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7 Fragen an... Wilhelm Tell

7 Fragen an... Wilhelm Tell
Thomas Fritz Jung als Wilhelm Tell im Sommertheater 2017 auf dem Konstanzer Münsterplatz | © Ilja Mess/Theater Konstanz

Das Theater Konstanz geht mal wieder nach draussen: In diesem Sommer gibt es Schillers "Wilhelm Tell" auf dem Münsterplatz. 7 Fragen und Antworten zu dem Theaterereignis

Von Michael Lünstroth

Ein Dienstagabend in Konstanz. Auf dem sonst so zugigen Münsterplatz im Herzen der Altstadt suchen die Menschen vor alllem eines - etwas Schatten. Der Sommer ist da und lässt die Stadt schwitzen. Besonders das Ensemble des hiesigen Theaters, das in den Endproben für die Aufführungen des diesjährigen Freilichttheaters steckt. Die Bühne steht seit Wochen, geprobt wird in den Originalkulissen zur Originalspielzeit (also ab 19 Uhr) erst seit ein paar Tagen. Die lärmsensiblen Anwohner sollten geschont werden. Regisseurin Johanna Wehner sitzt entspannt auf ihrem Stuhl in der sechsten Tribünenreihe, eine Reihe vor ihr der Dramaturg Thomas Regensburger. Dann geht es los. "Es lächelt der See, er ladet zum Bade,/Der Knabe schlief ein am grünen Gestade." So lauten die ersten Sätze des Dramas. Die erste Hauptprobe des Konstanzer Sommertheaters beginnt. In sieben Fragen und Antworten erklären wir Ihnen alles, was Sie zu der Inszenierung und dem Stück wissen müssen.

1. Was kommt denn da auf die Bühne?

Mit Friedrich Schillers "Wilhelm Tell" wagt sich das deutsche Theater an einen urschweizerischen Stoff. Historischer Hintergrund ist der auf 1291 datierte Zusammenschluss der drei Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden gegen Habsburg. Obwohl die beliebten Legenden Apfelschuss, Rütli-Schwur und Gesslerhut nicht belegt sind, sind sie Teil der Geschichte. Wie Schiller auf den Stoff aufmerksam wurde und welche Rolle Johann Wolfgang von Goethe dabei spielte ist nicht ganz klar. Aber die Tell-Sage gehörte im 18. Jahrhundert zum allgemeinen Bildungsgut. Insofern dürfte Schiller damit vertraut gewesen sein. "Wilhelm Tell" blieb übrigens sein letztes vollendetes Drama.

2. Worum geht es?

Wie gesagt, es ist die Dramatisierung eines historischen Ereignisses. Die Schweizer leiden unter der Gewaltherrschaft der Habsburger, aus allen drei Ur-Kantonen gibt es Klagen über das herrschende Regime. Aus Angst wird Ärger wird Wut - der Widerstand ist geboren. Das Volk beschliesst die Tyrannei Habsburgs gemeinsam zu brechen. Nur Wilhelm Tell will sich raushalten. In einem Brief an August Wilhelm Iffland vom 5. Dezember 1803 hat es Friedrich Schiller selbst so erklärt: "Tell steht ziemlich für sich in dem Stück, seine Sache ist eine Privatsache, und bleibt es, bis sie am Schluss mit der öffentlichen Sache zusammengreift." Und tatsächlich: Erst nachdem ihn der Reichsvogt Hermann Gessler zwingt, mit der Armbrust auf seinen eigenen Sohn zu zielen, greift Wilhelm Tell ins Geschehen ein.

3. Worum geht es wirklich?

Natürlich ist das auch die Geschichte, wie Tyrannei früher oder später zu Widerstand und Rebellion führt. Es geht aber um viel mehr: Ab wann ist Gewalt als Mittel der Problemlösung zu rechtfertigen? Ist Gewalt jemals zu rechtfertigen? Und: Unter welchen Bedingungen wollen beziehungsweise können wir eigentlich leben?

