Seite vorlesen

Ein Palast in Gedanken

Ein Palast in Gedanken
Kunsthalle Konstanz Kreuzlingen - in der Vision der KI. Für diesen Text haben wir mit einem KI-Bilderstellungstool verschiedene Varianten einer solchen Kunsthalle gestaltet. So wurde der journalistische Text selbst zum KI-Experiment. | © Canva-AI

Die grenzüberschreitende Kunstnacht will im November die alte Vision eines gemeinsamen Kunsthauses Konstanz Kreuzlingen mit Leben füllen. Ausgerechnet jetzt schwächelt Konstanz finanziell. (Lesedauer: ca. 5 Minuten)

Seit Jahrzehnten geistert die Idee eines gemeinsamen Kunsthauses von Kreuzlingen und Konstanz umher. Zuletzt hatte Richard Tisserand 2018 in einem Interview mit thurgaukultur.ch einen neuen Anlauf versucht. „Das wäre eine grosse Chance für beide Städte. Wir könnten etwas von überregionaler Strahlkraft aufbauen. Wenn Konstanz noch mal so viel investieren würde, wie wir jetzt schon haben, könnten wir ein kleines Kunsthaus schaffen“, sagte der inzwischen verstorbene Kurator des Kunstraum Kreuzlingen damals. 

Wahr ist allerdings auch: Genauso oft wie darüber gesprochen wurde, folgte danach auch genauso oft - nichts. Aber jetzt soll aus den Gedankenspielen Realität werden: Zur diesjährigen Kunstnacht am 8. November wird erstmals eine Kunsthalle Konstanz Kreuzlingen entstehen. Zumindest temporär für einen Abend soll das Kunstschaffen der beiden Städte direkt an der Grenze, in der Bodensee-Arena, eine Heimat finden. Das erklärten Claudia Thom, Kreuzlinger Projektleiterin der Kunstnacht und Reto Müller, Kurator im Kunstraum Kreuzlingen in einem Gespräch mit thurgaukultur.ch 

Raus aus der Rivalität: Sport und Kultur sollen aufeinander treffen

Eislaufbetrieb und Kunst sollen parallel stattfinden: „Es soll ein lebendiger Ort wachsen: zwischen Kunst, Hockeyfeld, Eisdisco und Publikumstrubel“, sagte Reto Müller. Gemeinsam mit den Künstler:innen Samantha Zaugg und Stefan Schellinger kuratiert Müller das Programm der Kunstnacht. Wobei längst nicht alles kuratiert werden soll. 

Erstmals wird es auch eine unjurierte Ausstellung geben, an der sich Künstler:innen aus Kreuzlingen, Konstanz und dem Thurgau beteiligen können. „Ob Malerei, Fotografie, Skulptur, Video, Installation oder Mixed-Media: Die Künstler:innen sollen zeigen können, was sie bewegt! Die unjurierte Werkschau bietet die Möglichkeit, die eigene Arbeit einem breiten, neugierigen Publikum zu präsentieren“, sagt Claudia Thom.

 

Wie sich die KI die Kunsthalle Konstanz Kreuzlingen vorstellt. (erstellt mit dem KI-Tool von Canva auf Grundlage eines Fotos der Bodensee-Arena).

 

Zur Anmeldung für die unjurierte Werkschau

Bei der Kunstnacht findet am 8. November zum ersten Mal eine unjurierte Werkschau statt. Die Teilnahme ist laut Veranstalter:innen lediglich durch einige formale Kriterien beschränkt.  Die «Unjurierte» will demnach eine offene Plattform für Künstler:innen mit einem Bezug zum Kanton Thurgau oder der Region Konstanz Kreuzlingen ein. 

„Willkommen sind alle, die künstlerisch arbeiten – ganz gleich, ob mit langjähriger Ausstellungspraxis oder zum ersten Mal dabei“, schreiben die Veranstalter:innen. Stilistisch zeigt man sich ebenso offen: Malerei, Fotografie, Skulptur, Video, Installation oder Mixed-Media: Alles ist möglich. Die Teilnahme ist kostenfrei. Der Transport der Arbeiten (inkl. Zollformalitäten) erfolgt auf Verantwortung der Künstler:innen.

Die Anmeldung läuft ab sofort über die Website www.kunstnacht.de bis 15. Oktober 2025. Auf der Webseite gibt es alle Informationen zu Teilnahmebedingungen, Aufbauzeiten, Infrastruktur vor Ort und dem genauen Zeitplan.

Unjurierte Ausstellungen? Das kann auch schief gehen

Allerdings: Wer einmal eine unjurierte Ausstellung gesehen hat, der weiss, dass das auch ein ziemliches Durcheinander von Merkwürdigkeiten sein kann. Samantha Zaugg kennt diese Vorbehalte auch, deshalb will sie dem in der Ausrichtung begegnen: „Es gibt in der Kunstszene das Bedürfnis, die eigenen Arbeiten auch zeigen zu können. Wir schaffen dafür einen würdigen Raum, der Begegnung und Diskurs über Kunst ermöglichen soll“, so die an der Organisation beteiligte Künstlerin. 

