Seite vorlesen

Corona-Déja-vu

Corona-Déja-vu
Dieser Oktober fühlt sich ziemlich wie März an. Veranstalter und Kulturschaffende im Thurgau sind verunsichert. | © Canva

Viele Absagen, grosse Verunsicherung: Nach der Verschärfung der schweizweiten Corona-Massnahmen stehen Veranstalter und Kulturschaffende im Thurgau vor schweren Entscheidungen.

Der Auftritt von Josef Hader beim Kreuzlinger Kabarettfestival: Abgesagt! Die neue Theaterproduktion von Astrid Keller mit der Zentrumbühne Bottighofen: Abgesagt! Der lange geplante Kultur- und Museumstag in Arbon: Abgesagt! Der Oktober 2020 fühlt sich gerade ein bisschen nach März 2020 an. Damals waren die Einschränkungen zwar noch strenger, aber, so notwendig die Einschnitte für die Stabilität des Gesundheitssystems auch sind - die neuen Corona-Massnahmen treffen die Kulturbranche wieder hart.

Denn: Auch wenn Kultureinrichtungen grundsätzlich offen bleiben dürfen und Veranstaltungen bis 50 Personen weiterhin erlaubt sind, stellt sich die Frage, ob es angesichts der angespannten Gesundheitslage noch ein Publikum gibt, das sich in den öffentlichen Raum wagt.

Bilitz-Ensemble steht wieder vor Kurzarbeit

Entsprechend gross ist die Verunsicherung unter Thurgauer Veranstaltern und Kulturschaffenden. „Für uns im Theaterhaus Thurgau ist es eine schwierige Zeit“, schreibt Lena Leuenberger, Kommunikationsverantwortliche des Theaterhauses auf Nachfrage. Die im Theaterhaus spielenden Gruppen reagieren unterschiedlich auf die neue Lage. Die Theagovia hatte die Aufführung ihrer Jahresproduktion bereits abgesagt, das Theater Bilitz, das viel in Schulen spielt, bekommt wieder vermehrt Absagen und bei der Bühni Wyfelde wartet man einstweilen noch ab. Bis zur Silvesterproduktion vergeht noch einige Zeit. „Bis jetzt ist da nach wie vor alles "normal" geplant, einfach mit Schutzkonzept und weniger Publikum“, schreibt Leuenberger dazu.

Bitter sind die neuerlichen Einschnitte auch für das Ensemble des Bilitz. „Das Theater Bilitz beschäftigt ein Ensemble an Profi-SchauspielerInnen, die jetzt erneut ihren Beruf nur zum Teil ausüben dürfen/können. Da prüfen wir wieder das Thema Kurzarbeit. Schon im Frühling waren unsere SchauspielerInnen und TheaterpädagogInnen in Kurzarbeit“, erklärt Lena Leuenberger.

Ganz dicht macht das Theaterhaus aber nicht: „Wir können den Geschichten-Herbst am 1. November noch durchführen mit maximal 50 Personen im Publikum - und aus dem Sonntags-Znüni machen wir ein Znüni-Säckli zum Mitnehmen. Wir hoffen, die Kinder und die begleitenden Erwachsenen haben trotz dieser Einschränkungen eine gute Zeit bei uns“, schreibt Bilitz-Kommunikationschefin Leuenberger.

„Wir müssen dafür sorgen, dass KünstlerInnen, TechnikerInnen und alle anderen rundherum nicht vor einem kompletten Berufsverbot stehen und ihnen wenn irgend möglich Gagen zahlen.“

Claudia Rüegsegger, Leitung Geschäftsstelle Eisenwerk

Im Frauenfelder Eisenwerk versucht Claudia Rüegsegger, Leiterin der Geschäftsstelle, trotz allem positiv zu bleiben: „Die Grundhaltung des Eisenwerks ist: Solange wir veranstalten dürfen – selbstverständlich unter Einhaltung sämtlicher Vorschriften – veranstalten wir. Das ist der Auftrag eines Veranstalters. Und wir müssen dafür sorgen, dass KünstlerInnen, TechnikerInnen und alle anderen rundherum nicht vor einem kompletten Berufsverbot stehen und ihnen wenn irgend möglich Gagen zahlen.“

Sie findet zudem, dass es wichtig sei, dass jetzt nicht alles komplett lahmgelegt wird: „Wer grosse Angst vor einer Ansteckung hat, geht ohnehin unter keinen Umständen an eine Kulturveranstaltung, und überhaupt nirgendwo mehr hin. Obwohl es dort kontrolliert zu und her geht. Für die, die sich (noch) trauen, lohnt es sich aber, nicht jede Form von öffentlichem Leben, Austausch und Anregung auszuschalten“, findet Claudia Rüegsegger.

