von Jeremias Heppeler, 30.06.2017
HipHop-Hochburg für 3 Tage

Usher, Nas, Casper, Cro, Marteria, The Weeknd und viele viele mehr - das Line-up beim diesjährigen Open-Air Frauenfeld ist wieder mal gespickt mit den angesagtesten Namen der HipHop-Szene. Ein Blick hinter die Kulissen des Riesenevents.
Europas grösstes HipHop-Festival findet nicht in Berlin statt. Nicht in Paris. Und auch nicht in London. Sondern in Frauenfeld im Kanton Thurgau. Diese einfache Tatsache lockt 2017 (und nachdem so ziemlich jeder namhafte Hip-Hop-Künstler der Welt die Große Allmend bespielt hat) niemand mehr hinter dem Sensations-Ofen hervor. Trotzdem lohnt es sich vor Augen zu führen, welches Mega-Event das Openair Frauenfeld (OAF) mit seinen weit über 50.000 Besuchern pro Tag darstellt. Knappe 60 hochklassige Acts, die insgesamt vier Bühnen bespielen, dazu ein Rahmenprogramm, das sich gewaschen hat. Wie stemmt man diesen organisatorischen Aufwand?, haben wir uns gefragt und diese Frage sogleich an Openair-Chef Joachim Bodmer weitergeleitet, der das Festival Jahr für Jahr mit der First Event AG umsetzt. „Das engere Festival Team besteht aus rund fünf bis zehn Mitgliedern die sich in den Sparten Gesamtleitung, Finanzen, Sicherheit, Programm, Bau & Infrastruktur, Marketing und Partnerschaften aufteilen. Zwei bis drei Personen arbeiten dabei in Vollzeit für das Openair Frauenfeld und drei Booker kümmern sich ums Lineup. Wir kommunizieren zu rund 85 Prozent über unsere eigenen Kanäle, also über Social Media. Der Rest sind Medienpartnerschaften und PR. Für uns ist es einfacher. Allerdings betreiben wir Social Media mit grossem Aufwand. Wenn man das nicht macht macht Social Media nur wenig Sinn.", erklärte Bodmer im Gespräch mit thurgaukultur.ch
Joachim Bodmer, Festivalchef des Open Air Frauenfeld. Bild: privat
Tatsächlich wurde vor allem der Facebook-Account in den letzten Jahren zum entscheidenden Kommunikationskanal des Festivals, das sich hier mit einer sehr persönlichen Note mit seinen Besuchern austauscht. Auf Facebook werden auch Aktionen wie die Frauenfeld-Pilger (eine Gruppe von HipHop-Fans wandert jährlich durch die Schweiz bis zum Festival) oder das Trash-Hero-Programm, im Zuge dessen Besucher ihre Karte als Müllsammler „abarbeiten" können, initiiert. Trotz seiner Grösse konnte das Frauenfeld so einen Ruf als angenehmes und vergleichsweise nachhaltiges Festival installieren und bis heute verteidigen. Doch machen wir uns nichts vor: Nur für Freundlichkeit und ein sauberes Festivalgelände macht sich kein HipHop-Fan auf den Weg nach Frauenfeld.
Das OAF hat längst internationale Relevanz
Die immense Dichte an Superstars und Genregrössen auf der Bühne machten das OAF im zurückliegenden Jahrzehnt zu dem Festival, das es heute ist. „Wir haben seit Längerem auch international eine gewisse Relevanz in der Festivalwelt. Da liegt es natürlich auf der Hand, dass die grossen Künstler uns in Ihre Planung mit einschließen. Wir arbeiten seit Jahren intensiv mit den Managements der Bands. Entsprechend sind die Kontakte hervorragend. Allerdings ist es jedes Jahr eine Knochenarbeit des Teams. Und ja, leider können wir nicht immer alle Wünsche befriedigen. Auch wenn wir es sehr gerne täten", so Bodmer. Tatsächlich gibt es in den sozialen Medien immer wieder Stimmen, die sich nach den guten alten Zeiten des Festivals zurück sehnen. Die Diskrepanz zwischen Oldschool-Nostalgikern und den Anhängern des zeitgenössischen Sounds zieht sich allerdings durch alle Sparten des HipHops. Und natürlich wird das Frauenfeld auch noch in zehn Jahren an jenem unfassbaren Festivaljahr gemessen werden, in welchem mit Eminem und Jay-Z gleich zwei Branchengötter das Line-Up anführten.
Nichtsdestotrotz werden die internationalen Hip-Hop-Diskurse von einer neuen Generation an Musikern bestimmten. Trap nennt sich der überaus melodische Sound, der sich in Frankreich und Amerika entwickelte und in den letzten Jahren endgültig auch in deutschsprachige Gefilde überschwappte und die Szene prägt. „Wir haben eine junge Zielgruppe. Entsprechend ist es auch wichtig Trends zu spüren. Deshalb füllen wir unsere Reihen im Team auch immer wieder mit jungen Mitarbeitern auf. Sie sind ehrlich und zeigen auch den älteren Mitarbeitern im Team in welche Richtunges gehen könnte. Die Mischung ist wichtig. Wir sind ja ein Festival. Da muss nicht jeder Act jedem Gast gefallen. Das Programm soll gut ausgewogen zwischen kommerziellen Künstlern und noch unentdeckten Underground-Artisten sein", erklärt der Festival-Chef.
