von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 02.11.2020
Hoffnungsschimmer aus Halle
Gute Belüftungstechnik, Essen am Platz, mehrere Eingänge: Eine wissenschaftliche Studie aus Deutschland zeigt, wie Grossanlässe auch in Zeiten der Pandemie möglich sein können.
Unter bestimmten Bedingungen sollen Grossveranstaltungen mit mehreren tausend Besuchern auch in Zeiten der Pandemie möglich sein. Das ist das Ergebnis der wissenschaftlichen Studie «Restart19» von Universität und Universitätsklinikum Halle. Ein Teil dieses Projektes war Ende August ein Konzert mit Tim Bendzko in einer Arena in Leipzig. Hier wurden die ZuschauerInnen mit Kontakt-Tracern ausgestattet, die ihre Wege durch die Halle aufzeichneten. Diese Daten der rund 1400 StudienteilnehmerInnen wurden im Anschluss ausgewertet und überprüft.
Zusätzlich wurden sogenannte Luftströmungssimulationen durchgeführt: „Wir haben zusammen mit einem Ingenieurbüro die gesamte Arena als Computermodell nachgebaut und in kleine Würfel geteilt. Danach haben wir simuliert, wie sich verschiedene Lüftungsvarianten auf die Aerosolverteilung ausgewirkt haben“, erklärt Studienleiter Stefan Moritz von der Universitätsmedizin Halle (Saale) in einer Medienmitteilung der Hochschule.
Oberste Priorität: Strenge Einhaltung von Hygiene-Konzepten
Die Botschaft, die die Forscher aus dem Projekt mitnehmen, dürfte ein Wohlklang in den Ohren von Kulturschaffenden und Veranstaltungsbranche sein: Demnach sind die zusätzlichen Auswirkungen solcher Grossveranstaltungen auf die Pandemie bei Einhaltung von Hygiene-Konzepten gering bis sehr gering. Insbesondere während des Einlasses und in den Pausen fänden viele Kontakte statt, dies müsse bei künftiger Planung berücksichtigt werden. Und: Schlechte Belüftung in den Hallen könne die Zahl der dem Ansteckungsrisiko ausgesetzten Menschen deutlich erhöhen.
Einschränkend muss man allerdings sagen: Bislang sind die Ergebnisse der Studie noch nicht wissenschaftlich publiziert und somit auch noch nicht von unabhängigen Gutachtern geprüft.
Klare Regel: Je mehr Infektionen, desto weniger Zuschauer
Als Erkenntnisse aus ihren Ergebnissen leiten die Wissenschaftler vor allem fünf Empfehlungen für künftige Grossanlässe ab.
1. Veranstaltungshäuser benötigen Belüftungstechnik, die eine gute Belüftung und einen regelmässigen Raumluftaustausch mit frischer Luft ermöglicht.
2. So lange die Pandemie anhält, müssen Hygiene-Konzepte weiterhin angewendet werden: Maskenpflicht in der Halle. In den Räumen sollen so genannte „Hygiene-Stewards“ die Einhaltung der Standards kontrollieren.
3. Der Bestuhlungsplan und die Gästezahl sollten an die jeweilige Inzidenz (die Anzahl der neu auftretenden Erkrankungen innerhalb einer Personengruppe von bestimmter Grösse während eines bestimmten Zeitraums) am Veranstaltungsort angepasst werden. Das heisst: Je höher die Inzidenz, um so weniger ZuschauerInnen dürfen zugelassen werden.
4. Als Zugang zu den Veranstaltungsorten sollten mehrere Eingänge vorhanden sein, um Besucherströme zu lenken. Wartezonen sollten ins Freie verlagert werden.
5. Während der Veranstaltung sollte nur an den Sitzplätzen gegessen werden, um Gedränge und lange Kontakte an Imbiss-Ständen zu vermeiden.
Bemerkenswert ist auch ein anderes Ergebnis der Untersuchung: Rund 90 Prozent der nach dem Konzert befragten StudienteilnehmerInnen finden es nicht schlimm, eine Maske zu tragen und sind bereit, dies weiterhin zu tun, um wieder Veranstaltungen erleben zu können.
Video: Studienleiter Dr. Stefan Moritz im Interview
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