Ein Weg dies zu erreichen: Aufbau und Hängung der Ausstellung übernimmt das Organisationsteam. „Die Qualität der Arbeiten soll so sein, dass man dabei sein will“, ergänzt Stefan Schellinger. Und: „Das Nebeneinander der Verschiedenheit ist natürlich auch ein Experiment, aber wir freuen uns sehr darauf.“ 

Neben der unjurierten Ausstellung soll es in der Bodensee-Arena in der Kunstnacht aber auch ein kuratiertes Programm aus Kunst, Musik, Literatur und Performance geben. Die Kunstnacht wird aber nicht nur in der Bodensee-Arena, sondern auch in allen beteiligten Einrichtungen in Kreuzlingen und Konstanz stattfinden. Von 17 bis 22 Uhr soll es auch dort ein umfangreiches Programm geben. Anders als in früheren Jahren wird es aber in beiden Städten kein Programm im öffentlichen Raum geben.

 

Kunsthalle Konstanz Kreuzlingen - in der Vision der KI.

Konstanz kürzt das Budget der Kunstnacht um die Hälfte

Dass sich die Kunstnacht nun neu erfinden muss, hat auch mit Geld zu tun. Denn: Das Budget wird schmaler, weil die Stadt Konstanz unter Spardruck steht. Die Haushaltslage der Stadt ist so angespannt, dass viele Projekte auf den Prüfstand gekommen sind. Das führte auch zu Kürzungen im Etat der Kunstnacht. „Wir wollen trotzdem unbedingt an der Kunstnacht festhalten, weil es ein gutes, funktionierendes Format ist, das uns grosse Freude bereitet“, sagt Sarah Müssig, Leiterin des Konstanzer Kulturamt im Gespräch mit thurgaukultur.ch Aber an den Spardebatten komme sie auch nicht vorbei.

Statt 30’000 Euro hat sie in diesem Jahr nur 15’000 Euro für die Kunstnacht zur Verfügung - und das fliesst vor allem in die Man- und Womanpower, die Konstanz einbringt. Die Folge der Einsparungen in Konstanz: „Videoinstallationen im öffentlichen Raum können wir nicht stemmen. Es wird deshalb am Veranstaltungstag im öffentlichen Raum in Konstanz leider nicht mehr so sichtbar sein, dass gerade Kunstnacht ist“, sagt die Konstanzer Kulturamtsleiterin. 

Auch in Kreuzlingen ist das zu spüren: Zum Beispiel daran, dass der Boulev’art verlegt wurde. Den hatte Richard Tisserand auf der Hauptstrasse eingeführt, um dort Arbeiten im öffentlichen Raum zeigen zu können. "Alles, was bislang dort stattfand, verlagern wir in diesem Jahr in die Bodensee-Arena", sagt Kurator Reto Müller. Es finde also nicht weniger, sondern eher mehr Programm statt, erklärt Müller.

 

Kunsthalle Konstanz Kreuzlingen - in der Vision der KI.

Zukunftsprognosen zum Bestand der Kunstnacht? Derzeit eher schwierig

Was die finanzielle Lage in der deutschen Nachbarstadt langfristig für die Kunstnacht bedeutet, ist derzeit noch nicht absehbar. „Wir würden das Projekt auch nach dieser Ausgabe im November gerne weiterführen alle zwei Jahre, aber ob das wirklich klappt, kann ich verlässlich erst nach den Beratungen zum nächsten Doppelhaushalt im November 2026 sagen“, räumt Sarah Müssig ein. 

In Kreuzlingen ist man derweil weiterhin komplett überzeugt von der Kunstnacht: „Wir leben hier in einem Kulturraum, sind nur getrennt von einer Grenze. Für uns hat die Kunstnacht auch einen grossen symbolischen Wert für das Miteinander von Kreuzlingen und Konstanz“, sagt Daniel Moos, zuständiger Stadtrat im Departement für Gesellschaft und Kultur. 

Deshalb wolle man das Projekt auch über 2025 hinaus gerne fortführen. „Die Einsparungen in Konstanz machen die Umsetzung zwar etwas schwieriger, aber nicht unmöglich. Wir hoffen, dass dieser Zustand nur vorübergehend ist“, sagt Moos. Sollte sich langfristig an der ungleichen Finanzierung der Kunstnacht etwas ändern, „dann müssten wir aber nochmal reden“, so Moos.

 

Wie sich KI eine Kunsthalle Konstanz Kreuzlingen vorstellt.

Warum die Bodensee-Arena belastetes Gelände ist

Aktuell zahlt Kreuzlingen 30’000 Franken, Konstanz noch 15’000 Euro. „Wir bieten die Hand das Projekt dauerhaft fortzuführen, aber wenn kein politischer Wille in Konstanz da ist, dies umzusetzen, müssten auch wir uns überlegen, was das für uns bedeutet“, so der Kreuzlinger Stadtrat.

