von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 06.05.2024
Braucht der Thurgau eine stärkere Kulturlobby?
Ja, findet die IG Kultur Ost. Sie wollen eine Sektion mit Thurgauer Kulturschaffenden aufbauen. Ein erstes Treffen findet im Juni statt. IG-Kultur-Ost-Geschäftsstellenleiterin Ladina Thöny erklärt im Interview, was dort passiert und warum die IG so lange gebraucht hat, den Thurgau zu entdecken. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
Ladina, frei heraus gefragt: Warum braucht der Thurgau eine Kulturlobby?
Ladina Thöny: Der Thurgau hat absolut Bedarf an einem starken Kulturnetzwerk und Kulturpolitik. Zum Beispiel in der Diskussion über die Verteilung der Lotteriefondsgelder. Als ihr von thurgaukultur.ch über die Verschiebung der Gelder von der Kultur zum Sport berichtet habt, ist ja erstaunlicherweise vor allem nichts passiert. Es waren kaum Stimmen aus der Kulturszene vernehmbar, die sich dagegen gewehrt hätten. Wenn es aber keine Diskussion über solche Dinge gibt, dann wird die Kultur Stück für Stück an Geld und Bedeutung verlieren. Deshalb sehe ich eine absolute Dringlichkeit, das sich ein Netzwerk bildet, das sich proaktiv für Kultur einsetzt. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Debatte über die Museumsstrategie des Kantons Thurgau. Da werden Dinge von Seiten der Politik verkündet und es gibt keinerlei Austausch mit der Öffentlichkeit darüber. Das soll sich ändern.
Ihr seid als IG Kultur Ost gestartet, trotzdem wart ihr erstmal vor allem in St. Gallen aktiv. Warum habt ihr so lange gebraucht, den Thurgau zu entdecken?
Das hatte vor allem Ressourcengründe. Nach der Gründung 2019 ging es zunächst darum professionelle Strukturen aufzubauen. Mit der Einrichtung der Geschäftsstelle 2022 ist uns das gelungen. Danach mussten wir dann ehrlicherweise auch erstmal schauen, dort aktiv zu werden, wo bereits Finanzierungelder gesprochen waren. Und das war zunächst mal in St. Gallen. Das Thurgauer Kulturamt hat von uns ein konkretes Programm im Thurgau gefordert, ehe sie Gelder sprechen. Das haben wir auch verstanden. Mit den knappen Personalressourcen mit denen wir arbeiten (eine 60-Prozentstelle, d. Red.), mussten wir daraufhin priorisieren und auch überlegen - wo gibt es denn aktive Kulturschaffende, die Lust haben und die Notwendigkeit sehen, sich mit ihren Ideen in ihrem Kanton einzubringen. In St. Gallen und Appenzell-Ausserrhoden gab es da bislang mehr Stimmen als im Thurgau.
„Da werden Dinge von Seiten der Politik verkündet und es gibt keinerlei Austausch mit der Öffentlichkeit darüber. Das soll sich ändern.“
Ladina Thöny, Geschäftsstellenleiterin IG Kultur Ost (Bild: Nelly Rodriguez)
Aus St. Gallen geblickt - wie nehmt ihr das Thurgauer Kulturleben wahr?
Ich nehme den Thurgau als sehr spannenden Kultur-Standort wahr. Es gibt viele wichtige Kulturschaffende und Kulturinstitutionen, die meiner Meinung nach aber noch nicht ausreichend gesehen werden. Ich erlebe auch ein sehr diverses Kulturschaffen im Thurgau, das gefällt mir gut und soll die nötige Wertschätzung erhalten.
Wie konkret könnte eure Arbeit für den Thurgau aussehen?
Das hängt massgeblich von den Menschen ab, die sich in einer möglichen Thurgauer Sektion engagieren. Inhaltlich können und wollen wir das nicht vorgeben. Es muss sich immer an den Bedürfnissen orientieren, die es vor Ort gibt. Was wir aber können, und ich glaube darin sind wir gut, ist, Schnittstellen zu generieren und aufzuzeigen, wie man im Netzwerk zusammen mehr erreichen kann. Wir können auch eine gewisse Transformationskompetenz anbieten. Also Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden dabei helfen, sich für die Zukunft aufzustellen. Es ist absehbar, dass die Zeiten für Künstlerinnen und Künstler nicht leichter werden. In dieser Situation können wir beratend und unterstützend wirken, wenn das gewünscht wird.
„Wir können aufzeigen, wie man im Netzwerk zusammen mehr erreichen kann.“
Ladina Thöny, Geschäftsstellenleiterin IG Kultur Ost
Am 11. Juni soll es ein erstes Austauschtreffen geben - was erwartet die Teilnehmenden dort?
