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Der will doch nur spielen

Der will doch nur spielen
Sprachartist und Wortakrobat: Der Kabarettist Jan Rutishauser. | © Michael Blau

Jan Rutishauser ist einer der talentiertesten Nachwuchs-Kabarettisten des Landes. Am 8. September feiert sein neues Programm „Gepflegte Langeweile“ Premiere. Ein Gespräch über mühsame Textarbeit, quälende Fragen und Lampenfieber.

Von Michael Lünstroth 

Der grösste Alptraum von Jan Rutishauser hat zwei Teile. Teil 1: Der Kabarettist kommt auf die Bühne und merkt, dass er den Text komplett vergessen hat. Nichts mehr da. Totale Leere im Kopf. Teil 2: Irgendwann findet er doch noch seine Worte und zündet einen Gag nach dem anderen, aber keiner lacht. Ein Alptraum für jeden Bühnenkünstler. „Das sind oft irrationale Ängste, aber sie sind da“, sagt der Mann, der als eines der grössten Talente in der Schweizer Kabarett- und Comedyszene gilt. 2013 erhält er den Preis der Oltener Kabaretttage, 2014 steht er im Finale der Schweizer Poetry-Slam-Meisterschaften, 2015 gewinnt er bei dem Wettbewerb „Die Krönung“ in Burgdorf, inzwischen ist er auch immer mal wieder im Fernsehen zu sehen.

Gerade ist er 30 Jahre alt geworden in den nächsten Monaten könnte sich entscheiden, wie es mit ihm weitergeht - bleibt alles wie es ist oder geht sein Stern weiter auf? Jan Rutishauser bleibt bei all dem Geraune erstmal gelassen. Vor allem, weil er einfach wieder Lust hat auf die Bühne zu gehen. Seit fast zwei Jahren arbeitet er an seinem neuen Programm, am 8. September feiert es Premiere im Kreuzlinger Theater an der Grenze. Aufregung? „Klar, das gehört dazu“, sagt Rutishauser. Aber viel grösser sei die Freude, die Arbeit jetzt dem Publikum zeigen zu können. „Deshalb machen wir das ja alles, um es irgendwann auch mal auf eine Bühne zu bringen“, meint der 30-Jährige. Er ist auch jenseits der Bühne ein sehr unterhaltsamer Gesprächspartner. Der Geist stets wach, das Herz wirkt offen und die blauen Augen wandern während des Gesprächs beinahe rastlos durch den Raum. Immer auf der Suche nach Worten, Vergleichen, Erklärungen, Pointen. 

Er startete seine Bühnenkarriere als Zauberer

Ähnlich suchend war auch sein Weg auf die Kabarettbühne. Rutishauser ist aufgewachsen in Güttingen am Bodensee, in Romanshorn hat er die Kantonsschule besucht, der Thurgau blieb immer seine Heimat. Und das obwohl er schon in jungen Jahren rumgekommen ist: Locarno, Paris, London. Überall hat er sich weiter entwickelt und am Ende stand die Entscheidung, es als Zauberer versuchen zu wollen. Er erarbeitet seine eigene Strassenzaubershow namens „Der Hasenflüsterer“, merkt aber irgendwann, dass das doch nichts für ihn ist. „Als Zauberer machst du meistens Tricks, die andere auch schon gemacht haben. Dann lieber etwas von Grund auf Eigenes.“, sagt Rutishauser. Das ist auch der Moment in dem er sich für das gesprochene Wort auf der Bühne entscheidet. Nachdem sein erstes abendfüllendes Programm „BurnOut“ gut lief, kommt jetzt also der zweite Streich. Der Titel: „Gepflegte Langeweile“. Inhaltlich soll es mit den Themen Neubeginn und seinen Herausforderungen befassen. Und will unter anderem dieses Fragen besprechen: „Wie finde ich den richtigen Anfang? Und das Ende? Und das dazwischen? Wie spricht man eine Frau an? Und wie seinen Friseur? Was tun, wenn der Friseur kein gutes Haar an einem lässt? Sind Misserfolge Fluch oder Segen?“, erklärt Rutishauser auf seiner Internetseite. Es soll „ein wilder Ritt durch den Kopf eines Kabarettisten in Form von Geschichten, Gedichten und Liedern“ werden.

Was die Zuschauer am Ende auf der Bühne sehen, ist das Ergebnis von monatelanger Arbeit. „Der Titel stand dieses Mal als Erstes fest, danach habe ich dann an den Inhalten gearbeitet“, sagt der 30-Jährige. Das ist oft mühevolle Detailarbeit. „Ich versuche mich, da sehr zu strukturieren und zu disziplinieren um voranzukommen. Das heisst, ich stehe morgens auf, hole mir einen Kaffee und setze mich erst mal an den Schreibtisch“, so Rutishauser. Alles was ablenken könnte, sein Smartphone zum Beispiel, wird aus dem Zimmer verbannt. „Sonst wird das nie was“, bekennt er. Stück für Stück nähert er sich dann einem Text an. „Ich schreibe immer erstmal los, bearbeiten und es in eine dramaturgische Form für die Bühne bringen kommt später“, gibt er einen Einblick in seine Arbeit.

Immer und immer wieder feilt Rutishauser an seinen Texten

Viel Zeit geht bei einem Sprachartisten wie Rutishauser auch dafür drauf, Worte auf mögliche Wortspielereien abzuklopfen und später dann auch den Mut zu haben sich von Texten oder Passagen wieder zu trennen. Der Kabarettist sieht das positiv: "Sachen zu streichen ist befreiend, denn man hat danach Platz für neues und besseres“, findet er.

Die letzten Wochen vor der Premiere gehören dem Feinschliff. Immer und immer wieder geht Rutishauser über seine Texte. „Es geht dann auch darum, die richtigen Übergänge zwischen den Nummern zu finden und sich selbst immer wieder die Frage zu stellen: wo kann es noch besser werden?“ Wer gut sein will, muss sich eben quälen. Aber gleichzeitig müsse man irgendwann auch bereit sein, loszulassen und den Text stehen zu lassen. Sonst drehe man sich nur im Kreis. Und das führe dann auch zu nichts mehr. Sein grösstes Ziel auf der Bühne? „Ich möchte die Leute zum Lachen bringen“, sagt er. Und natürlich auch selbst ein bisschen Spass im Rampenlicht haben. „Ein guter Abend ist für mich, wenn ich merke, dass es eine Verbindung zum Publikum gibt, wenn die Zuschauer mit offenem Herzen und Kopf dasitzen und zuhören.“

Videos: So klingt Jan Rutishauser auf der Bühne





 

 

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