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von Inka Grabowsky, 10.11.2025

Coole Kunstnacht Konstanz Kreuzlingen

Coole Kunstnacht Konstanz Kreuzlingen
Stairway to art: Wer zur Kunstnacht wollte, musste über diese Treppen in den Innenraum der Bodensee-Arena gelangen. | © Inka Grabowsky

Die Kunstnacht 2025 begeisterte mit einer ungewohnten zentralen Anlaufstelle: Die Bodenseearena wurde für eine Nacht zur Ausstellungshalle. Und die Menschen beiderseits der Grenze strömen in die unjurierte Kunstschau, an der sich über 200 Kreative beteiligt hatten. (Lesedauer: ca. 5 Minuten)

«Ich bin fasziniert, wie viel in der Region geschaffen wird», sagt Samantha Zaugg, Moderatorin der Eröffnung der Kunstnacht in der Bodenseearena und als Teil des Duos Schellinger-Zaugg Mitinitiatorin der Schau. 

Im Sommer lancierte das Team um Reto Müller, der als Kurator des Kunstraums traditionell für das Festival an der Kunstnacht zuständig ist, die Idee, für eine Nacht aus der Eishalle eine Kunsthalle zu machen. 

Dabei half die Logik: Gegeben war das Datum im November. Da bietet sich eine Freiluft-Veranstaltung nur bedingt an. Eine grosse Halle war gesucht – und die grösste, die Kreuzlingen zu bieten hat, ist eben die Bodenseearena. «Das hier ist ein gemeinsamer städtischer Raum – eher verbindend als trennend», sagt Müller. «Früher haben wir doch viel zu oft die Grenze zelebriert.» 

 

Stefan Schellinger, Samantha Zaugg und Reto Müller wagen sich mit ihrer «Kunsthalle für eine Nacht» aufs Glatteis. Bild: Inka Grabowsky

Zukunft des Formats bleibt offen bis November 2026

Erleichtert wurde die Umsetzung durch vermehrte finanzielle Unterstützung der Stadt Kreuzlingen und des Kantons Thurgau ebenso wie durch die organisatorische Unterstützung von Kunstverein Konstanz und Thurgauischer Kunstgesellschaft. Über 200 Kunstschaffende mit Kreuzlingen- oder Konstanz-Bezug beteiligten sich und füllten die Wände im Umlauf hinter den Zuschauerrängen mit ihren Werken. Und Betrachter von diesseits und jenseits der Grenze füllten die Halle. 

Auch in Konstanz hatten sich zahlreiche Institutionen an der Kunstnacht beteiligt. Und das obwohl die Stadt angesichts knapper finanzieller Kassen weniger Geld investieren konnte als in früheren Jahren. Sarah Müssig, Leiterin des Konstanzer Kulturamts, sagte: «Dieser Abend zeigt wieder einmal, dass die Kunstnacht funktioniert, es ist ein tolles Format.» Wie es mit der Kunstnacht allerdings angesichts der Finanznot in der deutschen Nachbarstadt weitergeht, ist offen. Vor der Kunstnacht hatte Müssig gegenüber thurgaukultur.ch erklärt, dass sich die Zukunft der Veranstaltung «verlässlich erst nach den Beratungen zum nächsten Doppelhaushalt im November 2026», kläre.

 

Die Eröffnung der Ausstellung schmückt «Dieter Meiers Rinderfarm» mit einer Performance – Kunst trifft Sport. Bild: Inka Grabowsky

Bekannt trifft auf noch unbekannt

Claudia Thom von Kreuzlinger Departement Gesellschaft und Kultur freute sich derweil vor allem über die aktuelle Ausgabe der Kunstnacht: «Hier treffen sich zwei Publikumskreise aus beiden Städten: die Sportler und die Kulturinteressierten. Und beide müssen realisieren, wie gross die jeweils andere Gruppe ist. Das gibt spannende Begegnungen.» 

Nicht zu verachten ist der Netzwerk-Effekt: Jeder der über zweihundert Kunstschaffenden – darunter renommierte Namen wie Isabelle Krieg oder Philippe Mahler – bringt sein eigenes Stammpublikum mit. Und das kann ja nicht umhin, auch die Werke der anderen Mitwirkenden zu beachten. «Ein offenes Atelier kann nicht diese Breitenwirkung entfalten», sagt Reto Müller.

 

Werke von Isabelle Krieg sind sowohl im Kunstmuseum als auch in der unjurierten Ausstellung zu sehen. Bild: Inka Grabowsky

Die Kleinen machen sich sichtbar

Die Künstlerin Simone Hauck fährt eine doppelgleisige Strategie. Sie hat ein Werk bei der unjurierten Ausstellung eingereicht, und sie öffnet anlässlich des dreijährigen Bestehens ihr Atelier «Kunsttraum» gegenüber des Hafenbahnhofs für Besucher. «Ehrlich gesagt, identifiziere ich mich noch mehr mit meinen Kursen als mit meinen eigenen Schaffen, sagt sie.  Netzwerken sei wichtig, meint sie. 

Dem kann Katiia Voropay nur zustimmen. Im Kult-X stellt sie die Ergebnisse eines Projekts aus, das sie im Oktober mit dreissig Teilnehmenden angegangen war. Einen Tag lang bekamen alle im Rahmen eines Workshops Anregungen und technisches Wissen zu Fotobearbeitung vermittelt. Dann setzten einige von ihnen innerhalb einer Woche die Theorie in die Praxis um. 

«Ich habe die Kunstnacht vor zwei Jahren das erste Mal erlebt», sagt die ukrainische Kuratorin. «Von so viel Kreativität auf der Strasse war ich beeindruckt.» Nun ist sie von der Rezipientin zur Anbieterin geworden. 

