von Brigitte Elsner-Heller, 02.03.2022
Spuk im Kopf
„Mehl in der Schublade“ ab 4. März im Theater Bilitz: Auch ein Stück über die Hoffnung, in fordernden Zeiten zusammen zu finden. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
Manchmal prallen Welten aufeinander: weltpolitisch oder auch ganz privat. Wobei es immer auch eine Frage der Zeit ist, was wann wo passiert. Im häuslichen Umfeld kommt dazu, dass Menschen sich verändern, dass sie zwar prinzipiell einen stabilen Kern ihrer Persönlichkeit haben, aber eben nicht wirklich zu allen Zeiten. Es gibt Umbrüche.
Wenn zum Beispiel ein kleiner Mensch gerade freundlich und zuverlässig geworden ist, schlägt schon die Pubertät zu, von der man mittlerweile weiss, dass dann Teile des Gehirns umgebaut werden. Das kann durchaus zu einer explosiven Mischung führen – die sich allerdings zum Glück meist in einem sozialverträglichen Zeitraum wieder verflüchtigt.
Anders geartet der Prozess, der in fortschreitenden Jahren mit der Demenz auftreten kann. Hier verflüchtigt sich unter anderem alles, was der Mensch in seinem Streben nach einem erfüllten Leben zusammengetragen, auch, was er vielleicht verloren hat.
Auf der Bühne
Was für ein Setting also, wenn die beiden Prozesse gemeinsam verhandelt werden, die sich keiner unmittelbar jetzt so für sich wünschen würde. In Flo Staffelmayrs Theaterstück „Mehl in der Schublade“ passiert aber gerade dieses (UA 2017).
Die „tragikomische Geschichte über Erinnern und Vergessen, Jungsein und Altwerden“, wie es im Untertitel heisst, wird vom Theater Bilitz ab Freitag, 4. März 2022, auf die Bühne gebracht.
Und dann nicht nur auf die heimische Bühne in Weinfelden, sondern, wie es das Konzept des Theaters grundsätzlich vorsieht, auch in diverse Klassenzimmer. Jugendliche ab 13 Jahre können dann einen Blick darauf wagen, was es heisst, wenn der demente Opa ins Heim umziehen muss und die Eltern als Hilfe gerade mal ausfallen.
Bitte recht freundlich?
Noch wird im Theaterhaus Thurgau in Weinfelden geprobt, aber es ist deutlich erkennbar, dass die Geschwister Sophie (Sonia Diaz) und Julian (Ivan Georgiev) nicht unbedingt ein Herz und eine Seele sind. Während Sophie die Dinge anpackt und beim Namen nennt, befindet sich der 16-jährige Bruder noch im Paralleluniversum der Pubertät.
Dass Julian es eher cool als verdammenswert findet, Sexszenen ins Netz zu stellen, kann und will seine Schwester nicht akzeptieren. In dieser Auseinandersetzung steht nicht nur Witz, sondern auch Aggression im Raum, was die Probenarbeit nicht immer einfach macht.
Und so haben es die drei Schauspieler (Roland Lötscher gibt den dementen Opa) angesichts derart polarisierender Charaktere nicht immer leicht, aufeinander einzugehen. Regisseurin Agnes Caduff muss moderieren, während es in den Dialogen doch immer hitziger zugeht.
Sich verlieren
Dabei ist es schon rührend, wie der demente Opa in seine Vergangenheit eintaucht und sie zur Gegenwart wird. Wie er einer schon längst verstorbenen Freundin unbedingt schreiben will und sich im Spitzen des Bleistifts verliert. Aber er hat immer geschrieben, wieso sollte er es jetzt nicht mehr tun?
Die Bücher, bereits in Umzugskisten verstaut, erweisen sich plötzlich als Gefahr - denn sie waren verboten, müssen jetzt unbedingt weg. Ja, es gab Zeiten, die nicht zum schönen Erinnern taugen.
Wobei man wieder bei der Weltpolitik angekommen ist – bei der man eigentlich gerade gar nicht sein möchte. Und so hofft man auf Verhandlungsgeschick und gegenseitiges Verständnis im Privaten. Dort muss man doch anfangen können.
Alle Aufführungstermine im Überblick
Am Freitag, 4. März 2022, 20.15 Uhr, hat „Mehl in der Schublade“ Premiere. Weitere Aufführungen: Sa., 5. März, 20.15 Uhr. Reservationen sind hier möglich. Tickets kosten: Erwachsene: 25.–, Kinder: 12.–, Familie: 49.– Neben den öffentlichen Vorstellungen gibt es auch zahlreiche Aufführungen für Schulen.
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