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Wann beginnt denn nun diese Zukunft der Arbeit?

Wann beginnt denn nun diese Zukunft der Arbeit?
"Die Dinge der Woche" sind der Blog des Thurgaukultur-Redaktionsleiters Michael Lünstroth | © Michael Lünstroth

Die Arbeit ist längst der zentrale Platz unseres Lebens geworden. Die Digitalisierung wird diesen Ort dramatisch verändern. Wie sehr, dazu gibt es ganz unterschiedliche Ansichten.

Von Michael Lünstroth

Arbeit, das war früher etwas, das man machte, um zu überleben. Man dachte nicht gross darüber nach, sondern machte einfach. Erledigte Dinge, die erledigt werden mussten. Und danach kamen dann wieder andere Dinge. Selbstverwirklichung? Freude? Karrierestreben? Spielte keine Rolle, der Beruf war zum Broterwerb da. Punkt. Klar, auch heute macht nicht jeder seinen Job aus purer Freude. Geld verdienen, um zu überleben, ist immer noch wichtig. Aber all die anderen Dinge wie eben Selbstverwirklichung und Karrierestreben sind heute für viele Menschen ein elementarer Grund morgens nicht liegen zu bleiben, sondern aufzustehen. Kein Wunder: Wir verbringen alle immer mehr Zeit bei der Arbeit, sie ist zum zentralen Ort unseres Lebens geworden. Mit allen Konsequenzen.

Weil dieser Ort so bedeutend ist, lohnt es erst recht darüber nachzudenken, wie die Arbeit in Zukunft aussehen wird. Zukunftsforscher machen sich seit Jahren Gedanken darüber und ihre Meinungen dazu sind, nun ja, sehr vielfältig. Einig ist man sich zumindest darin, dass die Digitalisierung unsere Arbeit im Kern verändern wird. Starten wir mit den Schreckensszenarien: Die Unternehmensberater von McKinsey haben in einer Studie Ende vergangenen Jahres beschrieben, dass bis 2030 weltweit zwischen 75 und 375 Millionen Arbeitnehmer ihren Job wegen der Automatisierung wechseln müssen. So weit, so unpräzise. Aber auch die Zukunftsforscherin Beate Schulz-Montag sieht klassische Beschäftigungsfelder unter Druck: „Alle geringer qualifizierten Berufe und zunehmend auch kognitive Berufe, die ganze Sachbearbeiterbebene: Da sind grosse Arbeitsplatzverluste zu befürchten." Die Digitalisierung - und mit ihr die Automatisierung von Arbeitsprozessen - erhöhe den Druck auf jene, deren Tätigkeiten künftig kostengünstiger von Maschinen und Algorithmen erledigt werden könnten.

Hierachien werden flacher, Erwerbsformen flexibler und mobile

Nicht alle sind da so pessimistisch. Matthias Horx, ebenfalls Zukunftsforscher, hält von den Untergangsszenarien nichts: „In zyklischen Abständen geht im Reich der Arbeitsdebatte das Gespenst der radikalen Verknappung um. Derzeit predigen Jeremy Rifkin und andere Theoretiker wieder das „Ende der Arbeit“: „Industrie 4.0“ und „Künstliche Intelligenz“ sowie die „Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ werden massenweise „Arbeit vernichten“ – und zu einer gewaltigen Krise der Erwerbsgesellschaft führen.Das ist, war und bleibt Unsinn“, schreibt Horx in seinen „Fünf Thesen zur Zukunft der Arbeit“. Er ist überzeugt, dass neue Technologie auch immer neue Arbeit hervorbringe. In seinen Thesen beschreibt Horx auch, dass Arbeitsmodelle vielfältiger werden werden, die klassische Acht-Stunden-Logik breche auf: „Hierachien werden flacher, Erwerbsformen flexibler und mobiler, langsam löst sich die Arbeit von der Präsenz.“ 

Ein Wesen unserer Zeit, so Horx weiter, sei auch, dass wir in Informationen ertrinken und nach Wissen hungern. Deshalb werden an dieser Stelle neue Jobs entstehen, ist der Zukunftsforscher überzeugt: „Die Zukunft gehört nicht den Avataren, sondern den Humanagenten die uns dabei helfen, unser Leben zu bewältigen. In Zukunft leisten wir uns einen persönlichen Gesundheits-Coach. Einen Wohlstands-Guide. Einen Bildungs-Berater. Einen Mobilitäts-Agenten. Einen Wissen-Navigator. In unserem Namen untersuchen diese Agenten die Myriaden von Informationen des Internets. Unsere neuen Freunde und Helfer sind nicht digital, sie nutzen den Segen der Digitalität, um zu humanem Wachstum beizutragen.“

Eine Diskussion des Historischen Museums konkretisiert das Thema

Was bedeutet das alles nun für uns ganz konkret im Thurgau? Sicher kann man sagen: Die Entwicklungen sind global und sie werden in unterschiedlichen Ausprägungen überall zu spüren sein, also auch bei uns. Mehr Antworten zum Thema könnte eine Podiumsdiskussion liefern, die am Donnerstagabend (12. April) im Rathaus Frauenfeld stattfindet. Unter dem Titel „Roboter, Migration und Auslandsproduktion. Wie sieht die Zukunft der Arbeit aus?“ sprechen miteinander: Daniel Wessner, Leiter des kantonalen Wirtschaftsamts, Stefan Keller, Historiker & Journalist, sowie Stefan Pabst aus dem Zukunfts-Think-Tank «W.I.R.E». Moderiert wird der Abend von Dominik Schnetzer, dem Kurator der Ausstellung «Schreck & Schraube» des Historischen Museums, die seit Ende März im Alten Zeughaus in Frauenfeld zu sehen ist. 

Vielleicht sind wir danach ja alle ein bisschen schlauer. 

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