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von Andrin Uetz, 01.02.2024

„Gute Vernetzung ist wichtig”

„Gute Vernetzung ist wichtig”
Neue Kuratorin in der Kunsthalle Arbon: Martina Venanzoni | © MVE

Im Februar übernimmt Martina Venanzoni die kuratorische Leitung der Kunsthalle Arbon. Mit welchen Ideen kommt sie ans Bodenseeufer? Ein Gespräch über die Chancen und Herausforderungen in der Kunsthalle. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Martina Venanzoni, Sie sind Kunsthistorikerin, Kulturjournalistin und Kuratorin, unter andeerem bei FATart (Femme Artist Table). Zudem haben sie am eikones in Basel zum Multimedia-Künstler Bruce Nauman doktoriert und für das Shift Festival für elektronische Künste gearbeitet. Was bringen sie davon mit nach Arbon?

Martina Venanzoni: Es stimmt schon, dass mich Kunst interessiert, welche sich mit neuen Medien auseinandersetzt. Aber die Frage dabei ist, was sich davon in der Kunsthalle Arbon umsetzen lässt. Ich sehe da Möglichkeiten, vermehrt mit Klang zu arbeiten. Jedoch nicht unbedingt Bildschirmen, die ist von den räumlichen Bedingungen her schwierig. Durch das Netzwerk von FATart kenne ich sehr viele Künstlerinnen, die bisher zu wenig Aufmerksamkeit erhalten haben. Darunter sind einige, welche das Programm der Kunsthalle Arbon super ergänzen könnten. Die Kunsthalle setzte in den letzten Jahren auf eine Mischung aus etablierten Positionen und angesagten Newcomer:innen. Ich würde diese Formel gerne um Künstlerinnen ergänzen, welche tolle Kunst machen, aber beispielsweise aus beruflichen oder familiären Gründen nur peripher wahrgenommen wurden.

Also auch Künstlerinnen, welche nicht mehr am Anfang ihrer Karriere stehen?

Genau. Es gibt da sehr viel Potential. Zum Beispiel Künstlerinnen, welche sich für eine Familie entschieden haben oder aus anderen Gründen es nicht zu grosser Bekanntheit gebracht haben, aber sehr tolle Arbeiten machen. Es gibt sehr gute Kunst, welche bisher eher vernachlässigt wurde.

„Es gibt sehr gute Kunst, welche bisher eher vernachlässigt wurde.“

Martina Venanzoni, neue Kuratorin Kunsthalle Arbon

Werden diese neuen Impulse im aktuellen Programm der Kunsthalle bereits spürbar sein?

Zwei der drei Ausstellungen sind bereits von meiner Vorgängerin initiiert worden. Der erste Termin des Jahres war allerdings noch frei. Dafür habe ich Viviana Gonzáles Méndez (*1982 in Bogota, Kolumbien) und Ana Vujić (*1981 in Požarevac, Serbien) eingeladen. Bei beiden wird das Thema der Migration eine Rolle spielen. Beide setzen sich im weitesten Sinn mit dem Bauen und Konstruieren auseinander. Ana Vujić integriert in ihre grossformatigen Wandzeichnungen skulpturale Elemente von Baustellen. Diese schaffen eine Verbindung zur Architektur der Kunsthalle und verweisen metaphorisch auf das sich Erarbeiten eines neuen Zuhauses. Bei Viviana González Méndez wiederum wird Erde als Baumaterial inszeniert, wobei sie unter anderem eine Säule der Kunsthalle mit einer kolumbianischen Bautechnik nachbildet. Sie arbeitet zudem mit einem lokalen Gärtner zusammen und sammelt in der Umgebung der Kunsthalle Klänge, die sie an ihre Heimat erinnern.

Eine Doppelausstellung ist in der Kunsthalle auch ein ziemliches Novum.

Das stimmt. Es ist auch eine Herausforderung, da in Arbon sehr stark mit dem Raum gearbeitet werden muss und die Künstler:innen jeweils neue, ortsspezifische Installationen machen. In diesem Fall glaube ich aber, dass sich die zwei Positionen gut ergänzen.

