von Inka Grabowsky, 04.12.2025
Ernst Kreidolf und das Licht hinter dem Dunkel

Eine neue Ausstellung im Kreuzlinger Museum Rosenegg zeigt die überraschend tiefgründige Seite des in Tägerwilen aufgewachsenen Malers Ernst Kreidolf – und wie er Leben, Tod und Neubeginn miteinander verwebt. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
«Er wird reduziert als Blümli-Maler, der eine heile Welt zeigt», sagt Barbara Stark, die Präsidentin des Ernst-Kreidolf-Vereins und frühere Leiterin der Konstanzer Wessenberg-Galerie. «Dabei ist sein Werk sehr vielschichtig.» Kreidolf habe als Künstler Aquarelle und Gemälde zu den unterschiedlichsten Themen geschaffen. Um ihn in der Öffentlichkeit präsent zuhalten, hat der Verein eine Ausstellung mit dem Titel «Fahrt ins Licht» zusammengestellt.
Sie umfasst 33 Exponate, die bis auf eine kostbare Leihgabe alle aus Reproduktionen bestehen. «Das hat pragmatische Gründe», so Barbara Stark. «Die Originale im Kunstmuseum Bern auszuleihen ist sehr aufwändig und überaus teuer. Und es geht uns hier nicht um die Pinselführung, sondern um Inhalte.» Die Ausstellung war zuvor schon in Köniz bei Bern und in Zürich zu sehen.
«Das Museum Rosenegg versteht sich auch als Stadtlabor», sagt der Museumsleiter David Bruder. «Wir diskutieren Fragen, die die Menschen beschäftigen. Das Thema Tod ist oft tabuisiert. Aber über die Bilder von Kreidolf ist es vermittelbar – sogar Kindern.» Denn auch für das ernste Thema findet Kreidolf keine Horrorbilder.
Er wurde früh mit dem Tod konfrontiert. Zwei seiner Geschwister starben. Später – 1907 - malte er Freunde auf ihrem Totenbett. Auch diese Zeichnungen sind in der Rosenegg ausgestellt. Ansonsten fällt auf, dass er sich gelegentlich der griechischen Mythologie bedient. Die Falter, die auf ihrem Boot dem Licht entgehen fahren, erinnern an Charon, der die Seelen der Verstorbenen über den Styx bringt.
Vom Werden und Vergehen
Kreidolf sei nicht im klassischen Sinn religiös gewesen, so Barbara Stark. «Er wurde protestantisch getauft, war aber wohl kein grosser Kirchgänger. Insbesondere in höherem Alter begriff er aber das Leben als Kreislauf von Werden und Vergehen.»
Die bevorzugten Sujets des Malers – Insekten und Pflanzen – sind prädestiniert das zu illustrieren. So versieht der Maler sein Selbstbildnis mit einem Marienkäfer, der einen Keim trägt, Käfern, die eine Knospe respektive Frucht tragen, und dem «Totengräber»-Käfer am Ende der Parade.
Der Lebenszyklus von der Raupe über die scheinbar leblose Puppe zum fliegenden Schmetterling bietet eine Steilvorlage, die er im Bild «Auferstehung» (Aus «Sommervögel» von 1916) verwandelt. Der «Totenkopf-Falter» wird in seinen Insekten-Welten im Bilderbuch «Verzauberte Blume» von 1926 zum personifizierten Tod, der alle zum Umfallen bringen kann. Die Bilderbücher liegen übrigens zur Ansicht aus und sind für 20 Franken im Museumsshop zu kaufen.
Je genauer man hinschaut, desto mehr Verweise auf das Werden und Vergehen findet man. In «Das Leben ein Traum», von dem Kreidolf zwischen 1889 und 1946 drei Versionen angefertigt hat, sieht man Kinder, die über eine Brücke ins Erwachsenenleben wechseln. Im Hintergrund ist ein Friedhof angedeutet.
Beteiligung erwünscht
Die Rosenegg hat nach guten Erfahrungen in der Ausstellung «Geplatzte Stadt(t)räume» Fragen formuliert, über die das Publikum abstimmen kann. «Ist die Jenseitsvorstellung für Sie wichtig?», « Darf man selbst über sein Lebensende bestimmen?» Oder «Wie wollen Sie bestattet werden?» Die Ergebnisse könnten bei den Podiumsdiskussionen im Rahmenprogramm als Anregung dienen.
Stoff für weitere Ausstellungen vorhanden
Da Barbara Stark neben ihrem Engagement zu Kreidolf bis zu ihrer Pensionierung dreissig Jahre lang die Wessenberg-Galerie in Konstanz leitete, gab es in der Vergangenheit bereits gelegentlich eine Kooperation. «Die letzte Ausstellung vor drei Jahren war auf grosse Resonanz gestossen», sagt David Bruder. Beim jüngsten Kongress zu Ernst Kreidolf in Bern habe es Referate zu acht unterschiedlichen Themenkomplexen gegeben, so die Vereins-Präsidentin – Stoff für weitere Ausstellungen in den kommenden Jahren gibt es also noch genug.
Das Rahmenprogramm zur Ausstellung
Vernissage am 5.12.25 um 19 Uhr mit der Präsidentin des Vereins, Barbara Stark und Kuratorin Sibylle Walther
Finissage mit Wandelkonzert am 29. März, 15 Uhr
Öffnungszeiten des Museum: freitags, samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr
Öffentliche Führungen
am 25. Februar 2026,18 Uhr
am 10. und 31. Januar sowie 7. März 26 jeweils um 15 Uhr
Podiumsveranstaltungen jeweils um 19 Uhr
14. 1. 26, 19 Uhr: Marion Sontheim vom Bildungszentrum «Frühe Kindheit»: «Mit Kindern über den Tod sprechen»
3.2.26: Marina Bruggmann vom Hospizdienst Thurgau, Pfarrer Damian Brot und Iman Rehan Neziri: «Wie wir weiterleben. Vorstellungen vom Danach»
4.3.26: Christine Graeser vom Bestattungsamt Kreuzlingen: «Bestattungskultur im Wandel»
Parallel zur Ausstellung zeigt das Filmforum KuK im Kult-X Filme zum Thema «Erben» - jeweils um 20 Uhr:
29.1.26: «Wir Erben»
5. 3. 26 «All shall be well»
26.3. 26: «Mutters Atelier»

Von Inka Grabowsky
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