Die am Mittwoch verfügten Massnahmen beschreibt Rüegsegger gleichwohl als unabdingbar. Es sei sinnfrei, jede Massnahme einzeln zu diskutieren und zu hinterfragen oder dagegen anzukämpfen. „Wir müssen es einfach versuchen, what else? Ich gehe davon aus, dass das diesmal ziemlich lange dauert. Und falls es irgendwann mal wirklich vorbei ist, sollte auch noch was da sein. Zum Beispiel Kultur“, schreibt die Eisenwerk-Geschäftsstellenleiterin.

Das Aus nach monatelangen Proben für die Zentrumbühne Bottighofen

Seit Februar hatten elf Laiendarsteller, 16 Sänger und 4 Musiker geprobt, um für die Zentrumbühne Bottighofen am 6. November „Don Camillo und Peppone“ im Dorfzentrum Bottighofen auf die Bühne zu bringen. Das ist wegen der Verordnungen des Bundesrats nun nicht mehr machbar. „Es ist eine Absage, keine Verschiebung“, sagt Produktionsleiter Fritz Wirz. „Wir wissen ja nicht, wie lange die Corona-Krise anhält.“

Das Ensemble habe zwar vorsichtig signalisiert, dass es im Frühjahr 2021 noch zur Verfügung stehen würde, doch Bedingung für einen zweiten Versuch nächstes Jahr wäre, dass der Verein den Saal im Dorfzentrum ohne Stornierungskosten reservieren kann. „Er scheint sehr gut gebucht zu sein, weil ja viele Veranstaltungen, die dieses Jahr abgesagt wurden, nachgeholt werden sollen“, so Wirz. „Und an einen anderen Ort können wir nicht gut gehen. Wir sind schliesslich die Zentrumsbühne Bottighofen, die 1981 gegründet wurde, um genau diesen Saal zu bespielen. Aber über all das werden wir in der Vorstandssitzung sprechen.“

Bereits 1250 Karten waren für die zwölf geplanten Vorstellungen verkauft. Das Geld soll zurückerstattet werden. (Mail an vorverkauf@zentrumbuehne-bottighofen.ch)  „Wir wären natürlich nicht unglücklich, wenn der eine oder anderen auf die Rückerstattung verzichtet, um uns zu unterstützen“, meint Fritz Wirz. 

Im Naturmuseum ändert sich vorerst nicht so viel

Hannes Geisser, Direktor des Naturmuseum Thurgau, bleibt trotz der neuen Massnahmen einigermassen gelassen: «Die verstärkten Massnahmen des Bundes gegen das Coronavirus haben für Besuchende wie auch für Mitarbeitende des Naturmuseums Thurgau nur wenige zusätzliche Einschränkungen zur Folge. In unserem Museum gilt bei öffentlichen Publikumsveranstaltungen (je nach räumlicher Situation) schon seit der Wiedereröffnung im Mai eine Beschränkung auf maximal 20, 15, teilweise sogar nur 12 Personen», schreibt Geisser auf Nachfrage.

Wie sich die neuen Massnahmen auf die Besucherzahlen auswirkten, müsse man ohnehin erstmal abwarten. «Aber wir bleiben guten Mutes und freuen uns, wenn das Publikum auch in diesen sonderbaren Zeiten den Weg ins Naturmuseum findet», erklärt Hannes Geisser.

Auch das MoMö streicht alle noch für 2020 geplanten Events

Grosse Enttäuschung herrscht hingegen in Arbon: Der für den 7. November lange geplante Kultur- und Museumstag fällt aus: „Eine Umsetzung unter den aktuellen Umständen und Reglungen ist nicht realistisch und verantwortbar“, schreibt Paolo Spagnolo, Mit-Veranstalter und Leiter des MoMö in Arbon. Einzig ein Veranstaltungspunkt des Tages soll gerettet werden: Die Podiumsdiskussion über die entstehende Dependance des kantonalen Historischen Museums, unter anderem mit Regierungsrätin Monika Knill und Museumsdirektorin Gabriele Keck, soll stattfinden. „Natürlich unter den vorgegebenen Bedingungen und einer limitierten Teilnehmerzahl“, schreibt Spagnolo.

