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von Inka Grabowsky, 27.12.2016

Neurosen zu Silvester

Neurosen zu Silvester
Benjamin Heutschi (links neben Thomas Götz) ist Elvis und Finanzbeamter in Personalunion. | © Inka Grabowsky

Die Bühni Wyfelde präsentiert zum Jahreswechsel den „Neurosen Kavalier" von Gunther Beth und Alan Cooper. Das Ensemble aus bewährten Amateuren unter professioneller Leitung spielt schon fast perfekt.

Von Inka Grabowsky

Seit Mitte August probt das Ensemble im Theaterhaus Weinfelden. Langsam intensiviert sich die Arbeit. In der Woche zwischen Weihnachten und Silvester werden die sieben Schauspieler von morgens bis abends auf der Bühne stehen und sich den letzten Schliff verpassen lassen. „Wenn man nur zwei Mal pro Woche am Abend probt, dann ist es nicht zu früh fünf Monate vor der Premiere anzufangen", sagt Regisseur Jean Grädel. „Ausserdem ist das Stück sprachlich sehr anspruchsvoll. Boulevard-Komödien zu spielen ist besonders schwierig. Sie müssen leicht und spritzig wirken. Wenn das Tempo nicht stimmt, wird's tranig. Da ist Präzision wie bei Uhrmachern nötig." Noch läuft nicht alles rund. Die Stöckelschuhe von Fräulein Engel (alias Kim Binder) sitzen nicht richtig, der Schreibtisch wackelt auch bedenklich und die Einsätze kommen nicht immer zur richtigen Zeit. Der Neurosen Kavalier sei leichte Unterhaltung mit leichter Gesellschaftskritik, aber nicht leicht zu realisieren, so der Theatermacher. Eingebrockt hat sich die Arbeit Jean Grädel selbst. Er hat das Stück vorgeschlagen.

Video-Impressionen von den Probearbeiten. 

Für das Ensemble konnte Grädel auf einige alte Hasen zurückgreifen, mit denen er vor sieben Jahren schon die Komödie „Der nackte Wahnsinn" umgesetzt hatte. Loretta Giacopuzzi Schätti, Heinz Wiederkehr und Thomas Götz waren schon damals Teil seines Teams. Dementsprechend konnte er einschätzen, dass er die Schauspieler mit seiner Stückwahl nicht überfordern würde. „Sie sind erfahrene Laien oder im besten Wortsinn Amateure. Wir hatten damals Erfolg, also vertrauen mir die Schauspieler auch jetzt. Vielleicht hat deshalb niemand gegen meine Besetzungsvorschläge opponiert."

Thomas Götz in der Hauptrolle ist fast ständig auf der Bühne und muss dementsprechend besonders viel Text lernen. Er spielt den dreisten Dieb, der in der Adventszeit als Weihnachtsmann verkleidet reihenweise Läden ausräumt und durch eine Verwechslung für einen Psychologen gehalten wird. „Es ist immerhin ein Sympathieträger", sagt der Hobby-Schauspieler lachend. „Ich habe schon schlimmere Figuren verkörpert." Götz geniesst es, jenseits seines Engagements als Solo-Kabarettist mit dem Programm „Ergötzliches" mit einem Ensemble zusammen zu spielen. Dafür nimmt er seit 1999 die aufwändige Probenarbeit mit der Bühni Wyfelde immer wieder gerne in Kauf.

Regisseur Jean Grädel hält die Fäden bei der Produktion zusammen. Bild: Inka Grabowsky

Der Theaterpädagoge Peter Wenk, der sonst beim Comedyexpress selbst die Regie führt, hat im „Neurosen Kavalier" die Rolle des verliebten Psychiaters Doktor de Witt übernommen. Auch er sagt: „Es macht Spass, aber die Stunden darf man nicht zählen." Weniger Arbeit hatte SRF-Star Reto Scherrer, der im Stück einen Radiomoderator gibt. Er hat extra für die Produktion in seinem Studio einen Take aufgenommen, der nun bei den Vorstellungen eingespielt wird. „Ich habe ihn einfach angerufen, und er hat sofort ‚ja' gesagt", erzählt Jean Grädel. „Er sei doch Thurgauer, hat er zugefügt."

Vor genau dreissig Jahren wurde die „Psycho-Komödie in vier Sitzungen" (so der Untertitel) uraufgeführt und seitdem in einem Dutzend Länder weit über hundert Mal inszeniert. Eine Fernseh-Verfilmung mit Harald Juhnke in der Hauptrolle verhalf der Stück zu zusätzlicher Popularität. Es dürfte die Kombination aus Wortwitz, Situationskomik und der Sehnsucht nach dem ehrlichen Gauner sein, die den Erfolg ausmacht. Der Dieb, der das Herz auf dem rechten Fleck hat und seinen Mitmenschen hilft, ist schliesslich mindestens seit Prometheus ein allseits beliebter Held. Insofern steht auch einem Triumpf der Bühni Wyfelde nichts im Wege, auch wenn Regisseur Jean Grädel gelegentlich Zweifel beschleichen: „Bisher haben wir es immer geschafft, das Publikum zum Lachen zu bringen, aber genau weiss man es natürlich nie. Wenn man sich so lange mit einem Stück beschäftigt, sind die Witze irgendwann einmal nicht mehr lustig."

Weitere Informationen unter

http://www.buehniwyfelde.ch/index.php?page=das-stuck 

Alle Termine im Überblick

31. Dezember 2016: 17.15 Uhr - Premiere
:: 31. Dezember 2016: 20.15 Uhr
:: 06. Januar 2017: 20.15 Uhr
:: 07. Januar 2017: 20.15 Uhr
:: 08. Januar 2017: 17.15 Uhr
:: 13. Januar 2017: 20.15 Uhr
:: 14. Januar 2017: 20.15 Uhr
:: 15. Januar 2017: 17.15 Uhr
:: 19. Januar 2017: 20.15 Uhr
:: 20. Januar 2017: 20.15 Uhr
:: 21. Januar 2017: 20.15 Uhr
:: 22. Januar 2017: 17.15 Uhr
:: 26. Januar 2017: 20.15 Uhr
:: 27. Januar 2017: 20.15 Uhr
:: 28. Januar 2017: 20.15 Uhr - Derniere

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