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Kunst und Politik: Mehr Offenheit wagen

Kunst und Politik: Mehr Offenheit wagen
Kartause Ittingen Südtor vor der Gründung der Stiftung | © Kartause Ittingen

In einem lange unter Verschluss gehaltenen Gutachten zu einer Erweiterung des Kunstmuseums in der Kartause Ittingen, setzen Denkmalpfleger enge Grenzen für eine Bebauung. Das könnte auch die neuen Pläne erschweren.

In der vergangenen Woche hat der Grosse Rat des Kantons entschieden, dass die Politik im Thurgau transparenter werden muss. Das Votum fiel knapp aus, aber der Weg zu mehr Offenheit scheint nun frei. Gelingt die Umsetzung, dann verkehrt die Initiative das Informationsverhältnis zwischen Staat und Bürger: Nicht mehr die Bürgerinnen und Bürger müssen erklären, weshalb sie etwas wissen wollen, sondern der Staat muss belegen, warum er etwas geheimhalten will. 

Dass diese Entwicklung richtig, aber um Jahre zu spät kommt, zeigt im Thurgau einmal mehr der Fall der vor Jahren gescheiterten Sanierung und Erweiterung des Kunstmuseum Thurgau in der Kartause Ittingen. Denn: Noch in derselben Woche, in der das Parlament sich für das Öffentlichkeitsprinzip ausspricht, veröffentlicht der Regierungsrat ein Dokument, das bislang jahrelang unter Verschluss war: Das Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD) zum geplanten Erweiterungsbau des Kunstmuseums aus dem Jahr 2014. Kritiker des Projektes hatten im vergangenen November darauf hingewiesen, dass eben diese EKD den Bau schon vor Jahren abgelehnt hatte, ohne, dass dies jemals der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde. 

Warum bleibt ein so brisantes Gutachten so lange unbeachtet?

Liest man das Gutachten heute (für alle öffentlich hier), dann wird ziemlich schnell klar, dass sich der Kanton viel Ärger hätte sparen können, wenn er die Aussagen darin ernster genommen hätte. Es kam aber anders: Carmen Haag, Chefin des kantonalen Departements für Bau und Umwelt, erhielt das Gutachten am 21. August 2014, behielt es dann aber fast anderthalb Jahre für sich, ehe sie es im Dezember 2015 dem Gesamtregierungsrat weiterleitete. Begründung dafür: Ihr sei die Bedeutung des Schreibens zu wenig bewusst gewesen, heisst es dazu in der Beantwortung einer einfachen Anfrage von Kantonsrat Peter Dransfeld. 

Das ist einigermassen erstaunlich, denn das Gutachten ist in seiner Aussage sehr deutlich. An mehreren Stellen des 11-seitigen Papiers weisen die Autoren daraufhin, dass der geplante Erweiterungsbau aus denkmalpflegerischen Gründen abzulehnen sei: „Die EKD erachtet die Bebauung am geplanten Ort als schwere Beeinträchtigung des national bedeutenden Ortsbildes und des Baudenkmals Kartause Ittingen. (…) Deshalb lehnt sie die Erweiterung des Kunstmuseums in der Grösse und Präsenz des geplanten Neubaus zwischen dem Nordflügel der ehemaligen Eremitenwohnungen und der Umfassungsmauer ab.“

Gutachter setzen auch Grenzen für neue Projekte in der Kartause

Interessant ist das Gutachten aber nicht nur im Blick auf die Vergangenheit, sondern auch für zukünftige mögliche Erweiterungsprojekte des Kunstmuseums innerhalb der Klostermauern. Die Denkmalpfleger setzen hier enge Grenzen. Angesichts des besonderen Schutzes der Anlage sei lediglich „ein bescheidenes Weiterbauen möglich“. So könnten bestehende Nebenbauten „bei nachgewiesenem Bedarf und sorgfältiger Prüfung mehr im Sinne einer Ergänzung allenfalls ersetzt und massvoll erweitert werden können“, so die Gutachter. Und: „Aus Sicht der Kommission ist das Potential für die Verbesserung der Museumsverhältnisse in erster Linie in der besseren Ausnutzung der bestehenden Museumsräumlichkeiten zu nutzen.“ 

Bleibt die Kommission bei dieser Auffassung, wird man wohl auch von einem möglichen neuen Erweiterungsbau keine allzu grossen Dinge erwarten können. Nott Caviezel, Präsident der EKD seit 2009, fasst das Dilemma des Projektes in seinem Gutachten pointiert zusammen: Der Anspruch der Stiftung auf einen prägnanten Erweiterungsbau stehe der Erhalt der herausragenden Bedeutung der Kartause Ittingen als Kultur- und Baudenkmal gegenüber. Diesem Dualismus werden sich wohl auch Nachfolger-Projekte stellen müssen.

Wie die Initiative politische Versteck-Spielchen erschweren könnte

Mit der Veröffentlichung des Gutachtens will der Regierungsrat aber keine Zeitenwende in Sachen Transparenz einläuten. Es sei der Beantwortung der Anfrage von Peter Dransfeld beigelegt, weil es „auf grosses Interesse stösst“. Grundsätzlich gelte aber weiter das Geheimhaltungsprinzip: „Eine vollständige Offenlegung aller das Projekt betreffenden Dokumente wäre unverhältnismässig und nicht zulässig“, so der Regierungsrat. Dass die Regierung bei diesem Projekt, das schon so oft unter Mauschelei-Verdacht stand, immer noch auf die Geheimhaltung pocht, ist weder klug noch nachvollziehbar. So bleibt der Makel, dass hier etwas verheimlicht werden soll. Und das könnte auch Nachfolge-Projekte Vertrauen kosten. Ein komplett reiner Tisch hingegen würde einen möglichen Neustart vereinfachen.

Solche politischen Versteck-Spielchen könnten sich erst ändern, wenn die überparteiliche Verfassungsinititiave „Offenheit statt Geheimhaltung“ vom Volk angenommen wird. Termin für diese Abstimmung ist voraussichtlich schon am 19. Mai.

Weiterlesen: Die ganze Geschichte um Sanierung und Erweiterung des Kunstmuseum Thurgau können Sie auch in unserem Dossier zum Thema nachlesen. 

 

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