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Die Neuentdeckung des Thurgauerlieds

Die Neuentdeckung des Thurgauerlieds
Das Künstler:innen-Duo Schellinger Zaugg. Bestehend aus Samantha Zaugg und Stefan Schellinger. | © zVg

Die Geschichte des Kantons mit neuen künstlerischen Perspektiven verbinden – das ist die Idee hinter dem Projekt «Thurgauerlied» von Samantha Zaugg und Stefan Schellinger. Damit stehen sie im Finale des Wettbewerbs «Ratartouille» der Thurgauer Kulturstiftung. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Das Thurgauerlied beschreibt die Heimatliebe und Verbundenheit mit dem Kanton, seinen Landschaften und dem Fluss Thur. Es ist vor allem in den ersten Strophen («O Land, das der Thurstrom sich windend durchfliesst/dem herrlich der Obstbaum, der Weinstock entspriesst./O Land mit den blühenden Wiesen besät,/Wo lieblich das Kornfeld der Abendwind bläht.») eine Lobpreisung der hiesigen Landschaft. In gewisser Weise will das Kunstprojekt «Thurgauerlied» daran anknüpfen. «Es geht auch um eine Neuvermessung der Thurgauer Landschaft – mit künstlerischen Mitteln», sagt Stefan Schellinger im Gespräch mit thurgaukultur.ch.

Gemeinsam mit Samantha Zaugg (die auch Autorin bei thurgaukultur.ch ist) bildet er das Künstler:innen-Duo Schellinger Zaugg. Gemeinsam haben sie die Idee für den Wettbewerb «Ratartouille» bei der Thurgauer Kulturstiftung eingereicht. Am Freitag, 3. Oktober, stehen sie damit im Finale. Das Publikum entscheidet dann im Weinfelder Thurgauerhof, wer schliesslich die ausgelobten 100’000 Franken zur Umsetzung des eigenen Projekts bekommt.

Video: Mit diesem Trailer stellt sich das Projekt vor

 

3. Oktober: So kannst du mitabstimmen beim Finale von Ratartouille

Der «Ratartouille»-Wettbewerb ist ein Ideenwettbewerb der Kulturstiftung des Kantons Thurgau, bei dem das Publikum entscheidet, welches Projekt mit 100’000 Franken Startkapital gefördert wird. Die nächste Publikumswahl findet am Freitag, 3. Oktober 2025, um 17.30 Uhr im Thurgauerhof Weinfelden statt. Dort treten drei ausgewählte Projekte gegeneinander an, um die Gunst des Publikums zu gewinnen. Interessierte können sich noch bis zum 1. Oktober 2025 anmelden. Alle Finalprojekte stellen wir im Magazin von thurgaukultur.ch vor.

Die Vorgeschichte: «Ratartouille» wurde im November 2020 erstmals ausgeschrieben. Das Projekt sollte «das professionelle Kulturschaffen im Kanton beleben, Netzwerke über den Kanton hinaus eröffnen und das alles am besten in innovativer und experimenteller Art und Weise», schrieb die Kulturstiftung damals. Um das Format zu entwickeln, wurden andere Veranstaltungsreihen wie die «Werkschau» oder die «Lyriktage» von der Kulturstiftung gestrichen.

Wissen, das es nicht online gibt

Der Kerngedanke ihrer Idee ist eine Verbindung aus dem in regionalen Museen bestehenden Wissen mit Gedanken von zeitgenössischen Künstler:innen. In ausgewählten Orten wie dem Bohlenständerhaus in Amriswil oder der Kraftzentrale Schönenberg sollen Kunst-Ausstellungen stattfinden. „Die Museen und Sammlungen vereinen Gegenstände und Orte genauso wie Erzählungen und spezifisches Wissen. Diese Inhalte bieten Potential für neue Perspektiven und Betrachtungen durch zeitgenössische Kultur“, sagt Samantha Zaugg. 

Das Besondere an diesem Wissen vor Ort sei, dass es eben nicht beliebig abrufbar sei über das Internet. „Das existiert im Grunde nur vor Ort und ist damit fast so etwas wie ein Anachronismus in unserer durchdigitalisierten Welt“, findet Zaugg. Diese Einzigartigkeit des Wissens kombiniert mit der besonderen Aura der eher unbekannten Orte könne eine ganz besondere Kraft entwickeln, ist das Künstler-Duo überzeugt.

Insgesamt drei verschiedene Ausstellungen sollen an drei unterschiedlichen Orten entstehen. Wichtig ist Schellinger Zaugg dabei, dass jede Schau kollaborativ entsteht: „Wir als Kurator:innen wollen dabei im dauernden Dialog mit den Museen und den beteiligten Künstler:innen stehen“, erklärt Stefan Schellinger.

