Zu verkaufen: ein Schloss

Für Eugensberg, von Napoleons Stiefsohn erbaut und zuletzt von der gescheiterten Unternehmerfamilie Erb bewohnt, suchen die Konkursverwalter einen zahlungskräftigen Käufer.

Von Markus Schär

Rolf Erb war kein geborener Unternehmer, sondern ein verhinderter Kunsthistoriker. Als Schlossherr auf Eugensberg kümmerte er sich mit Herzblut und Sachverstand um das prunkvolle Anwesen über dem Untersee, das der Stiefsohn von Napoleon, Eugène de Beauharnais, bis 1824 erbaut und das der Arboner Industrielle Hippolyt Saurer von 1915 bis 1936 bewohnt hatte. 1990 kaufte die Winterthurer Familie Erb das Schloss, das damals im Leerstand verlotterte, nachdem es der Diakonie-Verband Ländli vierzig Jahre lang als Erholungsheim für Senioren und Kriegswitwen genutzt hatte. «Wir retteten das wertvolle Kulturgut mit mehr als zwanzig Millionen Franken vor dem Ruin», rühmte sich Rolf Erb. «Dies taten wir nicht nur für uns, sondern für die kommenden Generationen und auch für den Kanton Thurgau.»

Die Erb-Gruppe, aus einer Autogarage zu einem der grössten privaten Konzerne des Landes herangewachsen, brach allerdings 2003, kurz nach dem Tod von Patron Hugo Erb, unter ihrem milliardenschweren Schuldenberg zusammen. Rolf Erb, der mit seiner Familie auf Eugensberg wohnte, hatte das Schloss kurz zuvor seinen einjährigen Zwillingssöhnen überschrieben. Er stritt deshalb jahrelang mit den Gläubigervertretern, die ihn zum Auszug zwingen wollten, in einer Auseinandersetzung, die gemäss dem Anwalt Matthias Hotz «Hunderte von Bundesordnern und Tausende von Urteilsseiten» füllt.

Diashow: So sieht es im Schloss Eugensberg aus

«Eine Rarität unter den Luxusliegenschaften», rühmt der Makler

Kurz bevor er eine Gefängnisstrafe wegen seiner Wirtschaftsdelikte hätte antreten müssen, starb Rolf Erb im April 2017; wenige Monate später zog seine Frau mit den beiden Söhnen aus. Das Konkursamt des Kantons und die Gläubigeranwälte konnten also endlich den Verkauf einleiten. Jetzt steht die «echte Rarität unter den Luxusliegenschaften in der Schweiz» im Angebot, auch international. Bei der Präsentation nutzten Dutzende von Journalisten die Gelegenheit, einen Blick in das Schloss mit seinen stilvollen Interieurs zu erhaschen und Antworten auf viele Fragen zu bekommen:

Was steht zum Verkauf? «Eines der grössten Schlösser der Schweiz», weiss Claude Ginesta, der dank seiner Erfahrung mit solchen Liegenschaften den Maklerauftrag gegen drei Konkurrenten gewonnen hat. Ein roter Teppich führt die Interessenten zur Liegenschaft, vorbei am 900 Quadratmeter grossen Pool, wo Löwen- und Wildsau-Statuen wachen: «Das finden Sie sonst kaum irgendwo.»

Das Schloss selber bietet sechs Repräsentationsräume im Erdgeschoss, elf Schlafzimmer, fünf Bäder und eine 200 Quadratmeter grosse Wohnung im Dachgeschoss, wo die Familie lebte – alles schon von Hippolyt Saurer und wieder von Rolf Erb mit exquisiten Sammlerstücken dekoriert, vom Gewehr von Napoleon III, der auf dem benachbarten Arenenberg aufwuchs, über den Intarsiensekretär seiner Mutter Hortense bis zu den vergoldeten Sitzmöbeln aus der Manufaktur von Louis XVI in Versailles. «Ein Rundgang durch das Haus kann Stunden dauern», schwärmt der opulente Band «Eugensberg. Ein Schloss und 2500 Jahre Geschichte»: «Es gibt viel zu sehen, und der Hausherr kennt Vergangenheit und Herkunft seiner Schätze.»

Dazu kommt die prächtige Umgebung mit Blick auf den Untersee. «Andere Schlösser haben einen grossen Garten», sagt Claude Ginesta. Zum «Gesamtkunstwerk Schloss Eugensberg» aber gehören insgesamt 81 Hektaren, also ein mehr als hundert Fussballfelder grosses Grundstück: ein Landwirtschaftsbetrieb, ein Bauplatz auf dem Aussichtspunkt Sandegg, ein Badehaus direkt am See und Wälder mit grossen Privatweihern. «Wo immer Sie hinschauen», lockt Claude Ginesta die Interessenten, «das Land gehört Ihnen.»

