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Das Geldspielgesetz und die Kultur

Das Geldspielgesetz und die Kultur
Ja, Nein, äh Jein: Für Kulturinteressierte wird die Abstimmung über das Geldspielgesetz keine einfache Entscheidung. | © Von Bwinimage - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22997303

Am 10. Juni läuft die Abstimmung über das neue Geldspielgesetz. Befürworter sehen bei einem «Nein» Investitionen in Kultur gefährdet. Die Gegner weisen das zurück. 7 Fragen und Antworten zur Entscheidung am Sonntag 

1. Worum geht es in dem Geldspielgesetz?
Das Bundesgesetz über Geldspiele, so der offizielle Titel, soll die Zulässigkeit von Geldspielen und deren Durchführung sowie die Verwendung der Spielerträge neu regeln. Der Gesetzestext legt fest, dass, wer hierzulande Geldspiele durchführen will, Schweizer Recht einhalten muss. Die Anbieter müssen Spielsucht, Betrug und Geldwäscherei verhindern. Der Zugang zu Online-Casinos soll mit dem Gesetz legalisiert werden.
2. Was hat das Geldspiel mit der Kultur zu tun?
Beide sind über den Lotteriefonds verbunden. Swisslos zahlt jährlich nach eigenen Angaben rund 365 Millionen Franken an die kantonalen Lotterie- und Sportfonds. Diese Mittel werden für gemeinnützige Zwecke verwendet. Davon profitieren auch Kulturprojekte immens.
3. Wer bestimmt über die Gelder aus dem Lotteriefonds?
Die Lotteriefonds sind kantonal organisiert und beziehen ihre finanziellen Mittel aus dem Reingewinn der Landeslotterie. Die Kantone haben sich weitgehend zu Konkordaten zusammengeschlossen. Aus dem deutschschweizerischen Konkordat ist die Genossenschaft Swisslos hervorgegangen. Mitglieder sind die beteiligten Kantone. Die Genossenschaft führt Lotterien durch und verteilt den Reinertrag in die Kantone. In den Kantonen wird dann über die Gelder im jeweiligen Lotteriefonds nach demokratischen Regeln entschieden. Diese Konstruktion wird durchaus kritisch wahrgenommen. Vor allem nachdem einige Kantone - aufgrund knapper Kassen - dazu übergingen staatliche Aufgaben aus dem Lotteriefonds zu zahlen. In einem Beitrag der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) kritisierte der Staatsrechtsprofessor Benjamin Schindler: „Einzelne Kantone strapazieren die bundesrechtlichen Vorgaben in hohem Masse, wenn sie etwa Projekte der Tourismusförderung oder des Standortmarketings mit Lotteriegeldern unterstützen. (...) Hier entsteht die begründete Besorgnis, dass die Regierung, die ihr unterstellten Verwaltungseinheiten bei der Vergabe von Geldern bevorzugt.“
4. Wie viel Geld ist im Thurgau aus dem Lotteriefonds in die Kultur geflossen?
Alleine 2018 sind nach Angaben des Thurgauer Regierungsrats insgesamt mehr als 14 Millionen Franken in Sport- und Lotteriefonds geflossen. Der Löwenanteil (11,4 Millionen) wanderte in den Lotteriefonds. Nach einer einfachen Anfrage des CVP-Kantonsrats Hans Feuz hatte der Regierungsrat Zahlen hierzu offen gelegt. Daraus wird auch ersichtlich, dass der Sport- und Lotteriefonds in den vergangenen 10 Jahren stetig gewachsen ist: Von 12,2 Millionen (2008) auf heute über 14 Millionen Franken (siehe Grafik unten).


