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von Inka Grabowsky, 20.02.2017

Uraufführung einer Fusion

Uraufführung einer Fusion
Gut gelaunt auf der Probe: Dirigent Claus Gunter Biegert, Komponist Peter Roth und Präsident Peter Dransfeld | © Inka Grabowsky

Der Männerchor Ermatingen hat sich vom bekannten Toggenburger Musiker Peter Roth ein Programm mit Jodelliedern komponieren lassen. Die Proben verlaufen vielversprechend. Im Mai ist Premiere.

Von Inka Grabowsky

Eine „Bieridee" vor zwei Jahren gab den Anstoss für das Projekt, das den Verein in Ermatingen nun voll beschäftigt. „Beim Schweizer Gesangfest 2015, dem Sängertag in Meiringen, haben wir einem Jodelchor zugehört", erzählt Peter Dransfeld, der seit 15 Jahren Vereinspräsident ist. Die Sänger seien immer wieder auf der Suche nach besonderen Projekten, die sie mit anderen Chören oder mit Orchestern zusammenführten. Diesmal sollten es nun also Jodler sein.

Peter Roth, der seit gut fünfzig Jahren im Toggenburg Musik macht, war gerne bereit, den Seebewohnern zur Seite zu stehen. Als Mitinitiant der Klangwelt Toggenburg und langjähriger Leiter des Festivals Naturstimmen, war er für die Gruppe der ideale Ansprechpartner. Er erklärte den Laien zunächst, dass Jodellieder, wie sie sie singen wollten, gar nicht aus den Schweizer Bergen stammten. „Das Jodellied – die Mischung aus Männergesang und Jodel im Refrain - hat seine Anfänge in der Romantik. Damals litten die Menschen unter den Auswirkungen der Industrialisierung, so wie heute einige Angst von der Globalisierung haben. Es gab und gibt eine Sehnsucht nach Ursprünglichkeit. Und deshalb entstanden in den Städten Vereine, die Sitten der Älpler für sich adaptierten. Das Schwingen verbreitete sich ebenso wie das Jodellied."

Erste Hörprobe: So klingen die Probearbeiten des Chores

Seiner Meinung nach boomt Jodeln in der letzten Zeit, weil die Menschen orientierungslos geworden sind. „Naturklänge vermitteln eine Verbindung zum Ganzen, sie ermöglichen eine quasi religiöse Erfahrung." Roth erklärt den Ermatingern nicht nur das Jodellied, er hat auch extra für sie die „Toggenburger Psalme" geschrieben. Für seinen Auftrag suchte er sich fünf Psalmen aus und übertrug sie in Dialekt, darunter – äusserst passend - Psalm 98 „Singet dem Herrn ein neues Lied". So eine Uraufführung sei schon spannend, gibt der Komponist zu, obwohl er fast jedes Jahr um eine Auftragskomposition gebeten wird. „Man hat etwas im Kopf, und dann hört man es, und es kommt einen zu schnell oder zu laut vor." 

Grosser organisatorischer Aufwand

Seit August 2016 laufen die Proben. „Wir haben 15 Projektsänger aus der Umgebung für unser Vorhaben gewinnen können", sagt Dransfeld stolz. „So viel waren wir noch nie." Gesanglich sei die Aufgabe zu bewältigen, meint der Präsident, aber die Organisation bedeute für einen kleinen Dorfverein sehr viel Arbeit. „Es stecken schon mehrere hundert Stunden in dem Projekt. Insbesondere die Finanzierung hat unserem Organisationskomitee Kopfzerbrechen bereitet." Ein fünfstelliger Betrag ist budgetiert. „Erfreulicherweise haben wir Unterstützer gefunden, denn die Konzerte werden gratis zu hören sein. Wir bitten nur um eine freiwillige Spende."

Peter Dransfeld in Aktion. Der Leiter des Männerchor Ermatingen bringt jetzt ein grenzüberschreitendes Projekt voranPeter Dransfeld in Aktion. Der Leiter des Männerchor Ermatingen bringt jetzt ein grenzüberschreitendes Projekt voran. Bild: Inka Grabowsky

Die Komposition, die Noten, das Programmheft und das Honorar der musikalischen Leiter Peter Roth und Claus Gunter Biegert müssen bezahlt werden. Auch zwei professionelle Jodler und die Brandhölzler Streichmusig bekommen Geld für ihre Auftritte. Denn die 35 Männer lassen sich von einem Streichquintett aus Geigen, Cello, Bass und Hackbrett begleiten. Auch zu diesem Instrument hat Peter Roth Spannendes zu erzählen: „Das Hackbrett, das wir heute als klassisches Schweizer Instrument empfinden, kommt eigentlich aus Persien. Es ist ein Migrant, der vor ein paar hundert Jahren zu uns gekommen ist – das gibt doch Hoffnung." Die scheinbar traditionelle Streichmusik ist nach seinen Angaben ebenfalls eine Melange neueren Datums: Sie entstand im 19. Jahrhundert mit den Anfängen des Tourismus. Die Damen der besseren Gesellschaft kamen zu Molkekuren in die Schweiz. Um sie zu unterhalten, schlossen sich Musiker zu Kurorchestern zusammen, die mit ihren Instrumenten die damals sehr beliebte Wiener Musik spielten.

Höhepunkt im Mai

Es ist schwierig, so viele Mitwirkende unter einen Hut zu bekommen, deshalb wird es nur zwei vollständige Aufführungen des neuen Programms unter dem Motto „I luege ue id Berge" (nach dem Psalm 121) geben. Am 13. Mai ist Uraufführung in der Lutherkirche in Konstanz, am 14. Mai gibt es ein zweites Konzert in Ermatingen.

Termine: Uraufführung in der Lutherkirche Konstanz am 13. Mai 2017 um 17 Uhr. Zweites Konzert am 14. Mai in Ermatingen, ebenfalls um 17 Uhr.

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