von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 17.02.2020
Mit Sturmgewehr in den Shitstorm
Die Uesslinger SVP-Grossrats-Kandidatin Cornelia Büchi posiert auf einem Wahlplakat mit einem Gewehr und erntet einen Sturm der Entrüstung. Wie konnte das passieren?
Dass Politiker mit Waffen auf Wahlplakaten posieren, kannte man bislang vor allem aus den USA. Cornelia Büchi, SVP-Grossrats-Kandidatin aus Uesslingen, dachte sich: Was die können, kann ich schon lange und liess sich für ihre Wahlwerbung mit einem Sturmgewehr ablichten. Dazu der Slogan „Zielorientiert auch im Grossen Rat“. Dass das für, nun ja, Diskussionen sorgen würde, war absehbar.
«Ich bin schockiert: Das letzte Mal, als ein Sturmgewehr in einem Kantonsrat war, starben 14 Menschen!», schreibt ein Kommentator auf der Facebook-Seite von Büchi in Anspielung auf das Zuger Attentat vom September 2001, bei dem Friedrich Leibacher im Kantonsrat 14 Menschen erschoss. «Geschmacklos, peinlich und unverzeihlich» sei das Sujet.
Tatsächlich stellt sich die Frage, wie es zu diesen Motiven kommen konnte. Wir haben mit Cornelia Büchi telefoniert.
Frau Büchi, wie, um Himmels willen, kam es zu diesen Fotos auf ihren Wahlplakaten?
Für mich ist Schiessen vor allem Sport. Die Eigenschaften, die man dort braucht, können auch in der Politik hilfreich sein: Präzision, Konzentration, Durchhaltevermögen. Das war die Botschaft, die ich mit den Plakaten senden wollte.
Dass das zu Diskussionen führen würde, war klar. Wollten Sie bewusst provozieren?
Ich hatte vermutet, dass es den einen oder anderen Kommentar geben würde, aber dass das jetzt zu so einem Shitstorm ausartet und sogar der Blick berichtet, hatte ich nicht erwartet. Ausserdem muss man auch mal klarstellen: Von mehr als 30 Wahlplakaten, die aktuell hängen, bin ich auf gerade mal zwei mit dem Gewehr zu sehen. Die anderen sind ganz normale Plakate. Diese beiden Plakate mit Gewehr stehen zudem beim Schützenhäusli und sind aus meiner Sicht in diesen geographischen Kontext eingebunden.
Es kursiert auch ein weiteres Motiv, dass Sie zeigt wie Sie das Gewehr geschultert haben und fast durchs Visier schauen…
Das ist aber kein Wahlplakat, das war aus einem Mailing, dass ich an Schützen geschrieben habe. Dieses Motiv hätte ich nie als Wahlplakat verwendet. Aber ich hätte es vielleicht nicht auch noch auf meiner Facebook-Seite posten sollen.
Trotzdem posieren Sie so. Finden Sie es nicht problematisch sich in Zeiten zunehmender kriegerischer Auseinandersetzungen mit einer Waffe zu inszenieren?
Schauen Sie, ich verurteile Kriege und Attentate genauso wie all jene, die mich jetzt kritisieren. Aber für mich sind das zwei verschiedene Dinge: Der Schiesssport und diese Waffengewalt. Ich bin schon lange im Schiesssport aktiv, engagiere mich da auf vielen Ebenen. Das Schiessen ist ja tief in der Schweizer Kultur verankert. Ich wollte die positiven Seiten des Schiesssports transportieren. Ich verstehe, dass man das missverstehen kann. Ich wollte allerdings wirklich niemanden verletzen mit dieser Wahlwerbung. Sollte dies geschehen sein, so tut es mir leid.
Hängen Sie die Plakate nun ab?
Nein, das habe ich bislang nicht geplant.
Wenn Sie nochmal neu entscheiden könnten, würden Sie das Plakatmotiv wieder wählen?
Schwer zu sagen. Eine Woche lang ist nichts passiert, erst über das Wochenende hat es sich jetzt aufgeschaukelt. Neben einigen abscheulichen Reaktionen unter der Gürtellinie habe ich übrigens auch zahlreiche positive Rückmeldungen zu den Plakaten bekommen. Und wenn man ehrlich ist: Die Leute, die sich jetzt darüber aufregen, hätten ohnehin nie die SVP gewählt.
P.S.: Die Frauenfelder SP-Kandidatin Salome Scheiben hat auf ihre Weise auf das Plakat reagiert:
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