Sylvana Schneider (Landleut), Jörg Dathe (Werner Stauffacher), Georg Melich (Konrad Baumgarten), Arlen Konietz (Arnold von Melchthal), Julian Härtner (Ulrich von Rudenz), Tomasz Robak (Landleut), Odo Jergitsch (Walther Fürst) und vorne Andreas Haase (Werner Freiherr von Attinghausen)

4. Wer inszeniert das Stück?

Johanna Wehner. Alleine das wäre schon mal ein Argument, die Inszenierung anzuschauen. Die 36-Jährige hat das Talent, aus jedem noch so bekannten Stoff, doch nochmal etwas Neues, Anderes, Unerwartetes herauszufiltern. Für ihre Inszenierung von Schimmelpfennigs »Der goldene Drache«, am Staatstheater Stuttgart, wurde sie von dem Theatermagazin »Theater Heute« mehrfach als beste Nachwuchsregisseurin nominiert. Wehner ist bis Ende Juni noch Oberspielleiterin am Theater Konstanz. Mit dieser Arbeit verabschiedet sie sich wieder in die freiberufliche Tätigkeit als Regisseurin. Sie hat schon in Stuttgart, Frankfurt, Jena, Freiburg inszeniert. Sie wird ihren Weg weiter gehen. Demnächst wird sie unter anderem am Berliner Ensemble zu sehen sein. Johanna Wehner wurde 1981 in Bonn geboren. Während des Studiums der Philosophie und Germanistik in Bonn und St. Andrews, Schottland, begann sie mit ersten Inszenierungen in der freien Szene. Nach dem Staatsexamen folgte das Studium der Opern- und Sprechtheaterregie an der Bayerischen Theaterakademie »August Everding« in München

5. Kann man dem alten Stoff noch etwas Neues abgewinnen?

Gegenfrage: Muss es immer etwas Neues sein? Der Stoff an sich ist ja schon so stark, dass er auf die Bühne gehört. Aber klar, auch aus Schillers Klassiker - wurde übrigens am 17. März 1804 am Hoftheater Weimar uraufgeführt - kann man heutige Themen schälen. Regisseurin Johanna Wehner beschreibt das so: "Diese Inszenierung ist eine Art Resümee meiner Konstanzer Zeit, wo es auch um Ensemblegedanken und Wege der Zusammenarbeit geht. Es geht bei Tell ganz viel um Miteinander, Prinzipien, die einen oder entzweien, um Dynamiken, wodurch und wann man sich ändert. Um die Frage nach Rollen in einer Gesellschaft und was die an Möglichkeiten und Widrigkeiten, an Abgründen mit sich bringen, um die Frage, wie miteinander leben können/wollen/sollten." Auch wenn Wehner das Heutige des Stoffes nicht überbetonen will, so war es doch ein Grund, weshalb sie sich überhaupt für den Stoff interessierte. Es gehe um Gewinner und Verlierer, die am Ende gleichermassen isoliert seien. "Es geht doch vor allem darum, was Menschen zu welchen Mitteln treibt, welche Motive einen denken lassen, dass ein und dieselbe Strategie im einen Fall gerechtfertigt, im anderen aber unterdrückerisch sein soll. Jeder beruft sich auf ein Recht, das zwangsläufig eine Frage der Perspektive und innerhalb dieser natürlich immer das Richtige ist", so die Regisseurin.

Julian Härtner (Ulrich von Rudenz) und Laura Lippmann (Bertha von Bruneck)

6. Wann ist die Premiere?

Premiere ist am Freitag, 23. Juni, 19 Uhr. Weitere Aufführungen: 24./26./27./28./29./30. Juni. Insgesamt wird das Stück bis zum 27. Juli fast täglich gezeigt (alle Termine im Überblick gibt es hier). Die Aufführung dauert inklusive Pause rund 2 Stunden 20 Minuten. Karten (35 Euro) gibt es über die Internetseite des Theaters oder über die Telefonnummer +49 7531 900 150. Gespielt wird auf dem Münsterplatz inmitten der Konstanzer Altstadt. Es gibt Parkhäuser rund um die Altstadt verteilt. Wer es entspannter haben will, kann aber auch mit der Bahn anreisen. Vom Bahnhof Konstanz läuft man nur 10 Minuten zu Fuss zum Münsterplatz (siehe Plan unten).

7. Und was, wenn es regnet?

Gespielt wird grundsätzlich so lange es geht. Sollte es allerdings total regnen, wird die Vorstellung entweder von vorneherein abgesagt oder mittendrin abgebrochen. Wichtig zu wisssen: Die Zuschauertribüne ist nicht überdacht. Zuschauer können ihr Geld zurückbekommen, wenn die Aufführung vor Beginn oder vor der Pause abgesagt wird. 

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