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Die Wiederkehr des Immergleichen

Die Wiederkehr des Immergleichen
Versunken in die Arbeit: Der Künstler Daniel Gallmann in seinem Atelier. | © Francis Dercourt

Kunst als Geistes- und Leibesübung: Seit Jahrzehnten malt Daniel Gallmann nur zwei Motive. Ein neues Buch eröffnet jetzt überraschende Perspektiven auf sein Werk. Es wird am 12. Dezember in Frauenfeld vorgestellt. (Lesedauer: ca.  3 Minuten)

Es ist heute nicht mehr so leicht, Künstler:innen zu finden, die sich beharrlich am Kunstbetrieb abarbeiten. Die meisten haben sich arrangiert mit den Ambivalenzen und den zunehmenden kapitalistischen Logiken im System. Was soll man auch sonst tun, wenn man von seiner künstlerischen Arbeit irgendwie leben will, ohne nebenher noch zwei andere Jobs zu haben?

Daniel Gallmann kennt diese Zwänge natürlich auch. Und trotzdem widersetzt er sich ihnen beständig. Das kann nicht jeder. Vor allem dann nicht, wenn man auf Einnahmen aus der künstlerischen Arbeit angewiesen ist. Zur Wahrheit gehört eben auch: Daniel Gallmann kann sich seine Haltung auch leisten, weil seine Frau den Lebensunterhalt der Familie verdient. Das macht es leichter, nicht allen Verlockungen und Forderungen des Systems zu folgen, sondern einfach auch mal «Nein!» zu sagen.

Ein strenges künstlerisches Manifest

Gallmanns Manifest klingt leicht verkürzt zusammengefasst so: Die Kunst sollte sich befreien vom Dienstleistungsgedanken gegenüber wem auch immer. Sie sollte nicht kapitalistische Muster reproduzieren, sondern muss diese hinterfragen. Kunst darf sich nicht der Unterhaltung unterordnen und: Künstler müssen autonom sein, um wahre Kunstwerke zu schaffen.

Trotz dieser Verweigerungshaltung konnte Daniel Gallmann gelegentlich Ausstellungen zeigen. Im Kunstmuseum Thurgau, im Kunstmuseum Singen, auch in Kirchen. In diesem Jahr ist auch ein neues Buch über sein Schaffen erschienen. Es heisst «Bildaskese & Teil sein» und ist im Wiener Verlag für moderne Kunst erschienen. Am Freitag, 12. Dezember wird der Band im Kunstverein Frauenfeld öffentlich vorgestellt. Alleine die Tatsache, dass das passiert, zeigt auch, dass das mit der Verweigerung nicht so einfach ist, wenn man doch irgendwie wahrgenommen werden will.

 

Eines von zwei Motiven, die Daniel Gallmann immer wieder malt. Bild: Mirjam Wanner

Die Widersprüche im Künstlerleben

Mit einer solchen Publikation oder auch der Teilnahme an einer Ausstellung in einem Museum beteiligt sich Gallmann letztlich doch an dem Kunstbetrieb, der ihm eigentlich so zuwider ist. Vielleicht dürfte es gar keine Texte über Gallmann geben, wenn der Künstler seine Haltung in letzter Konsequenz auslebte. Denn auch dieser Text schafft Aufmerksamkeit und reproduziert so am Ende auch ein System, das Daniel Gallmann ablehnt.

Der in Oberbussnang lebende Künstler weiss natürlich um diese Widersprüche. «Als Künstler macht man die Arbeit schon für sich, aber eben nicht nur», erklärt Gallmann. Natürlich will er wahrgenommen werden, er wünscht sich Aufmerksamkeit für sein Schaffen, für seine Kritik am irre gewordenen Kunstmarkt, für seine Haltung. Trotz all der Jahre des Schaffens im Schatten hat er nicht vergessen, dass er ja eigentlich eine Botschaft hat.

Die Kunst als Lehrmeisterin

Die neue Publikation besticht durch bemerkenswerte Fotografien von Francis Dercourt aus dem Künstleralltag. Sie zeigen das Bild eines in seiner Arbeit versunkenen Menschen. Textlich vermisst der Band Gallmanns Werk nur teilweise neu. Es gibt Auszüge aus einer Rede von Bazon Brock über Gallmanns Arbeiten aus dem Jahr 2014, Paolo Bianchi fasst zudem in seinem Aufsatz «Bildaskese» all die Dinge zusammen, die schon früher zum Werk des Thurgauer Künstlers geschrieben wurden. «Den Ansprüchen unserer Zeit nach Besitz, Spektakel und Abwechslung setzt er das Gleichmass und die Wirksamkeit des Übens entgegen», notiert Bianchi unter anderem.