 

Zu Besuch im Bohlenstädnerhaus: Samantha Zaugg mit Präsidentin Karin Hungerbühler. Bild: zVg

Neue und ortsspezifische Arbeiten sollen entstehen

Ziel sei es, dass neue und ortsspezifische Arbeiten entstehen. Die beteiligten Künstler:innen sollen sich in ihren Arbeiten mit den Orten und ihren Themen beschäftigen. Welche Künstler:innen schliesslich teilnehmen, das wollen die Kurator:innen auswählen – aber nicht im stillen Kämmerlein, sondern auch hier sei der Dialog und der Austausch wichtig. «Wir arbeiten mit Künstler:innen aus unserem Netzwerk. Es soll auch durchmischt sein. Etablierte Kulturschaffende sollen ebenso darunter sein, wie junge Perspektiven», sagt Samantha Zaugg.

Für Zaugg und Schellinger wäre es das grösste Projekt, das sie bislang gemacht haben. Seit 2022 betreiben die beiden Künstler:innen das «Hotel Tiger» in Zürich. 14 Gruppenausstellungen haben die beiden hier realisiert. «Bei der bisher grössten Ausstellung im März 2025 waren 22 Künstler:innen dabei», sagt Stefan Schellinger. Dass sie sich selbst auch immer als Teil des künstlerischen Prozesses verstehen, zeigt auch ein anderes Projekt, das die beiden gerade im Experimenthaus des Schweizer Werkbundes SWB in der Siedlung Neubühl in Zürich organisiert haben. Für ein Jahr bewohnen sie das denkmalgeschützte Haus in der Siedlung und veranstalten in dieser Zeit öffentliche Salons und Ausstellungen zu Fragen des Wohnens.

Lokale Vereine und Chöre sollen eingebunden werden

Im November 2025 sind sie zudem als Kurator:innen bei der Kunstnacht Konstanz Kreuzlingen engagiert. «Für unsere Projekte arbeiten wir immer mit Künstler:innen aus unterschiedlichen Disziplinen», sagt Samantha Zaugg. Das soll sich auch im «Thurgauerlied» widerspiegeln. Beiträge aus Musik, Literatur, Tanz und Theater sollen die geplanten Ausstellungen ergänzen. Und: Auch lokale Vereine, Chöre und Musikgesellschaften sollen Teil des Programms werden. Dieser partizipative Ansatz hat für das Duo aber auch eine inhaltliche Funktion: „Bei der Verbindung von Musik und bildender Kunst entstehen neue Zugänge. So können wir ein breiteres Publikum ansprechen“, hat Samantha Zaugg bei früheren Projekten beobachtet.

An welchen Orten ihr Projekt am Ende gastieren wird, ist noch offen. Aber zumindest mit dem Bohlenständerhaus und der Kraftzentrale sei man in guten Gesprächen. Bei der Auswahl der möglichen Orte folgten die beiden nach eigenen Angaben einem klaren Raster: «Wir haben Orte gesucht, die nicht alle kennen, die noch nicht zu definiert sind, damit etwas Neues entstehen kann. Ausserdem sollten es Orte sein, die abseits der Zentren liegen», sagt Schellinger. Am Ende gehe es aber auch darum, dass die Orte einen Teil der Geschichte des Kantons spiegelten, ergänzt Zaugg.

 

Die Kraftzentrale Schönenberg gehörte zu einer Seidenstoffweberei, die von 1862 bis 1978 edle Seidenwebstoffe produzierte. Heute ist das Haus ein Museum. Bild: zVg

Eine Rom-Reise war die Inspirationsquelle

Die Inspiration für ihr Ratartouille-Projekt haben die beiden in Rom erhalten, erzählt Stefan Schellinger. Das dortige Centrale Montemartini, ein ehemaliges Elektrizitätswerk, das heute als Museum dient, zeigt antike römische Skulpturen vor dem Hintergrund monumentaler Industrieanlagen. «Die Gegenüberstellung von zwei Dingen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, fand ich spannend», sagt Schellinger. Ganz ähnlich soll es dann auch beim «Thurgauerlied» klingen.

Ob das Projekt wirklich realisiert wird, entscheiden die Zuschauer:innen des Ratartouille-Finales am Freitag, 3. Oktober, im Thurgauerhof in Weinfelden. Anmeldungen dafür sind bis zum 1. Oktober möglich.

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Publikumswahl Ratartouille

Das Publikum bestimmt, welches Projekt mit CHF 100'000 unterstützt wird. Freitag, 3. Oktober 2025 – kostenlose Anmeldung bis 30. September 2025.

Der Kulturpool: Highlights aus den Regionen

Kuratierte Agenda-Tipps aus dem Kulturpool Schweiz.

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Publikumswahl Ratartouille

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Kulturförderung, Veranstaltende

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8500 Frauenfeld

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