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von Inka Grabowsky, 04.01.2016

Der Abzählreim zum Tod

Der Abzählreim zum Tod
Thomas Grampp, Loretta Giacopuzzi Schätti und Bruno Höck in einer Interpretation des Agatha Christie-Klassikers. | © Inka Grabowsky

 

Die Bühni Wyfelde präsentiert diesen Januar Agatha Christies „10 kleine Engelein“. Die Laientruppe leistet wieder einmal professionelle Arbeit.

Inka Grabowsky

Seit dem Sommer hat das zehnköpfige Ensemble unter der Leitung von Eva Mann geprobt. „Es sind bestimmt 250 Arbeitsstunden allein von mir in die Vorbereitung geflossen“, sagt die junge Regisseurin. Damit bewege man sich im üblichen Rahmen: „Es gibt im Theater eine Daumenregel: Pro gespielter Minute rechnet man eine Stunde Probenzeit.“

Hinten von links nach rechts: Kurt Lauper, Heinz Wiederkehr und Eliane Novelli. Vorne von links nach rechts: Benjamin Heutschi, Maja Rahm und Beni Manser. (Bilder: Inka Grabowsky)

Der Aufwand hat sich gelohnt: Die Truppe zeigt eine annähernd perfekte Inszenierung des Erfolgsstücks von Agatha Christie. Ganz leicht haben sie die bekannte Geschichte aus dem Jahr 1939 für sich angepasst. Das merkt man vor allem am Titel: Offiziell heisst das Stück „Und dann gab’s keines mehr“. „Das war uns zu wenig aussagekräftig“, so die Produktionsleiterin Marta Wechsler. „Also haben wir den Titel des Kinderlieds übernommen, das im Stück die tragende Rolle spielt.“

 

Täter und Opfer zugleich

Der Abzählreim, der seit rund 150 Jahren dazu dient, eine Gruppe von Zehn auf Null zu dezimieren, ist das Gerüst, an dem sich die Kriminalgeschichte entlangwindet. In schneller Folge wird sowohl im Lied wie auch auf der Bühne gestorben. Und auch wenn es dabei ausgesprochen blutrünstig zugeht, entsteht viel Situationskomik. Gruseln, Lachen und tiefsinnige Überlegungen liegen dicht nebeneinander. Schnell wird klar, dass unter der wohlanständigen Fassade aller Figuren jeweils ein Mensch steckt, der eine schwere Schuld auf sich geladen hat. Jede der Figuren ist Täter und Opfer zugleich. Die Justiz konnte sie nicht zur Rechenschaft ziehen. Ein einsamer Rächer will das nachholen.

Regisseurin Eva Mann: „Es sind bestimmt 250 Arbeitsstunden allein von mir in die Vorbereitung geflossen.“

Besetzungs-Tetris als Erfolgsgeheimnis

„Es sind zehn sehr interessante Figuren“, sagt Eva Mann. „Davon lebt das Stück.“ Zu Beginn der Probenarbeit habe jeder der interessierten Mitspieler beim gemeinsamen Lesen herausgefunden, welche Charaktere er verkörpern könne und welche ihm überhaupt nicht lägen. „Die endgültige Besetzung ist dann wie das Tetris-Computer-Spiel“, so Mann. „Man kombiniert, überlegt und verhandelt, bis alles passt.“ Bei der Aufführung fällt auf, dass jeder der Schauspieler auch dann in seiner Rolle bleibt, wenn er nur als Statist im Hintergrund der Bühne agiert. Das Spiel ohne Text funktioniert perfekt.

Kalt, hungrig und müde: Thomas Götz.

 

Zerbrechliche Waffel-Figurinen

Grossen Anteil an der überzeugenden Wirkung hat das Team hinter den Kulissen. Joel Blaser und Günther Engeler sorgen für passende Licht- und Toneffekte. Das Bühnenbild von Peter Affentranger und die Ausstattung von Natalie Péclard sind gut durchdacht. Die beiden schufen nicht nur eine Welt, in der sich die Schauspieler leichter in ihre Rollen hineinfinden konnten, sondern setzten ihre eigenen Akzente. Auf die Idee, Figurinen der zehn gefallenen Engelein aus zerbrechlichen Waffeln zu basteln, muss man erstmal kommen!

Fünf von zehn kleinen Engeln.

 

Aufführungen im Theaterhaus Thurgau in Weinfelden am 3., 8., 9., 10., 15., 16., 17., 22., 23., 24., 28., 29. und 30. Januar. www.buehniwyfelde.ch

 

10 kleine Engelein

 

Zehn kleine Engelein, die tranken ein Glas Wein

Das erste, das verschluckte sich, da waren’s nur noch Neun.

Neun kleine Engelein, die schliefen in der Nacht.
Eines wachte nicht mehr auf, da waren’s nur noch Acht.

Acht kleine Engelein, die suchten rote Rüben.
Eines blieb allein zurück, da waren’s nur noch Sieben.

Sieben kleine Engelein, die trafen eine Hex.
Sie winkte eines mit der Axt, da waren’s nur noch Sechs.

Sechs kleine Engelein, die gingen ohne Strümpf.
Das eine auf ne Schlange trat, da waren’s nur noch Fünf.

Fünf kleine Engelein, die irrten in der Tür.
Das eine in die Falle lief, das waren’s nur noch Vier.

Vier kleine Engelein, die hörten das Geschrei
der Möwen, und sie folgten ihm, das waren’s nur noch Drei.

Drei kleine Engelein, die trieben Wilderei.
Das eine frass ein wilder Bär, da waren’s nur noch Zwei.

Zwei kleine Engelein, die letzten des Vereins,
die gingen aufeinander los, da gab es nur noch Eins.

Ein kleines Engelein, das fürchtete sich sehr,
nahm einen Strick und hing sich auf, dann gab es keines mehr.

 

 

 

 

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