von Brigitte Elsner-Heller, 14.08.2020
Wie Träume in Erfüllung gehen

Mit dem „Zauberer von Oz“ geht es bei den Schlossfestspielen Hagenwil für das junge Publikum in ein zauberhaftes Land, in dem man sich aber doch auch erst beweisen muss.
„Irgendwo jenseits des Regenbogens liegt dieses Land, von dem in Kinderliedern zu hören ist. Dort ist der Himmel blau, Wolken ziehen nur weit oben, und all deine Träume gehen in Erfüllung.“ Wer kennt es nicht, das traurig-schöne „Somewhere Over the Rainbow“, das Judy Garland im 1939 entstandenen Musical „Der Zauberer von Oz“ zum ersten Mal sang.
Das Kinderbuch von Lyman Frank Baum, das als Vorlage diente, war bereits 1900 erschienen und galt, nicht zuletzt auch wegen seiner Illustrationen, als Meilenstein der Kinderliteratur. Es ging hierin nicht etwa um moralische Unterweisung, sondern darum, Herz, Mut und Verstand aus eigener Kraft zu entwickeln.
Grosse Spielfreude auf kleiner Bühne
Dass die Geschichte auch heute noch für die Bühne attraktiv ist, versteht sich daher von selbst. Und wer die Coming-of-Age-Geschichte der kleinen Dorothy aus Kansas für Kinder erfahrbar machen möchte, wird es sich kaum verkneifen können, auch „Somewhere Over the Rainbow“ anzuspielen – und sei es, um sich selbst oder den Eltern eines jungen Publikums diese Freude zu machen.
So also auch bei den Schlossfestspielen in Hagenwil, die in diesem Sommer zum zehnten Mal auch ein Stück für den Nachwuchs im Programm hat. Vier SchauspielerInnen, eine klitzekleine Bühne mit bunter Ausstattung und viel Spielfreude, das reicht aus, um gemeinsam den Regenbogen entlang zu spazieren (der als Symbol mittlerweile vielfältig genutzt wird).
Gefahrenlage: überschaubar
Florian Rexer (Textfassung und Regie) hat die Abenteuergeschichte um Dorothy, die bei einem Sturm mit ihrem Hund Toto in die Welt von Oz gerät, auf ein übersichtliches Mass eingedampft und es geschafft, die Gefahren so zu dosieren, dass auch die Kleinsten nicht von Alpträumen geplagt werden dürften. Und auch der Auftritt der bösen Hexe wird von der Kraft der Freunde, die Dorothy findet, gut eingefangen.
Doch von Anfang an: Dorothy (Ramona Fattini), ist ein munteres Mädchen in einem leuchtend gelben Kleid, das mit ihrem kleinen Hund Toto (auf der Bühne ein kleiner Holzdackel) auf der Farm von Onkel und Tante in Kansas lebt. Dass das Leben dort mitunter auch trist sein kann, erzählen die Prospekte im Hintergrund, die eine weite, graue Landschaft zeigen – und trotzdem irgendwie schön aussehen.
Ein Sturm, und alles ist anders
Als sich plötzlich ein Sturm erhebt, kann sich Dorothy nicht mehr rechtzeitig mit ihrem Hund ins Haus in Sicherheit bringen. In dem Moment, in dem sie wieder zu sich kommt, ist sie in einem ungleich bunteren Land, in dem viele Blumen ein schönes Leben versprechen (die Prospekte sind gewechselt, die gemalte Blumenpracht wirkt belebend).
Doch wo ist Dorothy gelandet? Zunächst trifft sie auf eine Vogelscheuche (Rahel Roy), die steif an ihrem Stock gebunden ist, freundlich doch ein wenig langsam im Denken, wie es scheint. Nichts wünscht sie sich sehnlicher als mehr Verstand.
Irgendwann möchte Dorothy einfach nur nach Hause
Und dann der Blechmann (Marcel Zehnder), der sich nicht mehr rühren kann, weil er verrostet ist. Wie der Vogelscheuche, die sie von ihrem Stab befreit hat, hilft Dorothy auch dem Blechmann, indem sie ihm ein Kännchen Öl verabreicht. Kaum wieder auf den Beinen, bedauert der aber schon, dass kein Herz in seiner Brust schlägt. Das ist zwar nachvollziehbar bei dieser Metall-Gestalt, aber sollte das wirklich so sein?
Aber es geht weiter, mit Michael Löwenberg (!), der als Löwe auftritt. Als ein Löwe, der kaum Mumm in den Knochen, respektive den Tatzen hat. Sein allersehnlichster Wunsch ist, mehr Mut zu haben. Und Dorothy? Sie möchte einfach wieder nach Hause, auch wenn das Land hier noch so zauberhaft bunt ist.
Nur immer schön, das wäre zu schön
Im zauberhaften Land geht es allerdings – wie überall auf der Welt – nicht nur friedlich zu. Sind da doch gute und böse Hexen, die der Truppe schaden oder ihr helfen möchten. Immerhin hat Dorothy die Zauberschuhe einer verunglückten bösen Hexe bekommen und steht unter Schutz einer guten Hexe. Doch wie kommen sie zum Zauberer von Oz in seinem smaragdenen Palast in der Stadt? Nur so viel sei verraten: Auch der Zauberer ist nicht der, der er zu sein scheint.
Und am Ende ist alles gut: Die Vogelscheuche erkennt, dass sie schon auch klug ist, der Blechmann hat Herz bewiesen und der Löwe seinen ganzen Mut zusammen genommen. Dorothy hat Abschied genommen von ihren Freunden, die nun auch alleine zurechtkommen, und ist mit Toto wieder auf der Farm angekommen. Ein bisschen grau ist sie zwar immer noch, aber die Freude bei Onkel und Tante ist riesig – das zählt.
Man muss eben zusammenhalten
Was die Hagenwiler Truppe hier auf die Bühne gebracht hat, ist nicht kitschig geraten, aber dennoch anrührend in seiner Botschaft. Kindgerecht fröhlich kommt die Ausstattung daher (Bühne: Peter Affentranger; Kostüme: Barbara Bernhardt), und auch die Spielfreude des Ensembles wirkt ansteckend. Bis auf Ramona Fattini als Dorothy, die auch so genug zu tun hat, müssen sich die Darsteller immer wieder in weiteren Rollen präsentieren, was einen schnellen Kostümwechsel erforderlich macht. Das gelingt ausserordentlich gut.
Das ganz junge Publikum war teils mucksmäuschenstill, dann wieder konnte herzhaft gelacht werden. Und wenn die Abenteurer auf der Bühne Hilfe brauchten, waren die Kinder mit Rat und Tat dabei. Böse Hexen zu bekämpfen ist eben auch eine gute Sache, bei der man zusammenhalten muss.
Nett gedacht, nett gemacht. Viel Zuspruch weiterhin!
Weitere Aufführungen: Alle Termine für das Stück gibt es bei uns in der Agenda. Das Festival im Internet: www.schlossfestspiele-hagenwil.ch

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