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Männer müssen draussen bleiben

Männer müssen draussen bleiben
Es gibt viele Wege, Männern zu zeigen, dass sie nicht erwünscht sind. Das Kunstmuseum Thurgau hat mit seinem Frauen-Kunst-Club gerade eine neue erfunden. | © Michael Lünstroth

Mit einem Frauen-Kunst-Club versucht sich das Kunstmuseum Thurgau an einem zweifelhaften neuen Vermittlungsformat. Das Konzept diskriminiert Männer und Frauen gleichermassen.

Schon während ich den ersten Satz dieser Kolumne schreibe, kann ich den darauf zu erwartenden Widerspruch in meinem inneren Ohr hören: ‚Jaja, jetzt schreibt ein Mann wieder über Themen von denen er nichts versteht: Frauen. Das kann ja nichts werden.‘ Aber zu dem neuen Frauen-Kunst-Club (FKC, wichtig: Club mit C statt K, sonst wäre die Abkürzung möglicherweise missverständlich) des Thurgauer Kunstmuseums muss ich einfach was schreiben. In aller Kürze: Der FKC ist ein neues Vermittlungsangebot des Kunstmuseums, das sich ausschliesslich an Frauen wendet. Damit ist das Problem des Konzeptes auch schon ziemlich präzise benannt. Aber starten wir mit den positiven Aspekten: Es gibt genau zwei Dinge, die ich an dem Konzept nachvollziehen kann. Erstens: Geschützte Räume können manchmal sinnvoll sein. Zweitens: Soll sich eine Institution wie ein Museum fortentwickeln können, muss es neue Ideen auch ausprobieren dürfen. Das war es dann aber auch schon. Den ganzen Rest des Frauen-Kunst-Club halte ich für fragwürdig bis unglücklich.

Vor allem aus drei Gründen. Grund 1: Es ist unfair gegenüber Männern. Nicht nur, dass sie daran wegen ihres Geschlechts nicht teilnehmen dürfen. Nein. Wenn das Museum argumentiert, es wende sich mit diesem experimentellen Format auch deshalb an Frauen, weil diese offener für derlei Programme seien, dann schnappt die Klischeefalle hier zum ersten Mal zu. Als interessierten sich Männer in ihrer Gesamtheit vor allem für konventionelle Dinge. Grund 2: Es ist unfair gegenüber Frauen. Denn schaut man sich den Themenplan des FKC an, dann schnappt die Klischeefalle zum zweiten Mal zu: Therapie, Tanzpädagogik, Theologie - als könnten sich Frauen der Kunst nur über solche eher weichen Themen nähern. Es liesse sich auch insgesamt fragen, ob es angesichts dieses Themenplans überhaupt noch um Kunst geht, oder sie lediglich noch Mittel zum Zwecke eines launigen Nachmittags ist.

Helen Dahm würde das nicht gefallen

Grund 3: Dass ausgerechnet die eigenwillige Helen Dahm zur Titelheldin der ersten Ausgaben des FKC wurde, ist mindestens erstaunlich. Lebte Dahm noch heute, sie würde sich vermutlich dagegen wehren. Sie hielt von nach Geschlechtern getrennten Zirkel gar nichts. Sie wollte beispielsweise nie in einer der Frauen-Organisationen der Schweizer Künstler sein. Sie hat immer gesagt, wenn dann wolle sie richtig anerkannt sein und nicht in irgendeiner Untergruppe von den Männern.

Wie man es auch betrachtet, die Inhalte des FKC sind in etwa so gendergerecht wie ein imaginärer Männer-Kunst-Club (MKC), in dem man die Kunst vor allem nach den Themenfeldern Fussball, Autos und Bier befragt. Das grundlegende Problem des FKC ist: Das Angebot schliesst mehr aus als ein. Im Übrigen nicht nur Männer, sondern auch berufstätige Frauen, wenn man auf die Anfangszeiten des FKC blickt: werktags, 14 Uhr.

Solch ein Konzept manifestiert alte Rollenbilder statt sie aufzubrechen

Bei allem Verständnis für geschützte Räume und dem Innovationsstreben von Museen: Das alles fühlt sich nicht richtig an im 21. Jahrhundert. Weil das Konzept disintegrativ wirkt. Und alte Rollenbilder neu manifestiert.

Deshalb mein Vorschlag: Lasst uns doch lieber gemeinsam Kunst angucken und dann über Fussball und Tanz, Autos und Theologie, Therapie und Bier reden. Da wäre für jeden was dabei und wir könnten vielleicht auch noch was voneinander lernen. Am Ende reden wir möglicherweise  sogar über Kunst. Und wenn es der Sache hilft, tanzen auch wir Männer vor einem Bild. Versprochen!

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