Auch sein Museum MoMö leide unter den neuen Vorgaben, sagt Paolo Spagnolo. «Fakt ist, dass wir als MoMö in unserer Entwicklung durch Corona gut ein Jahr zurückgeworfen worden sind», erklärt er auf Nachfrage. Alle Betriebsführungen bis Ende November seien abgesagt, alle noch für dieses Jahr geplanten Events ebenso. Zudem reduziert das Museum seine Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag schliesst das Museum ab November bereits um 18.30 Uhr statt um 21 Uhr. Eine allgemeine Maskenpflicht und Contact Tracing bei allen Gästen hatten das MoMö schon länger eingeführt.

Kreuzlinger Theater an der Grenze macht komplett dicht

Einen noch deutlicheren Schnitt hat in der Nacht auf Donnerstag das Kreuzlinger Theater an der Grenze beschlossen: Alle noch für dieses Jahr geplanten Veranstaltungen werden ab sofort abgesagt und auf einen unbestimmten Zeitpunkt 2021 verschoben.

(Mitarbeit: Inka Grabowsky)

Was bedeutet das für meine Veranstaltung?

Falls ihr Tickets habt für eine Veranstaltung in den nächsten Wochen, solltet ihr vorab immer die Seite der Veranstalter checken, ob die Aufführung tatsächlich stattfindet. Wir bemühen uns auch, unsere Agenda immer aktuell zu halten. Aber in diesen Zeiten der schnellen Entscheidungen ist das nicht immer zu jedem Zeitpunkt möglich. Deshalb informiert euch rechtzeitig, damit ihr den Weg nicht umsonst macht.

 


 

 

Kommentare werden geladen...

Kommt vor in diesen Ressorts

  • Wissen

Kommt vor in diesen Interessen

  • Gesundheit

Ist Teil dieser Dossiers

Werbung

Hinter den Kulissen von thurgaukultur.ch

Redaktionsleiter Michael Lünstroth spricht im Startist-Podcast von Stephan Militz über seine Arbeit bei thurgaukultur.ch und die Lage der Kultur im Thurgau. Jetzt reinhören!

#Kultursplitter - Agenda-Tipps aus dem Kulturpool

Auswärts unterwegs im April/Mai - kuratierte Agenda-Tipps aus Basel, Bern, Liechtenstein, St.Gallen, Winterthur, Luzern, Zug und dem Aargau.

Austauschtreffen igKultur Ost

Für eine starke Kulturstimme im Kanton Thurgau! Dienstag, 11. Juni 2024, 18.00 Uhr, Kult-X Kreuzlingen.

Literaturpreis «Das zweite Buch» 2024

Die Marianne und Curt Dienemann Stiftung Luzern schreibt zum siebten Mal den Dienemann-Literaturpreis für deutschsprachige Autorinnen und Autoren in der Schweiz aus. Eingabefrist: 30. April 2024

Atelierstipendium Belgrad 2025/2026

Bewerbungsdauer: 1.-30. April 2024 über die digitale Gesuchsplattform der Kulturstiftung Thurgau.

Ähnliche Beiträge

Wissen

Was man 2023 in der Kartause Ittingen erleben kann

Zeitgenössische Kunst, historische Ausstellungen, spirituelle Seminare und die traditionellen Pfingstkonzerte: Die Kartause Ittingen hat ihr Programm für 2023 vorgestellt. mehr

Wissen

Ein Ende mit Schrecken!

Das Messingobjekt misst 4 Zentimeter in Höhe, Breite und Tiefe und war lange Zeit ein effektiver Helfer von Chirurgen und Badern – aber wobei? mehr

Wissen

Barfuss ins Museum

Das Stapferhaus in Lenzburg zeigt mit seiner neuen Natur-Ausstellung, welch fantastische Orte Museen sein können. Warum das auch ein Vorbild für das neue Historische Museum in Arbon sein sollte. mehr