von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 08.02.2017
Nicht nur für Pilger
Bei seiner Gründung sollte das Kloster Fischingen Pilgern auf dem Weg von Konstanz nach Einsiedeln Obdach und Zuflucht bieten. Heute wohnen noch genau sechs Mönche hier. Dafür gibt es ein ambitioniertes Konzertprogramm in dem Haus, das heute längst mehr Seminarhotel denn Klosterbetrieb ist
Natürlich geht es Cornelia Scheiwiller auch um den Erfolg. Es wäre ja auch fast ein bisschen verrückt, wenn das nicht so wäre. „Erfolg ist uns wichtig", sagt die Leiterin des Kulturprogramms im Kloster Fischingen denn auch, wenn man sie danach fragt, Aber: Erfolg ist für sie eben nicht nur ein ausverkauftes Konzert, sondern auch noch etwas Anderes: „Wir sind erfolgreich, wenn unsere Konzerte als Insel der Erholung betrachtet werden, wenn Besucher beschwingt nach Hause fahren und sich fragen, wann eigentlich das nächste Konzert im Kloster Fischingen stattfindet."
Wer Cornelia Scheiwiller treffen will, muss ein bisschen Zeit einkalkulieren. Fischingen ist der südliche Zipfel des Kantons. Im Westen grenzt die Gemeinde an den Kanton Zürich, im Osten an St. Gallen. Fast egal, von wo man aus dem Kanton anreist, es dauert ein bisschen bis man da ist. Die Thurgauer Kantonshauptstadt Frauenfeld kann sich da manchmal ziemlich weit weg anfühlen. Und trotzdem ist hier etwas gelungen, was nicht selbstverständlich ist - die Etablierung einer ambitionierten Konzertreihe. Massgeblich dafür verantwortlich ist Cornelia Scheiwiller. Sie leitet das Kulturprogramm des ehemaligen Benediktinerklosters.
Hoffnungsvoller Nachwuchsstar: Chiara Enderle spielt am 19. Februar im Kloster Fischingen. Bild: Chiara Enderle
Begonnen hat alles 2007, davor gab es zwar immer mal wieder Orgelkonzerte, aber kein klar strukturiertes Programm. Inzwischen gibt es 13 Konzerte in den verschiedenen Räumen des Klosters, gespielt wird entweder in der Kirche oder in der Bibliothek des Hauses. Im vergangenen Jahr kamen insgesamt 1530 Zuschauern zu den Konzerten ins Kloster. Kein Rekordjahr, aber doch ein ganz solider Schnitt für ein klassisches Programm. Ausgewählt wird das von der hauseigenen Kulturkommission, die Mitglieder dieser Runde arbeiten ehrenamtlich. Manchmal bewerben sich Künstler direkt, manchmal haben aber auch die Kommissionsmitglieder eigene Ideen wen oder was sie gerne in der kommenden Saison sehen würden. „Wir versuchen immer ein möglichst breites Spektrum abzudecken, es soll für viele Interessen etwas dabei sein", erklärt Cornelia Scheiwiller die Entstehung des Jahresprogramms.
Die Aufgabe werde dabei immer komplexer, denn „die Ansprüche des Publikums verändern sich und werden höher", bemerkt Scheiwiller. Deshalb stellten sie sich bei der Konzeption einer neuen Saison stets die Fragen: „Wie wird ein grösseres Publikum auf unser Angebot aufmerksam? Wie heben wir uns von anderen Veranstaltern ab? Wie bleiben wir auf Erfolgskurs? Wie erreichen wir das Publikum von morgen?", so die Leiterin des Fischinger Kulturprogramms.
Ziel der Reihe ist es auch, den Nachwuchs zu fördern
Für 2017 versuchen sie es jetzt auch mit grossen Namen. Die Bayerische Kammerphilharmonie (24. September) kommt zum Beispiel und auch der legendäre Klarinettist Giora Feldman mit seinem Gershwin-Quartett (31. Dezember). Daneben soll aber auch Platz bleiben für Nachwuchskünstler wie Chiara Enderle (19. Februar) oder Elea Nick. Die Cellistin Chiara Enderle zählt zu den grossen Hoffnungen im Schweizer Musiknachwuchs. 2014 wurde die heute 25-Jährige als «Migros-Kulturprozent-Solistin» ausgezeichnet, weitere Preise sind in den vergangenen Jahren hinzugekommen. Elea Nick ist mit ihren 17 Jahren noch jünger, gilt aber auch schon als eines der grössten Geigentalente ihrer Generation. Internationale Erfolge feierte sie beim internationalen Violinwettbewerb 2013 in Novosibirsk mit einem ersten Rang und 2015 wurde sie in Lublin beim internationalen Lipinski-Wieniawski Wettbewerb ebenfalls mit dem ersten Preis ausgezeichnet.