Ein paar Schritte vom Kult-X entfernt hat Kurt Schmid die Schaufenster seiner Kunstagentur «Das Lokal» mit Kulturstatements dekoriert. «We only have Art» steht im einen, Screenshots zum Thema Kultur aus dem Internet stehen im anderen. In den Räumen des sehenswerten früheren Tabakladens kommt er mit der Laufkundschaft ins Gespräch. «Kultur und Gesellschaft stehen vor grossen Herausforderungen», meint er. «Die Kunst muss sich umorientieren.» 

 

Kurt Schmid nutzt die Kunstnacht für Gespräche über Kultur. Bild: Inka Grabowsky

Neues Zuhause für das Living Museum

Umorientieren müssen sich auch die Kreativen, die im «Living Museum» der Stiftung Mansio arbeiten – allerdings nur räumlich. Die Werkstatt ist umgezogen, und zwar in die ehemalige Schreinerei Baumann in der Müllerstrasse. Die Stiftung Mansio nutzt die Kunstnacht, um den neuen Standort bekannt zu machen und feiert offiziell Eröffnung. 

Zu dem Zweck haben die Künstler und Künstlerinnen Bilder für ein Labyrinth aus Papp-Wänden geschaffen. «Es ist wie im wirklichen Leben: Man biegt um die Ecke und weiss nicht, was da auf einen wartet – ein Minotaurus oder eine Erkenntnis», sagt Bennet Hutzelmeier. Nebenbei erwähnt er, dass die Vorbereitung der Mammut-Aufgabe das Team stark zusammengeschweisst habe. «Es war ein guter Start für uns.» 

 

Im Labyrinth des Living Museums trifft man nicht auf den Minotaurus, aber über eine Spiegelwand doch auf Überraschendes. Bild: Inka Grabowsky

Tanz zwischen den Stühlen

Die Choreografin Micha Stuhlmann lockt das Publikum mit einer Performance von der Bodensee-Arena ins Living Museum. Sie tanzt mit Mitstreitern aus ihrem «Laboratorium für Artenschutz» an vier Stationen auf dem Weg. «Wir wollen Leute verführen und dabei selbst Spass haben», lacht sie. «Die Kunstnacht ist ein so wunderschöner Anlass. Alle Facetten der Kunst werden gezeigt – da gehören wir mit dem Laboratorium dazu.» 

Kunst macht Schule in der PHTG 

«Wir machen mit, weil wir uns als Hochschule vernetzen wollen», sagt der Kunst- und Design-Dozent Daniel Ricci von der PH. «Kunst findet bei uns im Bildungskontext statt.» Zur Kunstnacht sind im Foyer des Gebäudes Z unterschiedliche Zugänge zur Kunst ausgestellt. Zum einen haben Studierende mit ihren Werken die strengen Linien der Architektur aufgebrochen. Zum anderen haben sich drei Studentinnen für ihre Bachelor-Arbeit von einem Werk von Rachel Lumsden aus der PH-eigenen Sammlung anregen lassen. 

Sie erzählten Kindern in der Primarstufe im Kunstunterricht eine Geschichte: In einer Ausstellung ist ein Lumsden-Bild gestohlen worden. Die Erst- bis Sechstklässler sollen helfen, die entstandene Lücke aufzufüllen. Über hundert Arbeiten sind so entstanden. Es ist faszinierend zu betrachten, welche Linien und Motive die Kinder aufnehmen. 

 

Schüler denken Arbeiten der Künstlerin Rachel Lumsden weiter. Bild: Inka Grabowsky

Ein Café auf der Grenze – das fand der Zoll nicht so cool

Selbst wenn man sich auf Kreuzlingen konzentriert und die vielen Angebote in Konstanz oder die Ausstellung «Papier & was» im Bodmanhaus in Gottlieben bewusst ignoriert, sind in der Kunstnacht einige Strecken zurückzulegen – bei Bedarf mit Hilfe eines Shuttlebusses. Insgesamt beteiligen sich in beiden Städten 27 Institutionen. 

Als Pausenstation wollte Leon Fritz am Hauptzoll, den alle Fussgänger passieren müssen, ein «Grenz kontrolle Café» für eine Nacht eröffnen. Den passenden Barwagen hatte er schon parat. Doch die Zolldirektionen waren dagegen. So stellt der junge Architekt nun im nahegelegenen Kult-X seine Masterarbeit zum Umgang mit der Grenze aus.

Visionen architektonischer Grenzüberschreitungen

Leon Fritz ist aufgewachsen in Kreuzlingen und zur Schule gegangen in Konstanz.  «Das unbenutzte Häuschen am Hauptzoll hat mich inspiriert. Hier stelle ich mir ein Café vor – die Öffnungen, um Kaffee oder Tee herauszureichen gibt es schon.» Das klingt humorig, doch in der Masterarbeit beschreibt er eine Reihe von Visionen, die erwägenswert wären. 

Ein Kulturzentrum genau auf der Grenze über den Rangiergleisen, die gemeinsame Planung von Überbauungen über Grenzen hinweg, ein Floss im See auf der Grenzlinie, ein Trimm-dich-Pfad zwischen der Schweiz und Deutschland: Die Möglichkeiten bestünden theoretisch. Und es kann nur als passend gelten, solche Zukunftsträume bei der grenzüberschreitenden Kunstnacht zu präsentieren. Dem Architekturforum Konstanz-Kreuzlingen sei Dank. 

 

Leon Fritz hat utopische Ideen zum Umgang mit der Grenze in seinen beiden Heimaten Kreuzlingen und Konstanz. Bild: Inka Grabowsky

 

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