Aktive Menschen, die sich für die Kultur einsetzen. Einen Austausch auf Augenhöhe und in Wertschätzung, sowie die Gelegenheit, gemeinsam etwas aufzubauen für den Thurgau. Aber: Ich sage auch - die IG Kultur Ost alleine kann keine Probleme für andere lösen. Wir brauchen aktiv Mitwirkende.
Das heisst, die Teilnehmer:innen müssen raus aus einer Konsum- und Erwartungshaltung und rein in einen gestaltenden Aktivismus?
Absolut. Es braucht eine aktive Teilnahme der Menschen. Es braucht Aktivismus. Dann reden wir über anliegende Themen und Bedürfnisse. Wir diskutieren und schauen, was wir wie umsetzen können. Beziehungsweise an welchen Stellschrauben wir zunächst ansetzen wollen. Aus meiner Sicht wird es dabei auch um ganz „banale“ Dinge gehen, die allerdings von hoher Relevanz und Wichtigkeit sind. Zum Beispiel, Transparenz dafür zu schaffen, was Kultur eigentlich ist und warum eine Gesellschaft das braucht. Das stärker in die Politik und die breite Mitte der Gesellschaft zu tragen, wird eine Kernaufgabe in Zeiten knapper öffentlicher Mittel.
Und wenn’s gut läuft, gründet sich noch am Arbeit des 11. Juni die Sektion Thurgau?
Die Sektion Thurgau gibt es de facto bereits. Nun geht es um ihren Auf- und Ausbau. Jetzt fängt die Arbeit richtig an. Wir von der Geschäftsstelle stehen unterstützend zur Seite. Wir können unsere Lernerfahrung weitergeben, wir können administrativ helfen und unsere Plattform anbieten. Aber am Ende muss es Leute vor Ort geben, die sich einsetzen, kümmern und Themen setzen. Ohne die Thurgauer Kulturschaffenden wird es nicht funktionieren.
„Es braucht Aktivismus!“
Ladina Thöny, Geschäftsstellenleiterin IG Kultur Ost
Es gibt euch jetzt fünf Jahre - wie hat sich die Wahrnehmung der IG Kultur Ost verändert in dieser Zeit?
Ich glaube sehr. Wir werden inzwischen als Anlaufstelle, sowie Vernetzungs- und Beratungsstelle wahrgenommen und geschätzt. Das wollen wir sehr gerne auch für den Thurgau sein.
Das Austauschtreffen
Die igKultur Ost lädt zusammen mit thurgaukultur.ch zum Austauschtreffen Thurgauer Kulturmenschen - für eine starke Kulturstimme im Kanton Thurgau.
Termin: Dienstag, 11. Juni, 18 Uhr
Ort: Kult-X Kreuzlingen
Zur Anmeldung geht es hier.
Wir von thurgaukultur.ch unterstützen das Vorhaben kommunikativ und als Medienpartner. Weil wir überzeugt davon sind, dass Kultur ein Schlüssel für gesellschaftlichen Zusammenhalt ist und eine grössere Debatte darüber fällig ist, welche Bedeutung Kultur für unsere Gesellschaft hat. Mehr Offenheit, mehr Austausch und mehr Transparenz kann hier nur helfen. Erst recht in Zeiten wie diesen, wenn die Gelder in den öffentlichen Kassen knapp und die Diskussionen über Sparrunden wieder allgegenwärtig sind. Deshalb freuen wir uns, wenn möglichst viele Menschen bei dem Treffen am 11. Juni dabei sein können. Hier geht’s zur Anmeldung.
Weitere Beiträge von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter
- „Der Thurgauer ist kein Meister der Streitkultur!“ (02.12.2024)
- Raus aus der Bubble, rein ins Leben (26.11.2024)
- Wo sind die Wege aus der Raum-Krise? (25.11.2024)
- In acht Schritten zum eigenen Kunstraum (21.11.2024)
- Alte Mauern, neue Gedanken (11.11.2024)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Kulturpolitik
Kommt vor in diesen Interessen
- Kulturförderung
- Kulturvermittlung
Kulturplatz-Einträge
Ähnliche Beiträge
„Der Thurgauer ist kein Meister der Streitkultur!“
Diskretion als Erfolgsrezept: Hans Jörg Höhener, Präsident der kantonalen Kulturkommission, erklärt im Interview, wie sein Gremium Einfluss nimmt auf die Kulturpolitik im Kanton. mehr
Neun mögliche Wege aus der Raum-Krise
Wie könnte man den Mangel an Räumen für Kultur im Thurgau beheben? Darüber diskutierten die Gäste des neuen Dialogformats „Kultur trifft Politik!“ in Kreuzlingen. mehr
Ohne Raum bleibt alles nur ein Traum
Vor welchen Herausforderungen steht Gemeinschaft heute? Und wie kann Kultur Gemeinschaft stiften? Diesen Fragen gaben den Impuls zur dritten Thurgauer Kulturkonferenz. mehr