Das Üben deutet er darin weiter als Weltverbundenheit und gerade nicht als Rückzug von Gemeinschaft. Gallmanns Ansatz sei eben ein anderer, findet Bianchi. «Das Leben ändern bedeutet für ihn, mit dem Kunstmachen nicht den Markt zu bedienen, sondern den Menschen die Kunst als Lehrmeisterin näherzubringen.» Das führt zu einem beinahe philosophischen Satz, mit dem der Autor den Künstler selbst zitiert: «Ich übe etwas und ich übe mich.» Diese beständige Selbstübung, gewissermassen als Dienst an der Gesellschaft zu verstehen, das zeugt dann auch vom nicht eben geringen Selbstbewusstsein der Künstlerpersönlichkeit Daniel Gallmann.

 

So wurde die Arbeit von Daniel Gallmann im Kunstmuseum Singen präsentiert. Bild: Fotostudio Kuhnle & Knödler

Laura Vogt eröffnet eine neue Perspektive

Während Paolo Bianchi sich bemüht, mit dem gewohnten Kuratoren-Kunstsprech Gallmanns Werk zu umkreisen, wählt die Autorin Laura Vogt im zweiten Beitrag des Bandes einen anderen Ansatz. Intuitiver, emotionaler, gnadenlos subjektiv und trotzdem sehr strukturiert beschreibt sie, wie die Beobachtung von Gallmanns Motiven auf sie wirkt. Vogts Text heisst passenderweise «Teil sein» und beschreibt, wie die Autorin nach und nach mit den Arbeiten von Daniel Gallmann verschmilzt und daraus neue Erkenntnis schöpft.

Ihre Hilfsinstrumente dabei – die Begriffe «Ursprung», «Natur» und «Ziel». Mit diesen Codes untersucht sie das Werk des Künstlers. Je länger sie die Bilder betrachte, desto mehr werde sie Teil davon, schreibt Vogt. Die Schriftstellerin macht dabei eine interessante Beobachtung: «Betrachte ich Gallmanns Bilder, die er vor zwanzig Jahren malte, ist das Kind ein anderes Kind gewesen, ein weicheres, eines mit weniger Konturen, und auch die Farben haben sich verändert: Sie sind mit der Zeit kräftiger geworden.»

Das Werk als eigenständige Persönlichkeit

Gallmanns künstlerische Arbeit wird für sie auf diese Weise fast so etwas wie eine eigenständige Persönlichkeit: «Gallmanns Bilder verändern sich langsam, kontinuierlich, so wie sich ein Mensch in seinem Leben langsam, kontinuierlich verändert, indem Gewohnheiten wie nebenbei abgestreift und neue angenommen werden, indem sich Falten bilden in einem Gesicht, das Haar sich weiss färbt, die Stimme tiefer wird oder höher.»

Das ist als Experiment spannend – und liest sich auch als Text schön wie erkenntnisreich. Es wird offensichtlich, dass ein Versinken in stiller Arbeit inklusive zeitweisem Rückzug von der Welt sich nicht ausschliessen muss mit dem gleichzeitigen Wunsch, Teil von etwas zu sein. Mit anderen Worten: Man kann den Kunstmarkt zum Kotzen finden und trotzdem stille Wünsche des Nicht-Übersehen-Werdens im Herzen tragen.

Vielleicht ist noch nie jemand Gallmanns Werk so nah gekommen wie Laura Vogt in ihrem Text.

 

Daniel Gallmanns Arbeiten werden teilweise auch in Kirchen gezeigt, so wie hier in der Stadtkirche in Stein am Rhein. Bild: Guido Kasper

 

Das Buch und die Buchvorstellung

«Bildaskese & Teil sein» heisst die Monographie, die  das Schaffen des in Oberbussnang lebenden und arbeitenden Künstlers Daniel Gallmann würdigt. Sie ist zweisprachig im Wiener Verlag für moderne Kunst erschienen. Am Freitag 12. Dezember um 18 Uhr findet die Buchvernissage im Frauenfelder Bernerhaus (Bankplatz 5) statt.

 

Es sprechen die beiden Kulturpublizisten Alex Bänninger und Paolo Bianchi. Die Monographie ist 2025 erschienen, mit Beiträgen von Bazon Brock, Paolo Bianchi und Laura Vogt, sowie Porträts von Francis Dercourt. Der Künstler Daniel Gallmann und der Fotograf Francis Dercourt werden bei der Buchvorstellung ebenfalls anwesend sein.

 

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