Das Line-up beim OAF kann sich auch 2017 sehen lassen
Die Lösung liegt wie sooft in der Mitte. Und so hat das Frauenfeld auch 2017 ein komplexes Lineup (die aktuelle Running Order gibt es hier) zusammengebaut. Bemerkenswert erscheint vor allem die Tatsache, dass mit The Weeknd und Usher (der allerdings mit der legendären HipHop-Band The Roots antritt) gleich zwei sehr poppige Acts als Headliner verpflichtet wurden. Für die Anhänger von straighten und harten Rap alter Schule gibt es mit NAS, Talib Kweli und Rapmaschine Pusha T immerhin drei Namen zu entdecken. Dominiert wird der Timetable allerdings von den jungen Wilden. Die stammen natürlich vor allem aus dem Mutterland des HipHop: Gucci Mane, Travis Scott oder Desiigner prägten zuletzt allesamt einen hypermodernen Sound, von dem man wirklich gespannt sein darf, ob er auch live funktionieren wird.
Neben den Konzerten geht es den Machern auch um das Erlebnis
Auch die deutsche HipHop-Szene schickt zahlreiche Vertreter ins breite Feld der Grossen Allmend: Raf Camora und Bonez MC (der auch mit seiner Crew 187 Strassenbande im Timetable vertreten ist) brachen im vergangenen Jahr mit ihrem stark von Dancehall beeinflussten Album „Palmen Aus Plastik" sämtliche Rekorde (Platz 1 in der Schweiz) und werden sicherlich eines der bestbesuchten Konzerte des Festivals spielen. Mit der KMN Gang, Ufo361 und Rin sind die prominentesten Senkrechtstarter der deutschen Trapszene ebenso am Start, wie die beiden Superstars Casper und Marteria, die sich den Ruf als herausragende Live-Künstler durch harte Arbeit erpsielt haben.
Marteria freut sich schon auf seinen Auftritt in diesem Jahr
Neben den Konzerten steht für Bodmer aber vor allem das Gesamterlebnis im Vordergrund: „Wir lassen uns nicht unter Druck setzen. Das Festival hat mehr zu bieten als nur die beiden grossen Bühnen. Wir arbeiten am kompletten Festival-Erlebnis. Wir glauben, dass wir in den letzten Jahren eben dieses Erlebnis auch aufwerten konnten. Seit dem letzten Jahr bieten wir für den kreativen Nachwuchs eine große Bühne. Die so genannte „Soul City Hall". Dort bauen wir das Angebot laufend aus. Dieses Jahr wird diese Bühne komplett neu gestaltet und mit eindrücklichen Kulissen in eine alte, stillgelegte Fabrik verwandelt. Zu den wichtigen Partnern in diesem Bereich gehören „hiphop.de", „rapammittwoch.de" und "beatboxbattle.tv" aus Köln und Berlin."
Bei all den großen Namen aus aller Welt, drängt sich zudem eine Frage auf: Wie wichtig ist das Openair Frauenfeld für die Schweizer HipHop-Kultur? „Da müssen sie Experten der Schweizer HipHop-Kultur fragen. Mit der "Soul City Hall" haben wir seit einem Jahr auch die Förderung von jungen Talenten gestartet. Entsprechend sollten wir auch lokal relevant sein. Wir bemühen uns jedenfalls auch Schweizer Künstlern einen Plattform zu bieten." Tatsächlich hat es mit Mimiks, dessen Album „Jong & Hässig" zuletzt die Schweizer Chartspitze eroberte, nur ein Schweizer Rapper auf Hauptbühne geschafft. Bleibt zu hoffen, dass sich im Publikum eine Menge fresher Talente tummeln, die sich vom vielfältigen Angebot des Festivals inspirieren lassen. „Für uns ist jedes Festival „ultimativ" gelungen wenn alle glücklich und gesund wieder nach Hause gekommen sind. Leider bleibt uns kaum Zeit die Shows auf den Bühnen zu bestaunen geschweige dann zu geniessen. Wir holen das dann bei anderen Festivals vor oder nach.", meinte Joachim Bodmer abschliessend.
Tickets: Die 2-Tagestickets sind ausverkauft. Es gibt noch 1-Tagestickets (99 Franken) und 3-Tagestickets (199 Franken). Mehr zum Kartenverkauf gibt es hier: http://www.openair-frauenfeld.ch/tickets/
Clever gemacht - der Aftermovie des OAF 2016 macht Lust auf mehr
Das Festivalgelände im Überblick:
Reinhören - so klingen die Topstars des OAF 2017

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