 

Die bisherigen Stationen von Martina Venanzoni

Martina Venanzoni studierte Kunstgeschichte und Musikwissenschaft an den Universitäten Basel, Zürich und Buenos Aires. Seit 2022 arbeitet sie als freie Kuratorin und Autorin (unter anderem für das Kunstbulletin) sowie als Kuratorische Leiterin bei FATart (Femme Artist Table)

Von 2018 bis 2021 war sie Stipendiatin bei eikones – Zentrum für die Theorie und Geschichte des Bildes, wo sie zum Multimedia-Künstler Bruce Nauman doktorierte. Davor war sie unter anderem als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Schaulager Basel (2013–2018), als Kuratorin der Ausstellung «Shift in Progress» am Shift Festival für Elektronische Künste (2009–2011) sowie wiederholt in der Lehre und Vermittlung tätig.

In einer Medienmitteilung freut sich der Vorstand der Kunsthalle Arbon über die Verpflichtung von Martina Venanzoni: «Wir sind überzeugt, mit ihr eine erfahrene und fachkundige Kunsthistorikerin und Kuratorin für unser Team gefunden zu haben, die unseren Ausstellungsraum ideenreich weiterprogrammieren wird.»

Sie wohnen in Basel und sind gut mit der dortigen Kunstszene vernetzt. Was bringen sie davon mit nach Arbon?

In diesem Jahr sind ja tatsächlich fast alle Künstler:innen aus Basel. Neben Ana Vujić, die gemeinsam mit Viviana Gonzáles Méndez welche vom 7. April bis 20. Mai 2024 ausstellt, wohnen auch Edit Oderbolz (9. Juni bis 21. Juli 2024) und Max Leiß (18. August bis 29. September 2024) in Basel. Das ist aber eher ein Zufall. Grundsätzlich schaue ich darauf, dass wir Positionen aus der ganzen Schweiz dabei haben. Gelegentlich vielleicht auch aus dem nahen Ausland. Bei der Kunsthalle müssen wir da immer etwas schauen, dass die geografische Distanz nicht zu gross ist, da das eigene Publikum der Künstler:innen für uns sehr wichtig ist. Das ist bereits bei Leuten aus der französischen Schweiz etwas schwieriger, da die Anreise dann schon sehr lange ist.

Der Weg von Basel nach Arbon ist auch nicht ganz kurz. Wie gehen sie selbst mit der Distanz um?

Ich bin in St. Gallen aufgewachsen und meine Eltern wohnen nach wie vor dort. Für mich ist es also eine gute Gelegenheit, etwas öfter zu Besuch zu gehen, was jetzt mit meiner kleinen Tochter umso schöner ist.

„Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, mit einem grösseren Museum zusammen zu arbeiten und in der Kunsthalle so etwas wie einen Satelliten der Ausstellung zu haben.“

Martina Venanzoni, neue Kuratorin Kunsthalle Arbon

 

Eine Herausforderung in einer Kleinstadt wie Arbon ist es, das Publikum aus der Umgebung anzulocken. Wie kann das gelingen? Haben sie dafür eine Strategie?

Ich denke, dafür ist eine gute Vernetzung mit anderen Institutionen wichtig. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, mit einem grösseren Museum zusammen zu arbeiten und in der Kunsthalle so etwas wie einen Satelliten der Ausstellung zu haben. Beispielsweise, wenn es eine Einzelausstellung eine:r Künstler:in gibt, und diese:r dann in Arbon zusätzlich die Kunsthalle bespielt. Darüber hinaus sind spezielle Events sicher gut, um das Publikum anzulocken. Performances, Konzerte, Werkgespräche, aber auch Führungen mit Schulklassen und Vereinen.

Können Sie etwas über das weitere Programm in diesem Jahr verraten?

Noch nicht zuviel [lacht]. Edit Oderbolz beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit der Frage, wie Architektur den gesellschaftlichen Raum mitgestaltet. Sie wird sich dabei auch auf die Kunsthalle als ehemalige Metallfabrik beziehen. Max Leiß arbeitet skulptural und inszeniert relikthafte Objekte, wobei die Konstellation wichtig ist. Vielleicht wird er auch auf den Rhein als Konstante in seinem Leben eingehen, da er in Bonn aufgewachsen ist und in Basel lebt, und der Rhein ja quasi durch den Bodensee fliesst.

Zum Abschluss: Gibt es etwas, worauf Sie sich besonders freuen?

Das Baden im See! Und darauf, mit den Kunstschaffenden wirklich neue Projekte machen zu können, die auf den Raum eingehen. Ich freue mich auf den intensiven Austausch, der dabei entsteht.

„Ich freue mich auf den intensiven Austausch mit den Kunstschaffenden.“

Martina Venanzoni, neue Kuratorin Kunsthalle Arbon

 

 

 

 

 

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