Mit dem Standort Bodensee-Arena landet die Kunstnacht allerdings in einem nicht ganz unbelasteten Ort der Zusammenarbeit zwischen Kreuzlingen und Konstanz. 1972 gründeten die beiden Städte die Kunsteisbahn AG als Gemeinschaftsprojekt. 

Obwohl die Halle als Symbol grenzüberschreitender Zusammenarbeit begann, endete die Partnerschaft 2004, als Konstanz ausstieg. „Fehler in der Entwicklungsplanung und Verantwortungsunstimmigkeiten“ hätten dazu geführt, hiess es damals. Die Stadt Konstanz kaufte sich aus dem Projekt heraus. 

Konstanz will sich nicht an Sanierung beteiligen

Die Kosten werden seither weitgehend von Kreuzlingen getragen. Im November 2023 forderte Kreuzlingen von Konstanz einen einmaligen Investitionsbeitrag von rund fünf Millionen Franken sowie einen jährlichen Betriebskostenzuschuss von 150’ 000 Franken, da viele Konstanzer die öffentlichen Eisflächen und Vereinsangebote nutzen.

Konstanz lehnte dies ab – und bot lediglich rund 240'000 Euro jährlich (90’000 Euro davon fliesen als Zuschüsse an die Konstanzer Sportvereine und Schulen für die Nutzung der Eishalle) an Zuschüssen. 

 

Und noch eine Vision. Man merkt: KI ist noch beschränkt in der Gestaltungskraft. 

Im September entscheiden Bürger:innen über Bodensee-Arena

Für Kreuzlingen geht die Nutzung der Bodensee-Arena für die Kunstnacht aber über Vergangenheitsbewältigung hinaus. Die Eishalle soll in den nächsten Jahren für rund 26 Millionen Franken saniert werden, am 28. September entscheiden die Kreuzlinger Bürger:innen über das Projekt. „Für uns ist deshalb die Kunstnacht auch ein guter Anlass darauf hinzuweisen, dass die Bodensee-Arena vielfältig genutzt werden kann. Sie ist schliesslich immer noch die grösste Veranstaltungshalle im Thurgau und weit in den süddeutschen Raum hinein“, sagt der Kreuzlinger Stadtrat Daniel Moos. Nach dem Umbau soll die Bodensee-Arena wieder für Events und bis zu 4000 Personen zur Verfügung stehen.

Kunsthalle als Gedankenraum, der überall sein kann

Die Kunstnacht wird dann wohl eher nicht zu den dauerhaften Mietern der Bodensee-Arena gehören. Denn: Die temporäre Kunsthalle Konstanz Kreuzlingen versteht sich vor allem als ein gedanklicher Ort, der überall landen aufgebaut werden kann. Im November gastiert er in der Eishalle, bei möglichen kommenden Ausgaben kann er aber auch an jedem anderen Platz entstehen. Wie ein schwebendes Ufo, das überall landen kann. Hoffentlich bleibt es keine Illusion.

 

Eine letzte KI-Vision der Kunsthalle Konstanz Kreuzlingen. Mit interessanten Buchstabenkombinationen.

 

Kommentare werden geladen...

Kommt vor in diesen Ressorts

  • Kunst

Kommt vor in diesen Interessen

  • Kulturförderung
  • Kulturvermittlung
  • Bildende Kunst

Der Kulturpool: Highlights aus den Regionen

Kuratierte Agenda-Tipps aus dem Kulturpool Schweiz.

«Kultur trifft Politik» #3

Gemeinsamkeiten, Klischees und Bedürfnisse von Kulturschaffenden und Politiker:innen im Dialog. Montag, 17. November 2025. Jetzt anmelden!

Dazugehörende Veranstaltungen

Kunst

Kunstnacht Konstanz Kreuzlingen 2025

Kreuzlingen, Bodensee-Arena

Ähnliche Beiträge

Kunst

Vergeben, verzeihen, vergessen?

Eine Ausstellung im Haus zur Glocke in Steckborn untersucht das Verzeihen als kollektive und künstlerische Praxis. Im Video erklären die Kurator:innen die Hintergründe. mehr

Kunst

Die Kraft der Zerbrechlichkeit

Seit über drei Jahrzehnten entfaltet Isabelle Krieg ein Werk, das existenzielle Fragen aufwirft und poetisch berührt. Das Kunstmuseum Thurgau widmet der Künstlerin jetzt eine Einzelausstellung. mehr

Kunst

Heidi Bucher: «Häutungen im Bellevue»

Die Schweizer Künstlerin Heidi Bucher hatte im Herbst 1988 an und in den Gebäuden des ehemaligen Nobelsanatoriums «Bellevue» in Kreuzlingen «Häutungen» vorgenommen. Unser Fotokolumnist erinnert sich. mehr