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Schatzsuche im Sand

Schatzsuche im Sand
Jede:r kann zum Entdecker:in werden: So könnte das beim Projekt Wanderdüne aussehen. | © zVg

Radikal bodenständig: Stephan Militz’ Projekt «Wanderdüne» will Kunst und Kultur niederschwellig erlebbar machen. Mit der Idee steht er im Finale des Wettbewerbs «Ratartouille». (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Es gibt sie in Frankreich, Dänemark und Litauen – und bald vielleicht auch im Thurgau. Die Rede ist von einer Wanderdüne. Aber während die Exemplare in den anderen Ländern natürlichen Ursprungs sind, soll sie im Thurgau zu einem Kunstprojekt werden. Das jedenfalls ist das Ziel von Stephan Militz vom Kreuzlinger Verein «Kultur Worx», der sich mit dieser Idee um die 100’000 Franken des Ratartouille-Wettbewerbs der Thurgauer Kulturstiftung bewirbt.

«Thurgauer Landschaften – Die Wanderdüne» lautet der offizielle Titel des Vorhabens. Was sich dahinter verbirgt, erklärt Militz an einem Dienstagmorgen bei einem Kaffee in Kreuzlingen. «Die Wanderdüne ist ein kollektives Kunstarchiv, das sich wie eine Wanderdüne durch den Kanton bewegen soll», sagt Militz, der sich seit mehreren Jahren für verschiedene Kulturprojekte rund um Kreuzlingen engagiert. Im Kult-X war er aktiv, inzwischen veranstaltet er nicht mehr nur, er hat auch einen eigenen Verlag gegründet.

Video: Mit diesem Trailer stellt sich das Projekt vor

 

3. Oktober:  So kannst du mitabstimmen beim Finale von Ratartouille 

Der «Ratartouille»-Wettbewerb ist ein Ideenwettbewerb der Kulturstiftung des Kantons Thurgau, bei dem das Publikum entscheidet, welches Projekt mit 100’000 Franken Startkapital gefördert wird. Die nächste Publikumswahl findet am Freitag, 3. Oktober 2025, um 17.30 Uhr im Thurgauerhof Weinfelden statt. Dort treten drei ausgewählte Projekte gegeneinander an, um die Gunst des Publikums zu gewinnen. Interessierte können sich noch bis zum 1. Oktober 2025 anmelden. Alle Finalprojekte stellen wir in eigenen Beiträgen auf thurgaukultur.ch vor.

Die Vorgeschichte: «Ratartouille» wurde im November 2020 erstmals ausgeschrieben. Das Projekt sollte «das professionelle Kulturschaffen im Kanton beleben, Netzwerke über den Kanton hinaus eröffnen und das alles am besten in innovativer und experimenteller Art und Weise», schrieb die Kulturstiftung damals. Um das Format zu entwickeln, wurden andere Veranstaltungsreihen wie die «Werkschau» oder die «Lyriktage» von der Kulturstiftung gestrichen.

In der Düne soll es viel zu entdecken geben

Das Wanderdünen-Projekt jetzt soll sehr interaktiv und niederschwellig sein. Das Prinzip dahinter: Die Düne macht Station an vier verschiedenen bekannten Kulturorten im Thurgau. Militz denkt dabei zum Beispiel ans Kaff in Frauenfeld, die Kartause Ittingen oder das Kult-X in Kreuzlingen. In der rund drei bis fünf Meter hohen Düne sollen «70 bis 100 Devotionalien, Erinnerungsobjekte und Miniaturen, gespendet von Museen, Künstler:innen, Schüler:innen und Kulturinitiativen», versteckt sein. Jede Besucherin und jeder Besucher kann selbst in der Düne danach suchen und so Entdecker:in werden. Die Fundstücke sollen über eine Onlinebörse vernetzt werden; auch ein Tausch der Objekte soll darüber möglich sein.

Die Düne soll so zu einem analog wie digital erlebbaren Kulturort werden. Das ist aber noch nicht alles: «Ein eigens aufgestellter Container als temporäres Basislager begleitet die Wanderdüne auf ihrer Reise durch den Thurgau und bietet einen Ort zum Schauen, Sprechen, Schöpfen – und Durchatmen», schreibt Militz in seiner Projektskizze. Jede Station soll zudem mit einer Vernissage der besonderen Art eröffnet werden.

 

Stephan Militz will die Thurgauer Landschaft mit einer Wanderdüne bereichern. Bild: zVg

Street Dance, Heavy Metal, Modenschau

Interdisziplinär soll diese sein, unterschiedliche Sparten sollen aufeinandertreffen. Berücksichtigt werden sollen dabei auch Bereiche, die man sonst nicht so oft sieht, findet Militz. «Zum Beispiel Street Dance, Heavy Metal oder auch mal eine Modenschau», sagt der Mann hinter der Wanderdüne. «Diese musikalischen Interventionen eröffnen die Düne – nicht als Event, sondern als Haltung: vielstimmig, widerständig, sinnlich», heisst es dazu im öffentlich zugänglichen Projektkonzept.

