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von Brigitte Elsner-Heller, 09.07.2020

Irrungen und Wirrungen am Seeufer

Irrungen und Wirrungen am Seeufer
Dienstmädchen Maria (Maria Lisa Huber) wirkt so, als könne sie kein Wässerchen trüben. Dabei bringt sie sich durch einen bösen Scherz in Erklärungsnot… | © Mario Gaccioli

Auch das See-Burgtheater musste pandemie-bedingt um seine Sommerproduktion von „Was ihr wollt“ zittern. Doch nun steht die Seebühne, am 16. Juli ist Premiere. Das Kreuzlinger Seeufer wird dabei zu den Gestaden eines wilden Illyriens, wo sich ganz nach Shakespeare Irrungen und Wirrungen in Liebesdingen abspielen. Erst am Schluss wird alles schön sortiert.

Was für eine Zeit, in der allein die Aussicht, dass überhaupt Theater gespielt werden kann, schon derart Freude auslöst. Beim Pressetermin des See-Burgtheaters gesellt sich dazu noch Sonnenschein an diesem schönen Plätzchen mit der in den See hinaus gebauten schlichten wie grosszügigen Bretterbühne. Impresario Leopold Huber hat auf das Glück gesetzt und scheint damit bislang gut gefahren zu sein.

Mit den Proben zu „Was ihr wollt“ von Shakespeare hatte man in einem kleinen Probenraum des Kult-X in Kreuzlingen beginnen müssen, bevor die Seebühne endlich fertiggestellt war. Anstelle der üblichen sechs Wochen beliess die Pandemie den Theatermachern nur einen Vorlauf von drei Wochen bis zur Premiere. Doch Leopold Huber, Regisseur Max Merker und der für die Bühne zuständige Damian Hitz bauten auf ihre Vorbereitung, auch wenn vorsorglich schon einmal Kurzarbeit beantragt worden war. „Das Ensemble stand im Wind“, sagt Huber rückblickend.

„Es macht Spass, die szenische Wirkung der Figuren zu entdecken.“

Regisseur Max Merker, der zum ersten Mal Shakespeare auf die Bühne bringt (Bild: Mario Gaccioli)

Nach der Entscheidung des Bundesrats Ende Mai war für das Theater klar, dass es ungeachtet zu erwartender wirtschaftlicher Einbussen durch eine reduzierte Zuschauerzahl wichtig sei, gerade jetzt zu spielen. Abgesehen davon ist man dieses Jahr 30 Jahre alt geworden, was wohl auch ein gewisses Mass an Resilienz voraussetzt: „30 Jahre Spagat zwischen Unterhaltung und Anspruch und zwischen Provinz und Welt.“ Und wenn alle Stricke reissen? „Wenn es ein grosses Defizit gibt, gehe ich auf Knien nach Frauenfeld“, gelobt ein nimmermüder Leopold Huber.

Liebesdinge in hitziger Atmosphäre

Möge es nicht soweit kommen. Shakespeare als Freilichtaufführung ist ohnehin schon die halbe Miete. Irrungen und Wirrungen in sommerlich aufgeheizter Atmosphäre, das passt. Und damit landet auch schon das Zwillingspaar Viola (Sofia Elena Borsani) und Sebastian (Samuel David Braun) schiffbrüchig an der Illyrischen Küste an. Getrennt allerdings, so dass sich Viola auf sich selbst gestellt wähnt, sich daher sicherheitshalber als Knabe verkleidet und fortan als Cesario auftritt.

Das Bühnenbild hat im See-Burgtheater immer eine besondere Rolle: Ein Steg, der in den Bodensee hineinführt und eine Verbindung zwischen Land und Wasser darstellt ist das Bühnenbild der diesjährigen Freilichtinszenierung. Bild: Janine Quinger, PR2

 

Sie geht in Dienst bei Herzog Orsino (Giuseppe Spina), wo sie flugs zum Liebesboten für ihren Herrn wird, der in Gräfin Olivia (Jeanne Devos) verliebt ist. Diese wiederum verliebt sich in den Postillon d'Amour Viola/Cesario, wobei deren/dessen Herz längst besagtem Herzog zufliegt. Und wer fehlt jetzt noch in dem gefühlsmässig aufgeladenen Verwirrspiel? Genau: Zwillingsbruder Sebastian.

