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von Inka Grabowsky, 20.11.2020

Glücklicher Dritter

Glücklicher Dritter
Aron Alakmeh an seinem Lieblingsort - dem Klavier. | © Inka Grabowsky

Der Kreuzlinger Nachwuchspianist Aron Alakmeh ist beim Internationalen Jeune-Chopin-Wettbewerb in Martigny ausgezeichnet worden. Dabei hatte er sich bestenfalls Aussenseiter-Chancen ausgerechnet.

2018 rief das Schweizer Frederic-Chopin-Institut einen Wettbewerb für Nachwuchs-Pianisten ins Leben. In drei Altersklassen zwischen 12 und 18 Jahren dürfen sich dabei jeweils zehn Jugendliche aus aller Welt behaupten. Bei seiner zweiten Durchführung Ende Oktober gehörte Aron Alakmeh zu den Teilnehmern. Als einziger Schweizer hatte er es in die Endrunde geschafft.

Angemeldet hatte er sich, weil er die Chance zur Begegnung mit seinem Vorbild Martha Argerich nicht vorüberziehen lassen wollte, die Teil der Jury war. „Ich kenne ihre Aufnahmen von klein auf“, sagt der junge Mann. „Wochen im Voraus habe ich mir überlegt, wie es ist, so nah an die Künstlerin heranzukommen. Und dann war es eher surreal. Es waren ja wegen der Pandemie nur zehn Personen im Saal: Die Jury, meine Mutter und ich. Aber wenn ich spiele, vergesse ich das Umfeld.“ 

Aron Alakmeh beim Internationalen Jeune-Chopin-Wettbewerb in Martigny Ende Oktober 2020. Bild: zVg

Qualifiziert für Höheres

Aron wurde tatsächlich Drittbester. „Von Martha Argerich für würdig befunden zu werden war grossartig. Ich war noch nie so zufrieden nach einem Wettbewerb“, sagt der 18-Jährige heute. Die Erstplatzierte, Eva Gevorgyan aus Russland und der Zweite, Théotime Gillot aus Frankreich, hätten auch ihn beeindruckt. „Ich bin stolz, dass ich mir mit ihnen eine Plattform habe teilen dürfen.“

Konkurrenzdruck habe er nicht gespürt: „Man tritt nicht gegeneinander an, sondern zeigt jeweils, was man kann. Vor so einer Jury spielen zu dürfen, sollte man geniessen.“ Am ausgeschütteten Preisgeld liegt die Zufriedenheit des Musikers jedenfalls nicht. Das deckt gerade einmal die Meldegebühr und die Reisespesen. „Darum geht es aber auch niemandem.“

Eigentlicher Zweck des Wettbewerbs in der Schweiz ist es, die jungen Leute auf die Teilnahme beim grossen Chopin Wettbewerb in Warschau vorzubereiten, wo sich 17- bis 28-jährige Pianisten aus aller Welt präsentieren dürfen. Der Kreuzlinger fühlt sich dem aber noch nicht gewachsen. „Es wäre nicht realistisch, dort anzutreten“  

Video: So klingt Aron Alakmeh am Klavier

Strategie ging auf

Beim „Jeune-Chopin“ müssen die jungen Musiker aus einem gegebenen Katalog ein eigenes Programm zusammenstellen. Aron konzentrierte sich auf Stücke, die er ohnehin schon erarbeitet hatte. Ein Grossteil seines Repertoires bestehe aus Werken von Chopin.

Er spielte also das Nocturne Op. 48 Nr. 1 in c-moll, die Nummern 5 und 12 aus der Etüde Opus 25, die Mazurkas 1 bis 4 Opus 24 und die Ballade Op. 23 in g-moll. „Ich habe Stücke gewählt, bei denen ich meine Stärken ausspielen konnte. Meine Rechte ist beispielsweise besser als meine Linke. Ausserdem liegen mir schnelle Läufe. Bei den ruhigen Passagen konnte ich die vielen Feinheiten herausarbeiten. Das Zarte ist bei Chopin wichtig.“

35 Minuten hatte Aron, um die Preisrichter zu überzeugen. Die Strategie ging auf. Offenkundig fanden die Preisrichter seine Interpretationen interessant.

Schwere Entscheidung: Musik oder Medizin?

Nach der Matura vergangene Sommer an der PMS Kreuzlingen stand Aron Alakmeh vor der Wahl, Musik oder Medizin zu studieren. An einer Musikhochschule in Polen hatte er sogar schon die Aufnahmeprüfung bestanden. Auch die Türe für die Manhattan School of Music in New York stand nach bestandener Aufnahmeprüfung und einem Stipendienangebot offen.

Doch dann kam Corona. „Ich wollte nicht ins Ausland, deshalb fiel die Wahl auf das Medizinstudium in Zürich, das jetzt online abläuft.“ Mit Blick auf die Pandemie war das eine gute Entscheidung. „Was mich beim Üben immer motiviert hat, war auch das Reisen zu Konzerten, das Kennenlernen andere Musiker, die Erweiterung des Horizonts – all das ist jetzt weggefallen.“

Aron tröstet sich damit, dass Fingerfertigkeit auch in einigen Gebieten der Medizin sinnvoll ist. „Und man könnte ja durchaus klavierspielender Arzt sein.“ Trotzdem lässt sich der 18-Jährige eine Hintertür offen. In seiner Freizeit übt er weiter fleissig. Der internationale Frederic Chopin Wettbewerb in Warschau findet schliesslich alle fünf Jahre statt.

Video: Maturaarbeit am Piano


 

 

 

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