch in die übrige Schweiz haben, entsprechende Ressourcen für den Betrieb. Auch dafür braucht es ein politisches Commitment, das kann und darf nicht aus dem Lotteriefonds finanziert werden.

Wie sieht es mit dem jährlichen Betrag von 1,1 Millionen Franken an die Kulturstiftung aus?

René Munz: Die Kulturstiftung erhält selbstverständlich die im Kulturkonzept festgehaltenen Gelder.

Ein viel beachtetes Projekt ist das Kulturportal www.thurgaukultur.ch, das bis auf Ende 2012 angelegt ist. Hat es vor dem Hintergrund der Sparmassnahmen danach eine Chance, weiter finanziert zu werden?

René Munz: Ein Entscheid zum Kulturportal muss nächstes Jahr gefällt werden. Grundsätzlich wird das Projekt sehr begrüsst. Es müssen aber dringend technische und strukturelle Verbesserungen gemacht werden können, um das Portal erfolgversprechend weiterführen zu können.

Neben den genannten grossen Brocken werden dem Lotteriefonds viele kleine, aber für die Empfänger wichtige Beiträge entnommen. Haben sie künftig Kürzungen oder Streichungen zu befürchten?

René Munz: Nein. Aus jetziger Sicht gibt es keinen Grund, bei den Projektbeiträgen die Vergabepraxis zu ändern. Wir haben gezielt auch Reserven aufgebaut für schwierigere Zeiten.

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