Fragt man Stephan Militz, ob es so etwas wie einen Kerngedanken seines Projekts gibt, dann sagt er, es gehe ihm vor allem darum, Kultur für alle erlebbar zu machen. «Bislang erreicht Kultur im Thurgau oft nur bestimmte gesellschaftliche Schichten, die Zugänge zu Kultur sind oft sehr akademisch geprägt, das will ich mit dem Projekt mal umdrehen – jeder und jede kann seinen eigenen Zugang finden. Sei es mit der Schaufel in der Düne, als Beobachter des Geschehens oder als Teil von interaktiven Workshops», erklärt der Veranstalter.

 

Street Dance soll es geben bei der Wanderdüne. Bild: zVg

Muss Kultur wie Fussball sein? Militz findet: ja.

Je länger man mit ihm spricht, umso deutlicher wird, dass das seine eigentliche Mission ist: Kultur zu demokratisieren. Die Zeit der Kuratoren sieht er am Ende, die Menschen wollten selbst entscheiden, was sie sehen. «Kultur muss wie Fussball sein, wie Breitensport. Dafür muss man Angebote schaffen, die den Konsumenten gefallen. Die Auswahl darf nicht immer von eigenen Idealen abhängen», gibt Militz einen Einblick in seine Perspektive.

In seinem Programm können Schüler:innen genauso auftauchen wie renommierte Künstler:innen. Solche Labels interessieren Militz ohnehin eher wenig. Er sieht das eher wie die Kunstgrösse Joseph Beuys. Der habe ja auch gesagt: «Jeder Mensch ist ein Künstler!» Nach dieser Vision habe er die Wanderdüne geformt, so Militz.

So gesehen ist sein Projekt ziemlich radikal – radikal bodenständig, radikal am Publikum orientiert, radikal nahbar. Militz’ Devise: «Kultur muss massentauglicher werden, aber eben nicht flach.» Die Wanderdüne sei ein Weg dahin.

 

Auch Heavy Metal soll einen Platz finden im Wanderdünen-Festival. Bild: zVg

Erste Ausgabe für Mai 2026 geplant

«Das Projekt verbindet die reiche kulturelle Tradition des Thurgaus mit innovativen, partizipativen Formaten und schafft so neue Zugänge zur regionalen Identität und Geschichte», heisst es wohlformuliert im Bewerbungsschreiben an die Kulturstiftung. Wenn er den Wettbewerb gewinnt, dann soll die erste Wanderdüne im Mai 2026 zu besichtigen sein, sagt Stephan Militz. Rund vier bis sechs Wochen sollen die einzelnen Festivals dauern – jeweils bespielt mit einem abgestimmten Rahmenprogramm aus Lesungen, Workshops, Erlebnissen, Konzerten und Pop-up-Ausstellungen.

Wo das sein wird, ist jetzt noch offen; die konkreten Gespräche mit den möglichen Partnern folgen erst noch. Dass sich Teile des Kaff selbst für ein Projekt bei Ratartouille bewerben und trotzdem offen sind für eine Zusammenarbeit mit seinem Projekt, zeige auch, dass inzwischen viele Thurgauer Kulturschaffende erkannt hätten, dass Kooperation mehr Sinn ergibt, als sich gegenseitig dauernd zu konkurrenzieren.

Finale am 3. Oktober in Weinfelden

Ob das auch beim Publikum ankommt, wird sich am Freitag, 3. Oktober, entscheiden. Dann stimmen die Besucher:innen des Ratartouille-Finales im Thurgauerhof in Weinfelden über den Sieger ab. Wer dabei sein will, muss sich bis zum 1. Oktober bei der Kulturstiftung anmelden.

 

Lesungen stehen auch im Programm der Wanderdüne.

 

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Publikumswahl Ratartouille

Das Publikum bestimmt, welches Projekt mit CHF 100'000 unterstützt wird. Freitag, 3. Oktober 2025 – kostenlose Anmeldung bis 30. September 2025.

Der Kulturpool: Highlights aus den Regionen

Kuratierte Agenda-Tipps aus dem Kulturpool Schweiz.

«Kultur trifft Politik» #3

Gemeinsamkeiten, Klischees und Bedürfnisse von Kulturschaffenden und Politiker:innen im Dialog. Montag, 17. November 2025. Jetzt anmelden!

Dazugehörende Veranstaltungen

Bühne

Publikumswahl Ratartouille

Weinfelden, Kongresszentrum Thurgauerhof

Kulturplatz-Einträge

Kulturförderung, Veranstaltende

Kulturstiftung des Kantons Thurgau

8500 Frauenfeld

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