Doch Shakespeare war das keinesfalls ausreichend, und so gibt es noch ein böses Gespann, das – oft genug unter Einfluss von Alkohol – Unruhe stiftet (Maria Lisa Huber, Franz Josef Strohmeier, Florian Steiner und Maximilian Kraus) sowie den berühmt-berüchtigten Narren, dem zwar bei Hofe ein offenes Wort gestattet wurde, der aber durchaus auch eine tragische Gestalt war (Andrej Reimann).

„Ich glaube, dass es gefährlichere Orte als das See-Burgtheater gibt – was die Krankheit angeht.“

Leopold Huber nach 30 Jahren See-Burgtheater zu den Sicherheitsvorkehrungen wegen der Pandemie (Bild: Brigitte Elsner-Heller)

Für Max Merker ist es das erste Mal, dass er als Regisseur Shakespeare in die Finger bekommt, was ihm wegen der Vielschichtigkeit des Stückes unterdessen durchaus Respekt abnötigt. Von Seiten des Ensembles war dazu mehrfach zu hören, dass die Figuren erst auf der Bühne im Zusammenspiel wahres Leben und Tiefe entwickeln. „Fragen der Psychologie sind irrelevant, die Figuren werden auf der Bühne geboren“, meint auch der gebürtige Bayer Franz Josef Strohmeier, der sich als Sir Tobi Rülp dem Alkohol hingeben wird.

Sofia Elena Borsani, die die Viola spielt, hat ein besonderes Verhältnis zu ihrer Rolle, die aktiv und passiv zugleich angelegt ist. „Spielt man oder wird man gespielt?“, fragt sie sich – eine Haltung, die zu Zeiten Shakespeares (in der Frauenrollen ohnehin durch Männer besetzt wurden) sicher wenig Aufmerksamkeit erfuhr.

Das Ensemble des See-Burgtheaters ist auf der Seebühne in Kreuzlingen angekommen. Noch eine Woche ist Zeit zu proben bis zur Premiere am Donnerstag, 16. Juli. Bild: Brigitte Elsner-Heller

 

Giuseppe Spina (er spielt den in Liebesdingen von Sehnsüchten gequälten Herzog) ist davon wohl gar nicht weit entfernt, wenn er anmerkt, dass die Texte nicht nur gut gealtert seien und heute wohl in Manchem Missfallen erregen könnten. Durchaus zwiespältig scheint er dieser Figur gegenüber zu stehen, wenn er sagt, Orsino sei „in die Vorstellung verliebt, dass er Liebe erleben könnte“.

Andrej Reimann, der den Narr gibt, weist darauf hin, dass der originale Wortwitz in der Übersetzung oft nur schwer zu fassen sei. Shakespeare: also doch kein Selbstläufer? Einer, der die Arbeit heutiger Theatermacher einfordert?

Mit Musik geht alles leichter

Wie im Elisabethanischen Theater üblich gehört auch bei dieser Inszenierung Musik dazu. Relativ kurzfristig ist Sandro Corbat zur Truppe gestossen, er ist für den musikalischen Part verantwortlich, der gerade auch erst im Entstehen ist. Gitarre, Trompete und Synthesizer kommen in zeitgenössischer Prägung zum Einsatz, und „singen können sowieso alle“, wie Leopold Huber einstreut. Er hat sich übrigens konsequent zurückgehalten und die Proben bisher nicht besucht.

Andrej Reimann als Narr und Musiker Sandro Corbat in action: Musik spielt in dem Stück eine wichtige Rolle. Bild: Mario Gaccioli

 

Kein Zweifel, dass dieser Shakespeare auf der Bretterbühne eine moderne Anmutung erfahren wird. Und der Spass wird sicher nicht zu kurz kommen, wenn das See-Burgtheater zur Aufführung lädt. Die Stimmung im Ensemble ist jedenfalls gut, wie es scheint. Also: Hals- und Beinbruch für die Premiere am kommenden Donnerstag!

„Wenn es ein grosses Defizit gibt, gehe ich auf Knien nach Frauenfeld“

Leopold Huber, künstlerischer Leiter des See-Burgtheater

Premiere: Donnerstag, 16. Juli 2020, 20.30 Uhr. Weitere Aufführungen bis 14. August auf der Seebühne im Seeburgpark Kreuzlingen. Alle Termine und Infos zum Ticketverkauf: www.see-burgtheater.ch

Ganz neue Perspektiven: Illyrien an den Gestaden Kreuzlingens. Bild: Brigitte Elsner-Heller

 

 

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