Anders als in früheren Spielzeiten gibt es nun auch Konzerte unter der Woche. „Nicht für jeden Menschen ist Sonntag der beste Tag für einen Konzertbesuch, deshalb bieten wir jetzt auch Anlässe donnerstags und freitags an", erklärt Cornelia Scheiwiller. Möglich ist das Konzertprogramm vor allem auch dank Fördergeldern vom Kanton. 24 000 Franken erhält der Kulturbetrieb im Jahr aus öffentlichen Mitteln. „Das macht es uns erst möglich, dass wir auch Neues, allenfalls Risiko behaftetes, wagen können", gibt die Kulturmanagerin zu.
Das grösste Pfund, das sie im Wettbewerb mit anderen Veranstaltern in die Waagschale werfen kann, sind natürlich die aussergewöhnlichen Räume des Klosters. Die barocke Atmosphäre der Klosterkirche einerseits und die intime Stimmung im Bibliothekssaal andererseits. „Diese besondere Akustik und Stimmung der Räume spricht sich natürlich auch bei den Künstlern rum. Die sind immer ganz begeistert von den Möglichkeiten hier", sagt Cornelia Scheiwiller.
Bis 2018 ist das Konzertprogramm finanziell gesichert
Getragen wird die Initiative Kultur Kloster Fischingen von einem Trägerverein, in dem sich drei Vereine engagieren: Der Verein Barockkirche Fischingen, die Katholische Kirchengemeinde Faschingen und der Verein Kloster Fischingen. Macht die Reihe ein Defizit in einer Saison, wird es von den Trägern ausgeglichen. Dass Cornelia Scheiwiller überhaupt ihren Job im Kloster ausfüllen kann, liegt auch am Verein Kloster Fischingen. Der finanziert die Personalkosten für ihre Stelle. „Wir sind uns des Luxus dieser breiten ideellen und materiellen Unterstützung sehr bewusst", sagt Scheiwiller.
Die Zukunft der Reihe ist mindestens bis 2018 gesichert. So lange geht die aktuelle Leistungsvereinbarung mit dem Kanton über die Gelder aus dem Lotteriefonds. Die Inhalte sollen auch darüber hinaus offen und wandelbar bleiben. „Wir denken immer mal wieder über eine Erweiterung in Richtung Jazz oder Literatur nach. Vielleicht wird es auch das eines Tages mal geben bei uns im Kloster", blickt Scheiwiller schon ein Stück voraus.
Das Programm für 2017 im Überblick
19. Februar: Carmina Quartett und Chiara Enderle
12. März: Ensemble Corund
16. April: NeoBarock
11. Mai: Trio Fellini
13. August: Els Biesemans, Orgel
20. August: Rudolf Lutz, Orgel & Georg Poplutz, Tenor
27. August: Tobias Frankenreiter, Orgel & Marita Seeger, Violine
24. September: Bayerische Kammerphilharmonie
29. Oktober: Elea Nick, Violine & André Desponds, Klavier
17. November: NEXUS reed quintet
31.Dezember: Giora Feidman & Gershwin Quartett
Weitere Details zum Konzertprogramm und Reservationsmöglichkeiten gibt es hier: http://www.klosterfischingen.ch/angebot/kultur
Videos zum Thema
So klingt Chiara Enderle am Cello
So klingt Elea Nick im Konzert
So klingen Giora Feidman und sein Gershwin-Quartett
So wirbt das Kloster Fischingen für sich im Video
Weitere Beiträge von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter
- Von hohen Türmen und grossen Träumen (19.04.2024)
- Machen statt labern (04.04.2024)
- Pixel in Pink (27.03.2024)
- Wen wählen? Die Parteien im Kulturcheck (25.03.2024)
- „Neuer Standort für das Kunstmuseum in urbanem Raum“ (25.03.2024)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Musik
Kommt vor in diesen Interessen
- Vorschau
- Klassik
Kulturplatz-Einträge
Ähnliche Beiträge
Zu Unrecht fast vergessen
Am Sonntagabend fand im Rathaus Weinfelden die Buchvernissage von «Hidden Heartache» statt. Das Buch ist im Rahmen der Reihe «Facetten» der Kulturstiftung des Kantons Thurgau entstanden. mehr
Dem Alltag entfliehen
Mit bekannten Namen und literarischen Experimenten: Das Jahresprogramm des Klosters Fischingen bietet Raum für Entdeckungen. mehr
Eine Passion für alle
Warum berührt uns Bachs Johannespassion noch heute? Christian Bielefeldt, künstlerischer Leiter und Dirigent des Oratorienchor Kreuzlingen, über Bachs dramatisches Geschick und seine Klangsprache. mehr