von Inka Grabowsky, 30.11.2020
Kein Silvester ohne Theater
Die übliche Silvesterpremiere hat die Bühni Wyfelde in diesem Jahr coronabedingt gestrichen. Eine kleine Drei-Mann-Produktion soll trotzdem über die Bühne gehen. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Einsam ist’s im Theaterhaus Thurgau in Weinfelden. Eigentlich sollte hier jetzt die „Zukunftsmusik“ der Theagovia begeisterten Applaus ernten und die Proben der Bühni Wyfelde in die Endphase gehen. Doch die Pandemie erzwingt andere Pläne.
Seit 1986 feiert der Theaterverein Bühni Wyfelde jedes Jahr zu Silvester eine Premiere. In diesem Jahr hätte es „Funny Money“ sein sollen. „Aber es wäre einfach nicht vernünftig gewesen, es durchzuziehen“, erklärt Marta Wechsler, die Präsidentin des Vereins.
Der Aufwand für jeweils nur fünfzig Zuschauer in Theaterhaus wäre zu gross, die Verantwortung für die Truppe auch. „Wenn einer von den Mitwirkenden krank geworden wäre oder in Quarantäne gemusst hätte, wäre es dramatisch geworden“, so Wechsler.
Der Kanton erstattet 80 Prozent der entstandenen Kosten
Also zog der Verein die Reissleine, gerade rechtzeitig, bevor hohe Kosten für Werbemittel wie Flyer oder Plakate aufgelaufen wären. „Achtzig Prozent der bisher nötigen Investitionen erstattet uns wohl der Kanton“, tröstet sich Wechsler über den finanziellen Verlust.
Schwerer wiegt der Verlust der Tradition. Deshalb kam sie auf die Idee, mit nur drei Schauspielern ein einstündiges Stück aus dem Boden zu stampfen, das an Silvester dreimal hintereinander aufgeführt wird. „Wir wollen zeigen ‚Wir sind noch da‘. Und wir wollen unseren Zuschauern, die zum Teil seit Jahrzehnten zu uns kommen, etwas bieten.“
Natürlich mit Hygienekonzept
Statt 19 Vorstellungen für rund 1700 Menschen gibt es also drei Vorstellungen für höchstens 150 Zuschauer. Mit fünfzig besetzen Plätzen ist das Theaterhaus Thurgau halb leer. Selbstverständlich wird jedem eine Maske zur Verfügung gestellt, wenn er keine eigene mitbringt.
Zwischen den Vorstellungen unter dem passenden Motto „The Show Must Go On“ wird jeweils eine Stunde lang gelüftet. „Wir wollen draussen eine kleine Bar einrichten, damit niemand zu lange im Innenraum ist“, sagt Marta Wechsler. Warm anziehen sollten sich die Zuschauer also alle. „Trotz aller Vorsichtsmassnahmen haben viele Leute Angst. Ich weiss wirklich nicht, wie viele kommen werden.“
Vorsichtige Zuversicht bei Thomas Götz
„Wenn‘s kein Geld gibt, so gibt es wenigstens einen guten Abend“, meint Thomas Götz lakonisch. Er hat einen Job im Contact-Tracing angenommen, weil alle seine Auftritte als Kabarettist pandemiebedingt abgesagt worden waren. Dort arbeitet er fünfzig Prozent, so dass er Zeit für die Probenarbeit hat, und die wird intensiv.
Unter der Regie von Jean Grädel konzipieren Thomas Götz, Peter Wenk und Yves Vaucher derzeit das neue Stück. „Ich kann noch nicht verraten, was genau passiert“, so Götz, „aber es wird unbeschwerte temporeiche Unterhaltung sein - garantiert coronafrei.“
Regie führt jetzt Jean Grädel
Die Männer, die auch bei „Funny Money“ dabei gewesen wären, hatten sich sofort gemeldet, als es Aussicht auf den Auftritt unter widrigen Umständen gab. „Natürlich ist alles unter Vorbehalt“, warnt der Schauspieler. „Wenn die Zahlen wieder hoch schiessen, fällt wieder alles aus. Aber wir sind mit Jean Grädel nur zu viert, der Aufwand ist geringer. Wir können das Risiko also in Kauf nehmen.“
Die vier Beteiligten selbst scheuen keine Mühe. „Wir proben vier Stunden am Abend und mitunter auch mal den ganzen Tag.“ Marta Wechsler, die auch hier die Produktionsleitung übernimmt, ist zuversichtlich: „Die drei Schauspieler sind professionell genug, um in so kurzer Zeit ein Stück auf die Beine zu stellen.“
Silvester-Programm der Bühni Wyfelde: „The Show Must Go On”
Donnerstag, 31. Dezember:
17.15 Uhr
19.15 Uhr
20.15 Uhr
Bar und Kasse ab 60 Minuten vor Beginn
Eintrittspreise 30.- , ermäßigt 24.-
Reservation online hier möglich ab 12. Dezember, 14 Uhr
Auch die Theagovia musste absagen
Auch die Theagovia hatte ihre Premiere, die für den 31.Oktober vorgesehen war, auf den Herbst 2021 verschoben. „Seit April hatten wir geprobt“, sagt Nina Werthmüller, die Präsidentin des Vereins, der die Truppe trägt. Finanziell hat die Absage der zwölf geplanten Vorstellungen keine allzu bösen Folgen. Bühnenbild, Kostüme und Maske hatten die Theagovia-Mitglieder zum grössten Teil in Eigenarbeit erstellt, so dass weniger Investitionen nötig waren. Es gäbe zwar Verluste, aber der Verein könne weiterarbeiten.
„Er wird von den Mitgliedern getragen, und unsere Schauspieler sind alle Laien, haben also einen Beruf, in dem sie Geld verdienen. Deshalb haben wir auch keinen Antrag auf Erstattung von Kosten beim Kanton gestellt. Die hauptberuflichen Künstler sind mehr darauf angewiesen.“
Die Motivation der beteiligten neun Schauspieler und Schauspielerinnen ist ungebrochen. „Natürlich sind wir enttäuscht, aber allen war von Beginn an klar, dass die Ausführung schwierig werden könnte. Die zweite Welle war ja schon lange im Gespräch.“ Alle Aktiven wollen in einem Jahr wieder mit dabei sein.
Von Inka Grabowsky
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