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von Andrin Uetz, 28.08.2021

Romantik auf dem Lilienberg

Romantik auf dem Lilienberg
Die schwedische Sopranistin Malin Hartelius ist dieses Jahr zu Gast beim Festival Kammermusik Bodensee auf dem Lilienberg. | © Festival Kammermusik Bodensee, Jorim Jaggi

Die Klänge des Eröffnungskonzerts des diesjährigen Festivals Kammermusik Bodensee passen zur melancholischen Abendstimmung am Untersee. Höhepunkte gibt im Konzert gibt es mehrere. Die ausdrucksstarke Stimme der Sopranistin Malin Hartelius gehört dazu.

Der Lilienberg bei Ermatingen lädt zum Blick auf die Insel Reichenau und den Untersee ein. An diesem wechselhaften aber durchaus schönen Spätsommerabend spiegelt sich die Abendsonne in den leichten Wogen. Der Herbst kündigt sich schon langsam an mit seinen melancholischen Farben.

Das passt sehr gut zum Thema des diesjährigen Festival Kammermusik Bodensee, welches sich der Sehnsucht widmet. Dementsprechend romantisch ist die Musikauswahl des Pianisten und künstlerischen Leiters des Festivals, Martin Lucas Staub, für das Eröffnungskonzert des diesjährigen Festivals Kammermusik Bodensee am Freitagabend.

 

Das Festival Kammermusik Bodensee findet am Wochenende zum sechsten Mal auf dem Lilienberg statt.| Bild: Festival Kammermusik Bodensee, Jorim Jaggi

Eine Starsopranistin und ein Ensemble, das sich nicht verstecken muss

Das Festival besteht nicht nur aus Konzerten, die über das Wochenende vom 27. bis 29. August 2021 im Konzertsaal des Lilienberg-Zentrums stattfinden, sondern auch aus Workshops für Nachwuchstalente. Für die diesjährige Ausgabe konnte die schwedische Sopranistin Malin Hartelius als Workshopleiterin gewonnen werden.

Im Eröffnungskonzert wird die ausdrucksstarke Stimme Hartelius‘ von einem Ensemble getragen, welches neben den erfahreneren Musikerinnen und Musikern Angela Golubeva (Violine), Ruth Killius (Viola), Sébastien Singer (Cello) und Martin Lucas Staub (Klavier) auch die zwei jungen Talente und ehemaligen Workshop-Teilnehmerinnen Audrey Haenni (Violine) und Mariana Rüegg (Klarinette) aufbot.

 

Das junge Talent Audrey Haenni. | Bild: Festival Kammermusik Bodensee, Jorim Jaggi

 

Setzen mit Louis Spohrs "Deutsche Lieder op. 103 für Sopran, Klarinette und Klavier" einen ersten Höhepunkt des Konzerts: Malin Hartelius, Mariana Rüegg und Martin Lucas Staub. | Bild: Festival Kammermusik Bodensee, Jorim Jaggi

 

Schubert, Spohr und Schuhmann

Eröffnet wird der Abend mit Franz Schuberts (1797–1828) Lied „Nur wer die Sehnsucht kennt” (D 877) und dessen „Auf dem Strome” (D 943) in einer Fassung für Sopran, Viola und Klavier. Trotz Masken und Sicherheitskonzept ist die Ergriffenheit der zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer spürbar, und der Ton für den Abend bereits nach diesen relativ kurzen Stücken gesetzt.

Es folgen die „Fantasiestücke“ op. 73 für Klarinette und Klavier von Robert Schumann (1810–1856), welche im Kontext dieses Konzertabends eher einen unterhaltsamen Übergang oder eine Art Zwischenspiel darstellen.

Die durch die Fantasiestücke warm gespielte Mariana Rüegg überzeugt gemeinsam mit Martin Lucas Staub am Klavier als Begleiterin in Louis Spohrs (1784–1859) „Deutsche Lieder“ op. 103 für Sopran, Klarinette und Klavier.

Diese Mischung aus frühromantischem Pathos, nahezu klischeehaften Harmonien und Texten, und einer maximalen Klarheit der Stimme von Malin Hartelius sind ein erster Höhepunkt vor der Pause. Es mag etwas paradox klingen, doch es ist gerade die im Vergleich zu Schubert oder Schumann fehlende Zeitlosigkeit, welche das Hörerlebnis dieser Lieder so reizvoll machen.

 

Sopranistin Malin Hartelius und Martin Lucas Staub am Klavier. | Bild: © Festival Kammermusik Bodensee, Jorim Jaggi

Trunken von Sehnsucht, auch ohne Wein

Das Schutzkonzept erlaubt es leider nicht, in der Pause Getränke zu servieren. (Nach dem Konzert gibt es dafür einen Apéro riche im Restaurant). Nach einem kurzen Blick auf den nun sich in ein dunkles violett tauchenden Bodensee wird das Klavierquintett Es-Dur op. 44 von Robert Schuhmann gespielt.

In seiner kurzen Einleitung bezeichnet Martin Lucas Staub das 1842 innerhalb von wenigen Tagen komponierte Werk treffenderweise als einen “Rausch von Musik”. Tatsächlich gibt dieses Werk kompositorisch sehr viel her, und steht auch in Bezug auf die Sehnsucht den Liedern von Schubert und Spohr in nichts nach.

 

Ein gebanntes Publikum lauscht Robert Schumanns "Klavierquintett Es-Dur op. 44". | Bild: Festival Kammermusik Bodensee, Jorim Jaggi

 

Ein Höhepunkt des Abends ist der langsame zweite Satz, in welchem eine melancholische Melodie variiert wird, um über zögerliche Pizzicati in einen lieblichen Seitensatz gelenkt zu werden. Kein Wunder haben die Romantiker der Musik das Vermögen zugeschrieben, das Unaussprechliche auszudrücken: Die grösste Sehnsucht ist ohne Worte. Nach einem stürmischen Scherzo und dem finalen Allegro ist der Applaus herzlich und lang.

 

Festival Kammermusik Bodensee

Das diesjährige Festival Kammermusik Bodensee unter dem Titel „Sehnsucht“ findet vom 27. bis 29. August 2021 auf dem Lilienberg statt.

Die Konzerte „Sonnenuntergang“ am Samstag und „Music vibrates in the memory“ am Sonntag bieten einen Mix mit Gesangs- und Instrumentalwerken. Es erklingen bekanntere und zu entdeckende Werke von Arensky, Beethoven, Brahms, Bridge, Chausson, Dvořák, Massenet, Mozart und Respighi. Wie jedes Jahr gestalten Nachwuchstalente die Matinee am Sonntagvormittag mit Werken von Brahms, Dvořák und Enescu.

Zudem kann auch beim Workshop für Gesang von Malin Hartelius zugehört werden.

 

Weitere Informationen unter: https://www.kammermusikbodensee.com

 

 

 

 

 

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