5. Welche Konsequenzen hätte eine Ablehnung des Gesetzes für die Kultur?

Das kommt darauf an, wen man fragt. Die Befürworter des Gesetzes sagen, dass eine Ablehnung zu Mindereinnahmen führe und somit auch „weniger Mittel für gemeinnützige, kulturelle und wohltätige Zwecke sowie für die Sportförderung zur Verfügung stehen“, so der Thurgauer Regierungsrat in seiner Antwort auf die Anfrage von Hans Feuz. Die Gegner des Gesetzes weisen diese Verbindung zurück. In ihrem Argumentarium schreiben sie unter anderem: „Bei Ablehnung des Geldspielgesetzes verschwindet kein Geld. Es gilt nach wie vor die heutige Gesetzeslage und somit wird die Verteilung der Beträge vorerst beibehalten. Auch bei einer Neuauflage des Gesetzes wird Sport & Kultur weiterhin angemessen berücksichtigt werden, da dies im Verfassungsauftrag so festgehalten ist. Auch die Abgaben im Bereich Sport und Kultur werden durch das neue Geldspielgesetz nicht tangiert, da sie nicht aus den Spielbanken, sondern aus der Lotterie generiert werden.“
6. Und was bedeutete eine Annahme?
Für die Gegner wäre das der Einstieg in systematische Netzsperren. Denn: Das Gesetz sieht vor, dass die Online-Casino-Anbieter, die sich nicht an die Schweizer Regeln halten, gesperrt werden können. Die Befürchtung der Gegner dahinter ist: Andere missliebige Inhalte könnten früher oder später auch von solchen Netzsperren betroffen sein. Das grösste Problem am Gesetz laut Gegnern: „Der Text ist technologie-neutral formuliert. Wie genau Netzsperren technisch umgesetzt werden, ist nicht bestimmt. Damit schafft das neue Geldspielgesetz erstmals eine gesetzliche Grundlage für sämtliche verfügbaren Sperrmethoden im Internet“, heisst es im Argumentarium der Gegner. Für sie machen Sperren ohnehin keinen Sinn: „Entweder gehen sie viel zu weit oder sie sind so leicht zu umgehen, so dass man sie auch gleich bleiben lassen kann.“ Die Befürworter locken mit anderen Aspekten. Sie gehen davon aus, dass bei Annahme des Gesetzes künftig höhere Einnahmen im Lotterie- und Sportfonds zu verzeichnen sein könnten. „Nach Schätzung der Swisslos erhöhen sich mittelfristig die den Kantonen für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung stehenden Reinerträge um 225 Millionen Franken“, erklärt der Thurgauer Regierungsrat. Demnach rechne auch der eine vom Bundesamt für Justiz in Auftrag gegebene Studie der Universität Bern mit „erheblichen zusätzlichen Mitteln“.
7. Wofür soll ich stimmen, wenn ich kulturinteressiert bin?
Keine einfache Entscheidung. Bei vielen dürften zwei Herzen in einer Brust schlagen. Sperrungen des Internet sind in kulturinteressierten Kreisen nicht sonderlich beliebt, die Aussicht auf mögliche Mindereinnahmen im Lotteriefonds könnte aber vor allem Kulturschaffende eher dazu veranlassen, mit „Ja“ zu stimmen. Ob diese Einschnitte wirklich kommen würden, ist heute kaum vorherzusagen: Die Befürworter des Geldspielgesetzes gehen davon aus, die Gegner glauben nicht daran. Der Verband Suisseculture empfiehlt ein „Ja“ zum Geldspielgesetz.

 

 

Quelle der Grafik: Kanton Thurgau

 

Wer über die Lotteriefonds-Mittel im Thurgau entscheidet 

Drei Stellen entscheiden im Thurgau über die Verwendung der Gelder aus dem Lotteriefonds für kulturelle Projekte: Kulturamt, Kulturstiftung und die Kulturpools in den Regionen.

 

Das Kulturamt des Kantons Thurgau bearbeitet Gesuche an den Lotteriefonds für kulturelle, wissenschaftliche und gemeinnützige Projekte, die einen Bezug haben zum Kanton und von überregionaler Bedeutung sind.  Beurteilt wird aufgrund von Stellungnahmen von Fachreferentinnen und Fachreferenten des Kulturamtes (für gemeinnützige Projekte von entsprechenden Amtsstellen). Gestützt auf diese Stellungnahmen entscheidet das Kulturamt über Beiträge bis zu 10'000 Franken die Chefin des Departementes für Erziehung und Kultur bis 20'000 Franken und der Regierungsrat des Kantons Thurgau über Beiträge über 20'000 Franken.

 

Die Kulturstiftung des Kantons Thurgau kümmert sich um Gesuche professioneller Kunstschaffender im Bereich der zeitgenössischen Künste. Doppelfinanzierungen sind ausgeschlossen. Gesuche können nur entweder an die Kulturstiftung oder an das Kulturamt Thurgau eingereicht werden.

 

Die regionalen Kulturpools sind für Gesuche für Einzelveranstaltungen und Veranstaltungsreihen mit lokaler beziehungsweise regionaler Aus-richtung für Beiträge unter 5000 Franken (Ausnahme: ThurKultur in der Region Münchwilen-Wil sind es Beiträge unter 10‘000 Franken) zuständig. Diese Gesuche müssen bei der Gemeinde oder dem jeweiligen regionalen Kulturpool eingereicht werden.

 

 

 

 

 

 

 

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