Einblick in das Innere des Schlosses Eugensberg. Das gesamte Schloss bietet 6 Repräsentationsräume, 11 Schlafzimmer, 5 Bäder und eine 200 Quadratmeter grosse Wohnung im Dachgeschoss. Bild: Ginesta Immobilien

Der genaue Preis bleibt geheim, er soll aber über 25 Millionen liegen

Was kostet die Liegenschaft? Für das «Gesamtkunstwerk» gibt es wohl kaum mehr einen Käufer. Deshalb stehen die einzelnen Teile im Angebot, so das Badehaus für mindestens 1,05 Millionen, der Gutshof für 3,56 Millionen und der Landwirtschaftsboden, wo der Staat den Preis kontrolliert, für 2,38 Millionen. Den Preis für das Schloss will der Makler nicht verraten – nur so viel: Der Angebotspreis liege «über 25 Millionen», museumswürdige Ausstattung inklusive. «Ein Schlossbesitzer», meint Claude Ginesta, «wird Freude daran haben.»

Angesichts der Millionen, die die Familie Erb in Renovation und Interieurs, in Poolanlage oder Autohalle steckte, mag der Preis als Schnäppchen erscheinen. Allerdings ist der Unterhalt nicht zu unterschätzen. Zu den besten Zeiten der Familie sorgten zehn Leute dafür. Mit einem Aufwand von mindestens einer bis zwei Millionen im Jahr müsse ein Besitzer rechnen, warnen Experten. Deshalb winkte der Regierungsrat ab, als ihn Kantonsräte aufforderten, einen Kauf zu prüfen: Angesichts der Finanzlage des Kantons sei das «keine Option».

Wo findet sich ein Käufer? Es gebe zwei Haarnadelkurven und eine siebenhundert Meter lange Kastanienallee für die Rennfahrer, die sich gerne in der Gegend ansiedeln, oder auch einen Rasenplatz mit Flutlicht für einen Tennisstar, scherzt Claude Ginesta. Der Makler zeigt sich guten Mutes. Zwar fallen viele zahlungskräftige ausländische Käufer weg: Die Russen fühlen sich in der Schweiz nicht mehr willkommen, die Saudis und die Katarer schätzen nicht einmal die Pauschalbesteuerung. Aber er sehe durchaus Interessenten für eine solche «Trophy-Liegenschaft»: Es gebe immer noch Leute, die sich gerne mit einer solchen Adresse schmücken.

Wer wollte hier nicht abtauchen? Am 900 Quadratmeter grossen Pool wachen Löwen- und Wildsau-Statuen. Bild: Ginesta-Immobilien

Eine Liste mit potenziellen Interessenten steht seit Monaten

Jedenfalls steht schon seit Monaten eine Liste mit Interessenten. Die Verkäufer sprechen von einer «Schweizer Persönlichkeit aus der Region» oder auch einem Unternehmen, das die Anlagen à la UBS (Wolfsberg) oder Walter Reist Holding (Lilienberg) für Schulung und Selbstdarstellung nutzt. Als die Journalisten nach der Medienkonferenz abziehen, fahren denn auch schon die Interessenten mit Mercedes, Porsche und Maserati an.

Was bringt der Verkauf den Gläubigern? Als die Erb-Gruppe, vor allem aufgrund von unglücklichen Investitionen in ostdeutsche Immobilien-Projekte, in den Abgrund schlitterte, bürgte die Familie privat für ihre Schulden. Das führte dazu, dass Rolf Erb bei seinem Privatkonkurs im Sommer 2004 mit mehreren Milliarden in den roten Zahlen stand. Um etwas in dieses Loch zu schütten, kämpften die Gläubigervertreter wie Matthias Hotz in den letzten vierzehn Jahren. Mit dem Ergebnis ihrer Verkaufsbemühungen zeigen sie sich zufrieden – ein zweistelliger Millionenbetrag, dank der Schlossanlage als letztem Objekt soll nochmals ebenso viel dazukommen.

Allerdings frisst der Aufwand der Liquidatoren einen grossen Teil davon weg. Also drohen Milliardenabschreiber für die Schuldner, wie etwa die Stadt Winterthur, den Kanton Zürich oder auch die Thurgauer Kantonalbank. Aber immerhin bleibt – auch dank dem verhinderten Kunsthistoriker Rolf Erb – voraussichtlich dem Thurgau ein prächtiges Schloss erhalten.

Herrschaftlich: Eines der fünf Bäder auf Schloss Eugensberg. Bild: Ginesta Immobilien

Gehört auch zum Anwesen von Schloss Eugensberg: Ein Badehaus direkt am See. Bild: Ginesta Immobilien

Schlossherr gesucht: Auf Eugensberg werden diverse Zimmer frei. Bild: Ginesta Immobilien